Sagte ich nicht, du solltest besser nicht darüber reden?
wisperte eine Stimme in seinen Gedanken. Tue ich doch gar nicht, antwortete Mike auf dieselbe lautlose Weise. Ich habe nur darüber nachgedacht, Astaroth. Das ist ein Unterschied, weißt du? Vielleicht ist er nicht ganz so groß, wie du glaubst, Dummkopf, versetzte der Kater. Denk an was anderes. Zum Beispiel daran, dass wir jetzt schneller von diesem öden Felsklotz wegkommen, als wir gehofft haben.
Mike antwortete nicht darauf. Astaroths Worte verwirrten ihn. Wieso sollte es kein großer Unterschied sein, ob man etwas sagte oder dachte? Niemand außer dem telepathischen Kater konnte seine Gedanken lesen. Er sah sich suchend in der Hütte um, konnte Astaroth aber nirgends entdecken. Und wenn er richtig darüber nachdachte, dann hatte er den Kater auch seit seinem Erwachen am Strand nicht mehr gesehen. Bisher hatte er angenommen, dass Astaroth mit Trautman und Argos bei der NAUTILUS zurückgeblieben war. Andererseits machte das keinen großen Unterschied. Astaroth war durchaus in der Lage, seine Gedanken auch über größere Entfernungen hinweg zu lesen. Mike fragte sich nur, warum er das plötzlich tat. In den letzten Tagen hatte der Kater immer nur telepathischen Kontakt zu ihm aufgenommen, um ihn zu verspotten. Ja und das tut mir auch Leid, wisperte eine Stimme in seinen Gedanken. Es kommt nicht wieder vor. Mike riss vor lauter Erstaunen Mund und Augen auf. Astaroth und sich entschuldigen? Solange er den Kater kannte -und es waren mittlerweile Jahre! -, hatte Astaroth sich noch nie entschuldigt; bei niemandem
und für nichts. Bis vor drei Sekunden noch hätte Mike jeden Eid geschworen, dass Astaroth nicht einmal wusste, was dieses Wort bedeutete. So kann man sich täuschen, sagte Astaroth spöttisch. Und jetzt ist Schluss. Die anderen werden schon misstrauisch. Wir reden später. Auf dem Schiff.
Tatsächlich sahen sowohl Serena als auch Ben ihn mittlerweile fragend an. Sie wussten beide, wie auch die übrige Besatzung der NAUTILUS, was der abwesende Ausdruck auf seinem Gesicht bedeutete, doch Mike war klar, dass ihnen allen seine Fähigkeit, in Gedanken mit dem Kater zu reden, ein wenig unheimlich war. Bevor einer der beiden jedoch eine entsprechende Bemerkung machen konnte, ging die Tür auf und Trautman, Argos und die anderen kamen zurück. Alle wirkten müde und alle waren verdreckt und bis auf die Haut durchnässt. Offensichtlich hatten sie die NAUTI-LUS mindestens ebenso gründlich durchsucht, wie Mike es getan hatte. Den Abschluss der kleinen Gruppe bildete Astaroth, der mit einem erschöpften Miauen sofort auf Serenas Schoß sprang und sich zu einem Ball zusammenrollte, um sich von ihr in den Schlaf kraulen zu lassen -was nicht einmal so lange dauerte, wie Trautman und die anderen brauchten, um sich zu setzen. »Und?«, fragte Mike aufgeregt. »Und was?«, murmelte Juan gähnend. »Was ist mit der NAUTILUS?«, fragte Mike. »Es ist noch zu früh, um das zu sagen«, antwortete Trautman an Juans Stelle. »Aber es ist erstaunlich. Sie ist in viel besserem Zustand, als ich zu hoffen gewagt hätte.« »Sie ist in hervorragendem Zustand«, verbesserte ihn Argos. Seine Stimme klang eine Spur schärfer, als Mike es für angemessen hielt, und als er zu ihm hochsah, fiel ihm auch auf, dass er nicht annähernd so erschöpft und
müde aussah wie die anderen. Wahrscheinlich, dachte er, hatte sich sein Beitrag an der Durchsuchung des Schiffes darin erschöpft, im Salon auf die Rückkehr der anderen zu warten. Argos warf ihm einen raschen Blick zu und fuhr fort: »Ich denke, wir können spätestens morgen Abend in See stechen.« Selbst Serena, die normalerweise nie an seinen Worten zweifelte, sah ungläubig auf. Trautman blinzelte. »Wie? «, fragte er. »Das Schiff ist vollkommen intakt«, bestätigte Argos. »Es gibt keinen Grund, noch länger auf dieser Insel zu bleiben.« »Vollkommen intakt?«, keuchte Trautman. »Entschuldigen Sie, aber als ich es das letzte Mal gesehen habe, da hatte es ein Loch im Heck, durch das man bequem mit einem Lastwagen fahren kann.« Das war übertrieben, aber in der Sache hatte Trautman natürlich Recht. Die NAUTILUS war alles andere als intakt. Trotzdem beharrte Argos mit einem energischen Kopfschütteln auf seiner Meinung. »Das hat nichts zu sagen, glauben Sie mir. Ich kenne dieses Schiff schon ein wenig länger als Sie. Es würde selbst noch schwimmen, wenn es durchlöchert wie ein Schweizer Käse wäre. Wir können mit dieser Beschädigung vielleicht nicht besonders tief tauchen, aber über Wasser wird sie nicht einmal unsere Manövrierfähigkeit beeinträchtigen.« »Wer weiß«, spöttelte Juan. »Vielleicht können wir mit diesem Loch im Heck ja sogar ganz besonders tief tauchen.« »Allerdings nur einmal«, fügte Trautman grimmig hinzu. »Ich werde weder mein noch das Leben der anderen riskieren, nur um ein oder zwei Tage zu sparen. Vor allem, wo es nicht nötig ist. Singh und ich werden morgen mit der Reparatur beginnen. Wenn alle -« Bei diesem Wort sah er vor allem Argos eindringlich an.
»- mithelfen, haben wir das Leck in spätestens zwei Tagen ausgebessert.« Argos wollte widersprechen, aber Trautman brachte ihn mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen; eigentlich das erste Mal, seit er seine wahre Identität offenbart hatte. »Ich werde darüber nicht diskutieren«, sagte er, in einem Ton, der nicht besonders laut war, aber von einer Art, die selbst Argos zum Verstummen brachte. Auf dem Gesicht des Atlanters erschien ein Ausdruck, der Mike wahrscheinlich zum Lachen gebracht hatte, wäre die Situation auch nur etwas weniger ernst gewesen. »Vielleicht haben Sie sogar Recht«, sagte Argos schließlich. Er bemühte sich sogar, so etwas wie ein verzeihendes Lächeln auf sein Gesicht zu zwingen. Aber tief in sich drinnen brodelte er vor Wut, das sah Mike seinem Gesicht deutlich an. Trotzdem fuhr Argos fort: »Wir sollten jetzt keinen Fehler begehen. Ich schlage vor, dass wir alle versuchen, noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, und uns den Schaden an der NAUTILUS morgen bei Tageslicht noch einmal genauer ansehen.« »Das ist eine gute Idee«, sagte Trautman eisig. »Wir sind alle müde und entsprechend gereizt.« Argos starrte ihn noch einen Herzschlag lang aus Augen an, die vor Zorn brannten. Aber dann nickte er nur stumm, drehte sich auf dem Absatz herum und eilte aus der Hütte. Nur einen Augenblick später folgte ihm Serena und zu Mikes insgeheimer Enttäuschung aus Astaroth. »Das wurde ja auch langsam Zeit, dass ihm mal einer die Meinung -«, begann Ben, wurde aber sofort scharf von Trautmanunterbrochen: »Es wird jetzt langsam Zeit, dass wir alle schlafen gehen«, sagte er. »Wir werden morgen über alles reden. Gute Nacht.« Ben blinzelte verdutzt und auch Mike starrte Trautman
ziemlich fassungslos an. Und aus seiner Fassungslosigkeit wurde fast so etwas wie Misstrauen, als Trautman aufstand und sich - ganz gegen das, was er gerade selbst gesagt hatte -mit einer entsprechenden Bewegung an Singh wandte: »Singh. Bitte begleite mich. Wir haben etwas zu besprechen.«
Lärm weckte ihn. Mike hatte Schwierigkeiten, richtig wach zu werden. Er fühlte sich benommen und schläfrig und an seinen Gliedern (und vor allem an den Augenlidern) schienen unsichtbare Zentnerlasten zu hängen. In seiner unmittelbaren Nähe brummte und
schnurrte etwas wie ein kleiner schnell laufender Elektromotor. Von weither hörte er aufgeregte Stimmen und die Geräusche durcheinander rennender Menschen und unter normalen Umständen hätten allein diese Laute ausgereicht, ihn wie elektrisiert aufspringen und auf der Stelle wach werden zu lassen. Aber irgendwie waren die Umstände an diesem Morgen
nicht normal. Mike gähnte, versuchte den Kopf vom Kissen zu heben und stellte fest, dass schon diese einfache Bewegung fast all seine Kraft in Anspruch nahm. Außerdem schien
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