»Wir können ja immer noch zurück ins Elbenreich und fragen, ob sie uns für ein paar Fotos zur Verfügung stehen wollen«, meinte Honey.
»Besser nicht«, sagte Walker. »Ich mache mir mehr Sorgen um das, was Alexander King sagt, wenn wir keine handfesten Beweise zu unseren Geschichten abliefern.«
»Ich höre immer ›Wir‹, Bleichgesicht«, sagte Honey. »Es kann nur einen geben, schon vergessen? Der CIA hat mich nicht auf diese Mission gehen lassen, um die Beute mit irgendjemandem zu teilen.«
»Wir waren sechs, jetzt sind wir drei«, sagte ich. »Es würde nicht viel kosten, uns auf einen zu reduzieren. Verrat und Hinterhalt waren immer schon Teil des Spionagegeschäfts.«
»Manchmal buchstäblich«, sagte Honey. »Wo warst du denn Eddie, als Katt und Blue gestorben sind? Oder als mein Tauchboot sabotiert wurde und ich beinahe gestorben bin?«
»Ich habe dein Leben gerettet«, sagte ich.
»Gutes Alibi«, sagte Honey. »Wie könntest du besser erreichen, dass ich dir vertraue?«
»Wir könnten immer noch vier sein«, erinnerte Walker uns. »Peter könnte immer noch auftauchen.«
»Vielleicht«, meinte Honey. Sie sah mich für einen langen Moment an. »Pass gut auf das Handy auf, Eddie. Ich würde es hassen, wenn es … verloren ginge.«
»Richtig«, sagte Walker. »An einer Touristenfalle wie dieser hier dürften sich eine Menge Taschendiebe herumtreiben.«
Honey schnaubte laut. »Wenn ich in meinen Taschen eine andere Hand als meine eigene finde, dann werde ich deren Finger verknoten.«
Ich lächelte, vielleicht ein wenig selbstgefällig. »Keiner beklaut einen Drood und überlebt es, um damit anzugeben.«
»Der Blaue Elf hat euch einen Torques gestohlen«, bemerkte Walker. »Haben Sie ihn deshalb getötet?«
Ich wandte mich um, um ihn anzusehen, langsam und absichtlich, aber eins musste man ihm lassen: Er zuckte nicht mit der Wimper.
»Ist das eine Anschuldigung?«
»Noch nicht«, sagte Walker.
»Seid ihr sicher, dass sie ermordet wurden?«, fragte Honey. »Keine Möglichkeit, dass es vielleicht … Zufall war?«
»Ich glaube nicht an Zufälle«, sagte Walker. »Nicht, wenn es um Profis wie uns geht. Und besonders dann nicht, wenn man bedenkt, dass jemand mich in Tunguska umbringen wollte.«
»Das sagen Sie«, meinte ich.
»Nun, ja«, antwortete Walker.
»Wir haben hier noch eine Aufgabe, der wir uns annehmen müssen«, sagte Honey streng. »Und die fängt damit an, dass wir uns erst einmal darum kümmern, wie der Auftrag eigentlich lautet. Alles andere kann warten.«
»Ja«, sagte ich. »Es kann warten.«
»Fürs Erste«, erwiderte Walker.
»Männer …«, sagte Honey. »Warum holt ihr sie einfach nicht raus und wedelt damit voreinander herum?«
Wir gingen weiter durch die Stadt, nahmen den Anblick in uns auf und hofften auf einen Blick auf etwas von Bedeutung. Die Sonne schien hell an einem klaren blauen Himmel, an dem kein Wolkenfetzen zu sehen war und über den nicht der Hauch einer Brise wehte, die die zunehmend unangenehm heiße und trockene Luft hätte abmildern können. Und immer noch liefen überall Touristen herum, große, rotgesichtige und fröhliche Seelen in bunter Kleidung, die keine Sorge in der Welt hatten - oder irgendeinen Sinn für Gefahr, wie es aussah.
»Vielleicht irre ich mich«, sagte Walker leise. »Aber ich bin sicher, dass wir verfolgt werden.«
Wir hielten an und sahen in ein Schaufenster, das voller kleiner, knuddeliger Stoffaliens war und blickten uns dann unauffällig um, als ob wir überlegten, wohin wir als Nächstes gehen sollten. Ich ließ meinen Blick gelangweilt auf und ab schweifen, aber bei so vielen herumspazierenden Menschen war es schwer, etwas Ungewöhnliches auszumachen.
»Ich sehe niemanden«, sagte ich schließlich. »Und ich bin in der Regel ziemlich gut darin, irgendwelche Rattenschwänze auszumachen.«
»Ich verwalte die Nightside«, sagte Walker. »Da überlebt man nicht lange, wenn man nicht gute Überlebensinstinkte entwickelt. Irgendjemand ist da draußen, und er folgt uns wenigstens seit fünf, vielleicht sogar zehn Minuten.«
»Ich sehe niemanden«, sagte Honey. »Aber ich … fühle jemanden.«
Wir gingen den Weg zurück, den wir gekommen waren, betraten hier und da einen Laden, benutzten Vorder- und Hintereingänge, schlugen Haken hierhin und dorthin und verwendeten Schaufenster als Spiegel - all die üblichen Tricks, die einen Verfolger dazu bringen sollen, sich selbst zu verraten. Und trotz all dem war nicht der Schatten eines Menschen zu sehen, der irgendwo irgendetwas tat, das er nicht sollte. Aber jetzt bekam ich ebenfalls das prickelnde Gefühl im Nacken, dass man bekommt, wenn jemand Ungesehenes einen beobachtet. Irgendjemand war da, der jede unserer Bewegungen beschattete, jemand, der verdammt gut war bei dem, was er tat.
Ein Profi. Wie wir.
»Wer weiß denn, dass wir hier sind?«, fragte Honey schließlich. »Wer weiß, wer wir sind? Zum Teufel, selbst wir wussten nicht, dass wir hier sein würden, bis wir dann kamen!«
»Alexander King hat es gewusst«, sagte ich. »Er könnte arrangiert haben, das Gerücht zu verbreiten. Und wir waren ja nicht immer unauffällig. Es war klar, dass wir früher oder später die Aufmerksamkeit von Leuten oder Organisationen auf uns ziehen, selbst von bestimmten Personen mit Einfluss. Verdammt, das ist unheimlich. Ich spioniere Leute aus, ich werde nicht ausspioniert.«
»Benutzen Sie doch Ihre Sicht«, sagte Walker.
»Nein«, sagte ich sofort. »Wenn er so gut ist, wie er selbst glaubt, und er muss wirklich verdammt gut sein, wenn er sich vor mir verstecken kann, dann wird er in dem Moment Bescheid wissen, in dem ich mein Gesicht hebe. Und dann wird er sicher wissen, dass er entdeckt wurde.«
»Er muss das schon wissen, so, wie wir uns benommen haben«, sagte Honey.
»Nein«, sagte ich. »Er vermutet es, aber er weiß es nicht. Und solange er nicht sicher ist, haben wir die Oberhand.«
»Vielleicht«, meinte Walker. »Wer auch immer das ist, er muss denjenigen repräsentieren, der weiß, was hier vor sich geht - oder vor sich gehen wird. Gott, ich hasse Sätze wie diesen. Aber bedenken Sie: Wenn man in einer Kleinstadt irgendetwas Größeres plant und plötzlich fallen einem ein Drood, eine CIA-Agentin und der Mann auf, der die Nightside beherrscht, die einfach so interessiert herumspazieren und ihre Nase in Dinge stecken - dann wollte man doch mehr darüber wissen, oder?«
»Soll er doch beobachten«, sagte ich. »Soll er uns folgen. Er kann nichts tun, ohne sich selbst zu verraten, und wenn er dumm genug ist, das zu tun, dann werde ich diesen Blödmann an die nächste Wand knallen und ihm ein paar dezidierte Fragen stellen.«
»Klingt nach einem guten Plan«, sagte Honey.
Unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf eine kleine Gruppe Touristen, die sich vor einem Schaufenster versammelt hatten. Sie schienen mehr als nur ein wenig aufgeregt. Wir schlenderten hinüber, um uns zu ihnen zu gesellen und bemerkten, dass sie einen Nachrichtenkanal in einem Fernseher sahen, der im Schaufenster stand. Der Sprecher der Lokalnachrichten, ein kleiner Mann in einem zu großen Anzug, mit einer tiefen Stimme und einem deutlich zu sehenden Toupet, las zunehmend aufgeregt eine Geschichte von seinem Teleprompter ab.
»Viehverstümmelungen sind bekannt«, sagte er, und seine Stimme wurde vom Schaufenster nur wenig gedämpft. »Vieh, das ohne erkennbare Todesursache verendet aufgefunden wurde, Vieh mit Verletzungen und vielfachen Schnitten, die mit geradezu chirurgischer Präzision durchgeführt wurden. Es gibt viele Menschen und auch andere, die dieser Taten bereits beschuldigt wurden: Außerirdische, wahnsinnige Wissenschaftler, Regierungsbehörden, die mit allgegenwärtigen schwarzen Helikoptern auftauchen - selbst Teufelsanbeter oder extreme Vegetarier wurden bereits verdächtigt. Aber jetzt haben die Dinge hier in Roswell eine neue und verstörende Wendung genommen.«
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