Flint kämpfte an seiner Seite. Mit einem Ausdruck erstarrter Wut auf dem Gesicht schwang sie ihr bluttriefendes Schwert. Tödlich getroffene Trolle lagen sterbend zu beiden Seiten und verstopften den Eingang. Flint war zwar nicht so schnell oder geschickt wie der Tänzer, wusste aber als erfahrene Kämpferin besser mit dem Schwert umzugehen als die meisten Männer. Sie hatte an der Entscheidungsschlacht im Dämonenkrieg teilgenommen, mit einem schlecht sitzenden Kettenhemd und geborgtem Schwert. Danach gab es kaum noch etwas, das sie abschrecken konnte. Jetzt hieb und hackte sie auf die knochigen Fratzen ein und ignorierte die zunehmenden Schmerzen im Rücken und in den Armen. Sie war Mitglied der Ranger und würde bis zum Umfallen kämpfen.
Wilde ließ Pfeil um Pfeil durch die Luft schnellen und streckte die Trolle nieder, die sich an Flint und Giles vorbeizudrängen versuchten. Er wusste schon nicht mehr, wie viele er erlegt hatte, doch die Trolle zwängten sich in unvermindert großer Anzahl durch die Tür. Und dem Schützen gingen bald die Pfeile aus. Er legte Langbogen und Köcher vorsichtig in einer Ecke ab, wo sie nicht stören konnten, zog sein Schwert und beobachtete die beiden Ranger, wie sie gegen die endlose Flut dieser unmenschlichen Gegner ankämpften.
Wie in alten Zeiten, Jessica ?
Er schaute sich in der unbestimmten Hoffnung um, einen Ausgang zu entdecken, den sie bislang übersehen hatten, aber da war nur diese Falltür, und dadurch — das hatte er sich geschworen - würden ihn keine zehn Pferde ziehen können. Nein, so Leid es ihm auch tat, er musste seine ganze Hoffnung auf die beiden Ranger setzen. Er wartete einen günstigen Augenblick ab und sprang Flint zur Seite. Die Trolle fielen zuhauf. Aus ihren Todesschreien schöpfte Wilde Mut. Es war schon sehr lange her, dass er einen Kampf auszufechten hatte, in dem die Chancen so schlecht für ihn standen. Trotzdem nahm er den Kampf auf, denn es blieb ihm nichts anderes übrig. Nach einer Weile gewann er verlorene Fähigkeiten zurück und sein Schwert zuckte so schnell und so tödlich wie ein Blitz umher. Hätte Flint ihm zusehen können, wäre ihr jener Edmond Wilde von damals in Erinnerung gekommen.
Die Hexe Constance hob die Hände und nahm die Pose ein, in der sie für gewöhnlich ihre magischen Kräfte aufrief. Sie hatte zwar einen Großteil davon verbraucht, doch raffte sie nun allen Rest zusammen, und als sie schließlich die Formel aussprach, erstrahlte gleißend helles Licht zwischen den ausgestreckten Händen.
Kreischend schreckten die Trolle der ersten Reihe zurück, als ihnen sämtliche Knochen im Leib zersplitterten. In Constances linker Schläfe machte sich kurz darauf ein pochender Schmerz bemerkbar und aus dem linken Nasenloch sickerte Blut. Sie ließ sich davon aber nicht irritieren und vertraute darauf, dass ihr Körper einiges an Stress aushalten konnte.
Alle vier kämpften unermüdlich weiter und hielten mit ihrem Mut und ihrer Kampfkraft die Angreifer zurück. So viele von denen auch starben, es füllten Nachrückende die Reihen immer wieder auf. Schlimmer noch, ihre Zahl nahm sogar dramatisch zu.
In der Tiefe unter dem Fort ebnete sich der Stollen allmählich. MacNeil blieb stehen und ließ Hammer und Jack zu sich aufschließen. Alle drei starrten in die pechschwarze Öffnung am Ende des Tunnels. MacNeil legte die Stirn in Falten. Er konnte nahe vor sich eine Stufe erkennen, aber das war auch schon alles. Womöglich führte der Tunnel in eine Art Höhle… Vorsichtig ging er bis zur Stufe vor und leuchtete mit seiner Laterne. Das fahle gelbliche Licht brach sich in Tausenden winzig kleiner Kristalle, die auf beiden Seiten in der Wand steckten. Sie leuchteten im Dunkeln wie fernes Gestirn am mondlosen Nachthimmel und warfen ihr Licht in eine Höhle, die so groß war, dass MacNeil der Atem stockte. Das Licht reichte bei weitem nicht bis an ihre Ränder, die in der Breite mindestens eine halbe Meile auseinander lagen. In der Höhe maß die Höhle wohl noch mehr. Der Tunnel öffnete sich hoch oben in einer Steilwand, mehrere hundert Schritt über dem Höhlengrund. Ein schmaler Sims führte vom Tunnel zu einer anderen Öffnung in der Wand, die ein Stück tiefer lag und um ungefähr fünfzehn Schritt versetzt war. Der Sims gefiel MacNeil ganz und gar nicht. Er war nur knapp zwei Fuß breit, voller Stolperkanten und anscheinend erst vor kurzem in die Felswand geschlagen worden.
MacNeil blickte in die Tiefe und wurde von einem plötzlichen Schwindelanfall gepackt. Schnell schaute er weg und atmete tief durch, bis sich der Anfall wieder gelegt hatte.
Jack und Hammer hatten ihn in die Mitte genommen und starrten in die weite Höhle hinaus. Auch Hammer hielt beim Anblick der glitzernden Kristalle unwillkürlich die Luft an. Vor den Ausmaßen der Höhle kam er sich selbst klein und schmächtig vor, was ihm überhaupt nicht behagte. Jack musterte den schmalen Steig an der Wand und knabberte nachdenklich an der Unterlippe. Wer hier abrutschte, stürzte ungemein tief.
»Wie hoch sind wir hier, was schätzt ihr?«, wollte er von MacNeil wissen.
»Keine Ahnung.«
»Ob das Biest da unten liegt?«
»Sehr wahrscheinlich«, antwortete Hammer. »Aber wo ist das Gold? Womöglich auch da unten oder hinter der anderen Öffnung?«
MacNeil kniff die Brauen zusammen. Wenn sie sich auf den schmalen Sims hinauswagten, wären sie einem Überraschungsangriff schutzlos ausgeliefert. Sie müssten sich, einer nach dem anderen, eng an die Felswand schmiegen und langsam vorwärts tasten. Wie auch immer, die Öffnung durfte natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Hammer hatte Recht. Das Gold konnte sich nur an zwei Stellen befinden, und der leichtere Weg führte zur Öffnung nebenan.
»Na schön, versuchen wir's«, sagte er mit Blick auf Hammer. »Ich gehe vor.«
Er setzte einen Fuß auf den Sims und prüfte dessen Trittfestigkeit, bevor er sich ganz hinauswagte. Der grob behauene Fels schien zu halten. Die Schulter an die Wand geschmiegt, bewegte er sich seitlich über den Steig.
Einmal schaute er in die Tiefe, was er aber sogleich bereute. Extreme Höhen machten ihm sonst nichts aus, doch das hier war etwas anderes. Fortan hielt er seinen Blick fest auf die zweite Öffnung gerichtet. Vom Ausgang aus betrachtet, hatte der Weg dorthin nicht besonders weit ausgesehen, doch nun schien er sich endlos in die Länge zu strecken. Vorsichtig rückte er Stück für Stück weiter vor. Die feste Wand im Rücken zu spüren vermittelte ihm zumindest ein wenig das Gefühl von Sicherheit. Hammer trat nun, da er sah, dass MacNeil zurechtkam, ebenfalls auf den Sims hinaus. Zum Schluss folgte Jack, dem als Einzigem die Tiefe nichts auszumachen schien. Im Wald kletterte er aus Lust und Laune auf die höchsten Bäume. Dagegen hatte er es in der Enge des Tunnels kaum ausgehalten; die weite Höhle war da schon eher nach seinem Geschmack. Mit sicherem Schritt folgte er Hammer, hielt die Fackel hoch in die Luft und sah sich neugierig um.
Die zweite Öffnung in der Felswand stellte, wie sich zeigte, den Einstieg zu einem weiteren Tunnel dar. Davor angekommen, ging MacNeil in die Hocke und leuchtete mit seiner Laterne in den kreisrunden Ausschnitt, der im Durchmesser gut zwei Schritte breit war und in schieren Fels gebohrt worden zu sein schien. Die Wände waren auffallend glatt, was MacNeil auf den Gedanken an einen Riesenwurm brachte, der sich blindlings durch den Berg fraß. Im Schein der Laterne wirkte der Tunnel leer und verlassen. Wenn er etwas entdecken wollte, musste er sich wohl oder übel auf den Weg ins Innere machen.
Widerwillig betrat er den Tunnel. Hammer und Jack folgten ihm auf den Fersen.
Nach nur wenigen Schritten öffnete sich auch dieser Gang in eine Höhle. In dieser Höhle stapelten sich Hunderte achtlos abgelegter Ledersäcke, die allesamt das königliche Siegel des Schatzamtes trugen. Hammer stieß MacNeil zur Seite, eilte hin und kniete vor den Säcken nieder. Er packte den ersten, der ihm in die Hände kam, zerrte hastig an der Kordel, mit der der Sack zugeschnürt war. Als er ihn endlich geöffnet hatte, griff er hinein und brachte schimmernde Goldmünzen zum Vorschein. Er starrte lange Zeit darauf und ließ die Münzen dann langsam durch die Finger und von der Hand zurück in den Sack tropfen. Das musikalische Geklimper von Gold auf Gold brachte ihn zum Schmunzeln.
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