Rupert sah einen kurzen Lichtreflex, als der Dolch die Luft zerschnitt, und warf sich hastig zur Seite. Die Klinge durchtrennte sein Kettenhemd, als er zu Boden stürzte, verfehlte aber wie durch ein Wunder seine Rippen. Rupert rollte sich ab und sprang rasch wieder auf, das Schwert in der Hand.
Darius kam auf ihn zu, fauchend und wirr vor sich hin murmelnd.
Das winzige verfärbte Messer schnellte in kurzen Bögen von links nach rechts, als Darius auf ihn eindrang, und Rupert wich Schritt um Schritt zurück. Sein geübter Blick erkannte das Gift auf der Klinge, und er wollte kein Risiko eingehen.
Sein Schwert war lang genug, um den Gegner auf Abstand zu halten, bis die anderen ihm zu Hilfe kamen.
Harald und König Johann erschienen am Eingang des Arsenals, und Darius knurrte sie an wie ein Tier. Schwarze Flammen zuckten von seinen Fingern, als er die Hand ausstreckte. Mit einer fließenden Bewegung riss Harald Blitzstrahl aus der Scheide und hielt Darius das Zauberschwert entgegen. Der schimmernde Stahl sog die Flammen auf.
Darius wandte sich dem König zu, doch der hatte bereits Felsenbrecher gezogen. Darius ließ Rupert stehen und hob die Hände zu einer beschwörenden Geste. Plötzlich klaffte ein langer, gezackter Spalt im Steinboden vor ihm, der sich zusehends verbreiterte. Blutroter Nebel quoll hervor, gefolgt von einer Teufelshorde mit spitzen Klauen und Fängen, in deren Augen Mordlust glomm. Die Luft war erfüllt von Schwefelgestank. Einen Moment lang standen Harald und der König wie gelähmt da, gebannt von den Urängsten, die in ihnen aufstiegen, aber dann löste sich die Erstarrung, und sie griffen mit wildem Kriegsschrei an. Blitzstrahl und Felsenbrecher reflektierten den rötlichen Höllenschein. Die Teufel kreischten und wimmerten, als die Zauberschwerter sie niedermähten, aber ihre Wunden heilten im Nu, und sie erhoben sich immer wieder, um sich auf die Feinde zu stürzen. Harald und der König standen Rücken an Rücken und kämpften weiter.
Darius wandte sich von neuem Rupert zu und drängte ihn gegen eine Wand. Immer wieder verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und versuchte, die Deckung des Prinzen zu durchbrechen. Er brannte darauf, Rupert mit dem Dolch zu töten. Er wollte spüren, wie sich die Klinge in sein Fleisch bohrte. Das würde ihm Befriedigung verschaffen.
Rupert folgte den Bewegungen des Lords und überlegte verzweifelt, wie er sich aus dieser Falle befreien konnte. So wie es aussah, brauchten Harald und der König dringend seine Hilfe, aber die Wand schnitt ihm den Fluchtweg ab, und Darius fuchtelte gefährlich nahe mit seinem vergifteten Dolch herum. Rupert spürte, wie ihm der Schweiß über den Rücken lief, während er die Hiebe parierte. Darius vernachlässigte seine Deckung sträflich, aber Rupert wagte keinen Vorstoß, denn der geringste Kratzer mit diesem Dolch wäre sein Tod gewesen. Andererseits verrieten ihm seine schmerzenden Muskeln, dass er nicht mehr lange durchhalten konnte. Obwohl der Große Zauberer sein Möglichstes getan hatte, um ihn zu heilen, war er noch vom Kampf gegen die Dämonen geschwächt, während Darius in seinem Wahn ungeahnte Kräfte entwickelte. Rupert runzelte die Stirn. Er musste etwas unternehmen, so lange er noch die Energie dazu besaß.
Rupert parierte den nächsten Hieb und schwang sein Schwert in einem weiten, flachen Bogen gegen die Augen des Angreifers. Instinktiv wich Darius zurück. Rupert setzte mit einem weiten Satz nach, umklammerte den Gegner in der Taille und packte seinen Messerarm. Sie stürzten gemeinsam zu Boden. Im nächsten Moment schloss sich die Spalte im Boden, und die Teufel waren spurlos verschwunden.
Rupert und Darius rappelten sich hoch. Darius lachte keuchend und hechtete nach vorn, um Rupert mit dem Dolch die Kehle aufzuschlitzen. Harald hielt ihn mitten im Sprung mit einem gewaltigen Hieb von Blitzstrahl auf. Blut spritzte auf, und Darius wurde gegen die Korridorwand geschleudert. Das Zauberschwert hatte ihm den Schädel gespalten, und doch versuchte Darius sich umzudrehen und zu fliehen. Harald trat vor und stieß ihm die Klinge in den Rücken. Darius sank mit einem gurgelnden Geräusch zusammen und hinterließ eine breite Blutspur auf den ehrwürdigen Holzleisten.
Harald versuchte das Schwert aus der Wunde zu ziehen, aber das war nicht so einfach zu bewerkstelligen. Ein rötlicher Schimmer kroch langsam die stählerne Klinge entlang, während sie sich immer tiefer in die klaffende Wunde bohrte.
Harald umklammerte den Griff mit beiden Händen und schaffte es schließlich unter Aufbietung aller Kräfte, das Schwert an sich zu reißen. Der rote Glanz hatte sich verstärkt.
»Nun«, ertönte die ruhige Stimme des Seneschalls vom Eingang des Arsenals her, »zumindest scheinen die Schwerter der Hölle ihrem Ruf gerecht zu werden. Kaum im Einsatz –
und schon mit Blut eingeweiht!«
»Allerdings.« Harald nickte. »Blut scheinen sie zu lieben.
Und sie töten gern.« Er betrachtete nachdenklich Blitzstrahls rot glänzende Klinge und schob das Schwert in die Scheide.
Seine Züge wirkten gelassen wie immer, aber seine Augen verrieten eine gewisse Unruhe, als käme ihm jetzt erst zu Bewusstsein, worauf er sich mit dieser Waffe eingelassen hatte. Plötzlich sah er, dass seine Hände mit Blutspritzern übersät waren, und er wischte sie mit schnellen, fast zwanghaften Bewegungen an seinem Wams ab.
»Auf alle Fälle haben wir endlich unseren Verräter erwischt«, sagte er, nachdem er sich gesäubert hatte. »Darius muss die Dämonen durch die Entlüftungsschächte, die er so gut kannte, in den Südflügel geschleust haben. Und er hat vermutlich seine neu erworbenen magischen Kräfte dazu genutzt, den Teleport-Bann des Großen Zauberers zu stören.«
Er warf einen Blick auf Darius, der leblos in einer Ecke des Korridors lag. »Zum Glück ist sein Tod kein großer Verlust.
Niemand wird ihn vermissen.«
KAPITEL ACHT
Geschöpfe der Nacht
NOCH EHE ER DIE Eingangshalle verließ, spürte Rupert die Kälte, die draußen im Hof auf ihn lauerte. Die Temperatur sank stetig, als er sich dem Hauptportal näherte, und sein Atem dampfte in der eisigen Luft. Er zog den Umhang enger um die Schultern und nickte dem Wachtposten am Portal wortlos zu. Der Mann schob einen Türflügel gerade so weit auf, dass Rupert auf die Haupttreppe schlüpfen konnte, und schlug sie hinter ihm sofort wieder zu, um nur ja keine Wärme entweichen zu lassen. Rupert zuckte zusammen, als die Kälte des Hofes ihm wie mit Messern in die Haut schnitt.
Kohlebecken und kleine Feuer glommen hier und da tapfer gegen die Dunkelheit an, ohne allzu viel Wärme oder Licht zu verbreiten. Dicke Schnee- und Eisschichten bedeckten die Zinnen und Stalldächer, und Reif kroch schimmernd an den inneren Mauern hoch. Fackeln loderten in regelmäßigen Abständen an den Wänden, aber mehr Helligkeit verbreitete der blaue Vollmond, der hoch am sternenlosen Himmel stand.
In seinem fahlen Licht versammelte sich auf dem Burghof nach und nach das letzte Kämpferaufgebot des Waldkönigreichs.
Rupert stampfte mit den Füßen und schlug die Hände zusammen, um die Kälte aus Zehen und Fingern zu vertreiben, während seine Blicke über die Krieger schweiften, die sich mit grimmigen Gesichtern auf dem Burghof drängten und die letzten Vorbereitungen für die Schlacht trafen. Die Flüchtlinge, die im Freien kampiert hatten, waren wenigstens vorübergehend ins Burginnere verfrachtet worden. Kaum einer der Anwesenden sprach. Der Dunkelwald schob sich immer näher an die Wälle heran; er erinnerte an ein großes schwarzes Tier, das geduldig auf die Beute lauerte, die ihm nicht entwischen konnte. Rupert fröstelte, als ihn die alte Furcht vor der Schwärze überfiel. Er kämpfte sie energisch nieder, weil er wusste, dass sie ihn sein Leben lang nicht mehr losließe, wenn er ihr einmal nachgäbe. Er musterte das Heer, das am Fuß der Treppe Aufstellung nahm, und fragte sich, wie die Leute wohl reagieren würden, wenn sie in den Dunkelwald eindrängen und erkennen müssten, dass die Dämonen nur ein Teil des Bösen waren, das sie umzingelte.
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