KAPITÄN NEMOS KINDER
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WOLFGANG HOHLBEIN
DIE GRAUEN WÄCHTER
UEBERREUTER
Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme
Hohlbein, Wolfgang:
Kapitän Nemos Kinder / Wolfgang Hohlbein. - Wien: Ueberreuter Die Grauen Wächter. - 1997 ISBN 38000-2443-8
J 2245/1 Alle Urheberrechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe in jeder Form, einschließlich einer Verwertung in elektronischen Medien, der reprografischen Vervielfältigung, einer digitalen Verbreitung und der Aufnahme in Datenbanken, ausdrücklich vorbehalten Umschlagillustration von Doris Eisenburger
Gesetzt nach der neuen Rechtschreibung
Copyright © 1997 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien Printed in Austria
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Das Licht war trüber als sonst; es hatte einen grünlichen Schimmer und zauberte nervös hin und her huschende Muster an die Decke des Salons. Ein ununterbrochenes dumpfes Summen lag in der Luft und manchmal knackte und knisterte es unheimlich. Die Luft roch muffig und es war so feucht, dass Mike trotz der im Grunde angenehmen Temperaturen, die im Salon der NAUTILUS herrschten, beständig fror. Vielleicht waren es aber auch Trauer und Verbitterung, die er spürte. Obwohl er jetzt seit einer guten Woche tagtäglich mehrere Stunden hier verbrachte, hatte er sich immer noch nicht an den Anblick gewöhnt. Die NAUTILUS war nicht einfach nur ein Schiff. In den letzten Jahren war sie zu seiner Heimat geworden und jetzt stand er sozusagen in den Trümmern dieser Heimat; dem erbärmlichen Rest, der übrig geblieben war, nachdem die NAUTILUS von einem ihrer eigenen Torpedos getroffen und versenkt worden war. Trautman, Singh und vor allem Weisser ließen zwar keine Gelegenheit verstreichen, um ihnen allen immer wieder zu versichern, dass sie noch Glück gehabt hatten und es hätte schlimmer kommen können, aber für Mike waren diese Worte kein Trost, auch wenn es sicherlich die Wahrheit war. Aber was half der Gedanke schon, dass es schlimmer kommen konnte? Für seinen Geschmack war es schlimm genug: Sie hatten es zwar geschafft, die NAUTILUS aufzurichten, so dass der Turm mit dem Einstieg wieder aus dem Wasser ragte und sie hinein- und hinauskonnten, ohne dass jedes Mal ein neuer Schwall Salzwasser in das Schiff drang, aber das Unterseeboot lag immer noch reglos auf dem Meeresgrund -zwar nur in wenigen Metern Tiefe und nur einen Steinwurf vom Strand entfernt, trotzdem aber wenig mehr als ein Wrack. Das Platschen von Schritten im Wasser, das auch draußen auf dem Gang noch immer knöcheltief stand, riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah hoch und lächelte flüchtig, als er Trautman erkannte, der durch die Tür hereintrat. Er trug wadenhohe Gummistiefelund dazu einen blauen Arbeitsanzug, der über und über mit Öl, Ruß und Schmierfett bedeckt war, und er machte einen sehr erschöpften Eindruck. Seit zwei Wochen arbeitete er fast ununterbrochen. Mike konnte sich nicht erinnern, wann er ihn das letzte Mal ausgeschlafen erlebt oder ihn gar schlafen gesehen hatte. Er hätte Trautman, der bereits über sechzig war, gerne einen Teil der Arbeit abgenommen, aber es gab nur sehr wenig, was er tun konnte. Trautman war der Einzige an Bord, der sich gut genug mit der Technik der NAUTILUS auskannte, um das Schiff nicht nur zu steuern, sondern auch vieles zu reparieren. »Alles in Ordnung?« Es dauerte eine Sekunde, bis Mike begriff, dass Trautmans Frage weniger seinem Wohlbefinden galt als vielmehr den Instrumenten und Anzeigen auf dem Pult vor ihm. Hastig senkte er den Blick und nickte Trautman einen Augenblick später verlegen zu. Trautman lächelte nur und winkte ab, was Mikes Verlegenheit noch mehr Nahrung gab. Seit sie auf dieser Insel gestrandet waren, benahmen sich alle übermäßig freundlich und eigentlich schon zu rücksichtsvoll was natürlich mit den Vorfällen zusammenhing, die der Beinahe-Katastrophe vorangegangen waren. Obwohl es bereits zwei Wochen her war, saß ihnen allen der Schock noch immer in den Knochen und jedem machte die Erkenntnis zu schaffen, wie sehr er selbst sich verändert gehabt hatte, als sie unter dem Einfluss jener fremden, unheimlichen Macht standen. Aus Freunden waren damals Fremde und beinahe Feinde geworden. Niemand hatte dem anderen irgendetwas vorgeworfen, denn jeder hatte genug damit zu tun, sich selbst Vorwürfe zu machen, aber Mike wusste doch, dass es noch lange dauern würde, ehe an Bord des Schiffes wieder so etwas wie Normalität einkehrte.
Falls das überhaupt je der Fall sein würde ... »Das sollte reichen«, sagte Trautman. »Ich werde jetzt versuchen, die Pumpen zu starten.« Er griff an Mike vorbei und legte rasch hintereinander fünf, sechs kleine Schalter um. Es gab weder eine sichtbare Veränderung noch hörte Mike irgendetwas, aber einige Nadeln auf dem Instrumentenpult schlugen aus und Trautman nickte mit sichtbarer Erleichterung. »Sie laufen.« »Sie haben sie hingekriegt?« Mike wurde klar, dass Trautman ein weiteres kleines Wunder vollbracht haben musste. Die Pumpen lagen in jenem Bereich der NAUTILUS, der von der Explosion am schwersten mitgenommen worden war. Als Mike den ausgeglühten Haufen aus zertrümmertem Metall vor einigen Tagen das erste Mal gesehen hatte, der sich dort befand, wo die Laderäume und ein nicht kleiner Teil lebenswichtiger Maschinen hätten sein sollen, da hatte er fast jede Hoffnung aufgegeben. »Nicht annähernd so gut, wie ich es gerne hätte«, sagte Trautman stirnrunzelnd. »Sie arbeiten zwar, aber das Wasser fließt fast schneller wieder herein, als sie es hinauspumpen können.« Er schüttelte den Kopf und bedachte das Instrumentenpult mit einem besorgten Blick. »In diesem Tempo dauert es Tage, bis sich das Schiff auch nur vom Grund hebt. Und es darf nicht die winzigste Kleinigkeit passieren.« Mike verzichtete darauf, eine entsprechende Frage zu
stellen. Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich vorzu
stellen, was alles passieren konnte, um ihre Pläne zunichte zu machen. Es musste nicht einmal viel sein. In dem angeschlagenen Zustand, in dem sich die NAUTI-LUS befand, konnte jeder kleine Zwischenfall zu einer Katastrophe ausarten. »Genug für heute«, sagte Trautman. »Lass uns an Land gehen. Ich bin hungrig und müde und du siehst auch nicht mehr gerade frisch aus. Ben oder Chris können die Pumpen ebenso gut überwachen.« Mike stand auf und folgte Trautman nach draußen. Nebeneinander schlurften sie durch das knöcheltiefe Wasser, das den Boden bedeckte und aus dem kostbaren Teppich einen matschigen Schwamm gemacht hatte. Die Samtvorhänge vor den Fenstern hingen herunter wie nasse Lappen, die Holzvertäfelung an den Wänden wies große, hässliche Flecken auf und am schlimmsten hatte es die Bücherregale getroffen. Fast alle Bände waren nass und dem Geruch zufolge mussten etliche bereits zu schimmeln begonnen haben. Sie waren bisher nicht dazu gekommen, den Schaden genauer in Augenschein zu nehmen, aber Mike war ziemlich sicher, dass ein großer Teil der kostbaren Bibliothek seines Vaters unwiederbringlich verloren war; ein Verlust, dessen wahre Größe er vermutlich nicht einmal abzuschätzen vermochte. Und weiter unten im Schiff, in den Räumen, die zum Teil vollständig überflutet gewesen waren, sah es noch viel schlimmer aus. Sie gingen die Treppe in den Turm hinauf und mit dem hellen Licht, das durch die Bullaugen und das offen stehende Turmluke hereinfiel, besserte sich auch Mikes Laune ein wenig. Von draußen drangen die Geräusche des Meeres und ein wirres Durcheinander ferner Stimmen an sein Ohr und als er vor Trautman die Leiter hinaufkletterte, wehte ihm eine Brise kühler Meeresluft ins Gesicht. Wie immer in den letzten Tagen glitt sein Blick ganz von selbst zu dem gewaltigen Krater, der kaum hundert Meter entfernt im Strand gähnte. Und wie immer verspürte er ein eisiges Frösteln bei dem Gedanken,
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