Rupert warf den Kopf zurück und lachte, obwohl in seinen Augen Tränen der Rührung brannten. Was immer als Nächstes geschah – es war nicht wichtig. Die Finsternis hatte versucht, ihn und seine Männer zu zerbrechen, und die Finsternis hatte versagt, und das war letztlich das Entscheidende. Rupert starrte in die blutroten Augen, die aus dem Dunkel hervorglommen, und lachte. Trotz ihrer erdrückenden Überzahl wagten es die Dämonen nicht, den Lichtkreis zu betreten. Sie warteten mit ihrem Angriff lieber, bis die letzte Lampe erloschen war. Und dann brach Ruperts Gelächter unvermittelt ab, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoss, ein so nahe liegender Gedanke, dass er sich hätte schlagen können, weil er ihm nicht längst eingefallen war.
»Die Lampen!«, rief er begeistert und wirbelte so heftig herum, dass ihn der Champion sprachlos anstarrte. »Die verdammten Öllampen! Das könnte die Rettung sein. Männer –
verteilt das Öl in einem Ring um uns! Leert zuerst die Reservekanister, aber wenn das nicht reicht, gießt das Öl aus den Lampen dazu! Nun steht nicht herum – beeilt euch! Es gibt doch noch einen Ausweg!«
Die Soldaten beeilten sich, seinem Befehl nachzukommen.
Jenseits des Lichtkreises hörten sie das unruhige Geraschel der Dämonen. Rupert grinste so breit, dass die Wangenmuskeln schmerzten.
»Begreifen Sie, was ich vorhabe, Sir Champion? Wir müssen nur abwarten, bis die Dämonen angreifen, und dann das Öl anzünden. Den Bäumen des Dunkelwaldes kann das Feuer nichts anhaben, aber die Dämonen werden brennen. Und bis sich die Überlebenden von ihrem Schrecken erholt haben und erneut angreifen, haben wir vermutlich den Durchbruch geschafft. Es kann nicht mehr weit bis zum Waldrand sein.«
»Es wird eine knappe Sache«, wandte der Champion zögernd ein.
»Ich weiß«, erwiderte Rupert energisch. »Aber immer noch besser, als wenn wir uns kampflos in unser Schicksal ergeben.«
Und dann traten die Dämonen aus dem Dunkel. Rupert schrie seinen Leuten einen Befehl zu. Ein Dutzend Fackeln tauchte in das Öl. Gelbe Flammen schossen in die Höhe und verdrängten die Finsternis. Die ersten Gegner, die das brennende Öl erreichten, stolperten ins Feuer und verglühten im Nu. Die nächste Angreiferwoge rollte heran wie ein Mottenschwarm, der unweigerlich vom Licht angezogen wird. Sie versuchten die Flammen mit ihren Körpern zu ersticken und benutzten die verkohlten Leichen ihrer Gefährten als Trittsteine, um ins Innere des Feuerrings zu gelangen und sich auf Prinz Rupert und seine Kämpfer zu stürzen. Es war ein Versuch, dachte Rupert enttäuscht, während er den ersten Dämonen niedermähte, der die Flammen übersprang, aber er hat nichts gebracht. Ihm kam zu Bewusstsein, dass er sterben musste, und er stellte erstaunt fest, dass er darüber eher ver
ärgert als traurig war. Es gab so viele Pläne, die er nun nicht mehr in die Tat umsetzen konnte. Er hatte Julia nicht ein einziges Mal gesagt, dass er sie liebte. Er trug ihr Unterpfand immer noch nahe am Herzen, gut geschützt von seinem Lederwams. Die Meute stürmte heran. Rupert trat den Dämonen mit hoch erhobenem Schwert entgegen.
Aber plötzlich loderten die Flammen höher. Das Öl hatte die ersten Bäume erreicht, die Feuer fingen und wie Fackeln brannten. Rupert wich vor der sengenden Hitze zurück, und die Männer folgten seinem Beispiel. Die Dämonen brachen ihre Attacke ab, verwirrt und verunsichert. Rupert trat einen weiteren Schritt zurück – und blendende Helle drang auf ihn ein. Einen Moment lang dachte er, die Flammen hätten ihn eingeholt, aber dann hörte er ringsum Schreie der Erleichterung und Freude. Rupert wischte sich mit dem Handrücken über die tränenden Augen und lachte laut auf. Sie waren gerettet. Sie hatten die Grenze des Dunkelwaldes erreicht.
Als Rupert wieder klar sehen konnte, entdeckte er, dass die Sonne fast den Horizont erreicht hatte. Es war Spätnachmittag. Er schüttelte verblüfft den Kopf. Bei ihrem Aufbruch in den Dunkelwald war gerade erst die Mittagsstunde angebrochen.
Im Dunkelwald vergeht die Zeit anders.
Rupert schluckte trocken und beobachtete, wie die letzten seiner Männer aus der Finsternis ins Licht stolperten. Die Dämonen folgten ihnen nicht. Ihm blieb zwar verborgen, was sich jenseits der schwarzen Barriere abspielte, aber er war sicher, dass die Dämonen sie beobachteten. Er drehte sich lachend zu seinen Leuten um und bemerkte erst jetzt, wie stark die Truppe dezimiert war. Langsam zählte er. Fünfundzwanzig. Fünfundzwanzig Mann von fünfzig. Rupert senkte den Blick. Er fühlte sich elend.
»Nehmen Sie es nicht zu schwer«, versuchte ihn der Champion aufzumuntern.
»Leicht gesagt«, entgegnete Rupert bitter. »Die Hälfte meiner Leute ist tot. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf meine Fähigkeiten als Anführer!«
»Angesichts der Ausgangslage ist es eher ein Wunder, dass es so viele Überlebende gab. Ohne Ihr schnelles Handeln wäre unser aller Schicksal besiegelt gewesen, lange bevor wir das Ende des Dunkelwaldes erreicht hätten. Schön, Sie haben die Hälfte Ihrer Leute verloren. Aber Sie haben die andere Hälfte gerettet. Kein Mensch hätte mehr erreichen können.
Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit Ihnen. Ich mache noch einen richtigen Prinzen aus Ihnen.«
Rupert warf dem Champion einen argwöhnischen Blick zu.
»Vergessen Sie nicht, dass ich nur der nachgeborene Sohn bin.«
»Danke für den Hinweis.« Der Champion drehte sich um und starrte auf die schwarze Wand, die hinter ihnen aufragte.
»Wir können uns kein zweites Mal durch den Dunkelwald kämpfen, aber wir haben auch nicht die Zeit, ihn zu umgehen.
Irgendwie müssen wir den Großen Zauberer dazu bewegen, mit uns in die Residenz zurückzukehren.«
Rupert nickte müde. »Sagen Sie den Männern, dass wir aufbrechen, Sir Champion. Noch eine Meile – dann können wir vielleicht ein wenig ausruhen.«
»Ausruhen?«, fragte der Champion. »Am Schwarzen Turm?«
»Genau!« Der Champion erhielt unerwartete Unterstützung vom Einhorn. »Wenn nur ein Teil der Geschichten stimmt, die ich über diesen Zauberer gehört habe, dann wären wir wohl besser im Dunkelwald geblieben. Wie mächtig ist der Kerl eigentlich?«
»Hoffentlich mächtig genug, um dem Treiben der Dämonen Einhalt zu gebieten und die Finsternis zu bannen«, erwiderte Rupert.
»Aber wie weit können wir ihm vertrauen?«
»Etwa so weit, wie du gegen den Wind spucken kannst.«
»Klingt ermutigend«, meinte das Einhorn. »Absolut ermutigend. Warum begehen wir eigentlich nicht gleich Selbstmord? Das würde die Sache etwas verkürzen.«
»Komm schon!«, sagte Rupert liebevoll und nahm die Zügel des Einhorns. »Deine Stimmung wird sich bessern, wenn wir erst mal unterwegs sind.«
»Darauf würde ich nicht unbedingt wetten«, knurrte das Einhorn. »Ich habe eine böse Vorahnung.«
Rupert zuckte mit den Schultern. »Von Legenden halte ich längst nicht mehr so viel wie früher. Ich war ein Kind, als der Große Zauberer den Hof verließ, aber ich erinnere mich noch genau an das herrliche Feuerwerk, das er zu meinem fünften Geburtstag veranstaltete. Die Raketen, die ins Dunkel zischten, und die Feuerräder, die endlos am Himmel wirbelten. Er erzählte mir Geschichten und versuchte mir Kartentricks beizubringen. Sie waren damals schon am Hof, Sir Champion. Wie war er wirklich?«
Der Champion umklammerte seine Streitaxt fester. Sein Blick wirkte kalt und abweisend.
»Er war ein Verräter, Sire. Ein Verräter, ein Feigling und ein Trunkenbold!«
Rupert stolperte verbissen durch den gefrierenden Schlamm, den Kopf gesenkt, um die Augen vor den Graupelkörnern zu schützen. Der Wind, der von allen Seiten zugleich pfiff, verfing sich in seinem Mantel und zerrte an seiner Kapuze. Er murmelte einen Fluch und packte die Zügel des Einhorns fester. Alle paar Schritte schaute er nach rechts, um sich zu vergewissern, dass er die Riemen noch in der Hand hielt. Er wollte auf keinen Fall von seinem Reittier getrennt werden, aber er hatte trotz der dicken Handschuhe längst kein Gefühl mehr in den Fingern. Er hob den Kopf und starrte mit zusammengekniffenen Augen in den Sturm, der an Stärke zunahm. Der Schwarze Turm war immer noch nicht zu sehen.
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