Während sie durch den Gang stapfte, näherten sich Gesichter den Gittern der Pferche und beobachteten sie. Einigen fehlten Nase oder Ohren, andere besaßen keine Unterkiefer. Zerfressen und weggefault durch die unverstandenen Kräfte, mit denen sie arbeiteten. Die Klone gaben leise miauende Geräusche von sich wie gequälte junge Katzen, und Beatrice blieb unwillkürlich stehen. Es gab nichts, das sie tun konnte, um den Klonen zu helfen, und sie konnten ihr nicht helfen. Beatrice konnte sich nicht unter die Klone mischen. Was bedeutete, daß sie auf dem schnellsten Weg wieder hier raus mußte, bevor Investigator Klipp sie fand. Aber sie konnte nicht einfach weggehen und so tun, als hätte sie all das Leid nicht gesehen. Die Ehrwürdige Mutter blickte sich um, die Hände zu Fäusten geballt und in einem Konflikt gefangen, aus dem ihr Gewissen sie nicht wieder freilassen würde.
Und dann hörte Beatrice Schritte, die sich rasch näherten. Ihr Herz begann zu rasen, und sie umklammerte den Hals der zerbrochenen Flasche. Beatrice hatte zu lange gezögert. Klipp hatte sie aufgespürt. Sie blickte sich verzweifelt um, doch sie wußte, daß Davonlaufen keinen Sinn mehr machte. Beatrice war vollkommen erschöpft, und Klipp… war ein Investigator.
Beatrice schluckte mühsam und bereitete sich auf den letzten Kampf vor. Sie wußte, daß es aussichtslos sein würde, aber sie wollte verdammt sein, wenn sie nicht wenigstens versuchte, sich zu wehren. Die Ehrwürdige Mutter blickte in die zerstörten Gesichter der Klone und bedeutete ihnen, sich vom Gang zurückzuziehen.
»Seht nicht hin«, sagte sie leise. »Es wird euch nicht gefallen.«
Und dann standen plötzlich die drei Jesuiten in ihren Roben vor ihr und vernarrten überrascht, als hätten sie nicht erwartet, Beatrice hier zu finden. Sie fuchtelte mit der zerbrochenen Flasche vor ihren Gesichtern herum und bemühte sich um einen herausfordernden Tonfall, obwohl ihr erbärmlich zumute war.
»Also schön, dann kommt nur her! Ihr habt doch nicht geglaubt, ich würde mich nicht wehren, oder? Ihr müßt mich schon töten, bevor ihr mich dieser Kuh von Investigator übergeben könnt.«
»Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen«, erwiderte einer der Jesuiten milde. Er schob die Kapuze zurück, und ein warmes Gesicht mit einem freundlichen Stirnrunzeln kam darunter zum Vorschein. »Mein Name ist Alexander Sturm. Ich arbeite zur Zeit mit den Rebellen von Technos III zusammen.
Darf ich erfahren, wer Ihr seid?«
»Die Ehrwürdige Mutter Beatrice von den Barmherzigen Schwestern«, antwortete Beatrice automatisch. »Woher soll ich wissen, daß Ihr wirklich diejenigen seid, die Ihr zu sein vorgebt?«
»Nun«, erwiderte Sturm, »die Tatsache, daß wir nicht versucht haben, Euch zu töten, sollte für uns sprechen. Meint Ihr, Ihr könntet diese furchteinflößende Flasche senken? Ich bin sicher, wir alle würden uns ein gutes Stück sicherer fühlen.« Er schenkte der Ehrwürdigen Mutter ein überwältigend charmantes Lächelnd, und sie senkte langsam die Flasche. Sturm nickte anerkennend. »Erlaubt mir, Euch meine beiden Begleiter vorzustellen: Ruby Reise und Jakob Ohnesorg.«
Beim zweiten Namen blinzelte Beatrice überrascht. Die beiden schoben die Kapuzen in den Nacken. Die Frau war Beatrice völlig unbekannt, wenn man von dem Ruf absah, der ihr vorauseilte, aber jedermann kannte Jakob Ohnesorg. Er wirkte ein gutes Stück jünger, als sie erwartet hatte, aber es war ganz definitiv der berühmte Rebell. Beatrice entspannte sich schlagartig und stieß den Atem aus, als sie sich endlich wieder einigermaßen sicher fühlte. »Gütiger Himmel, Ihr seid es wirklich!
Was, zur Hölle, macht Ihr hier?«
»Wir befreien die Klone«, antwortete Ohnesorg in sachlichem Ton. »Würde es Euch etwas ausmachen, uns dabei zu helfen? Ich habe das Gefühl, daß Ihr in unserer Gesellschaft ein gutes Stück sicherer seid.«
»Da habt Ihr verdammt recht«, sagte Beatrice. »Ein verfluchter Investigator ist mir auf den Fersen. Irgend jemand weit oben will meinen Kopf. Aber ich kann Euch nicht helfen. Die Barmherzigen Schwestern müssen immer neutral bleiben.«
»Wenn jemand einen Investigator hinter Euch hergeschickt hat, dann können wir meiner Meinung nach ruhig davon ausgehen, daß Eure Neutralität bereits verletzt worden ist«, entgegnete Ohnesorg. »Außerdem, könnt Ihr einfach dabeistehen und zusehen, wie dieses Entsetzen weitergeht?«
Beatrice blickte zu den Klonen, die in ihren Pferchen zusammengedrängt hockten wie Tiere. »Nein«, seufzte sie schließlich. »Nein, das kann ich nicht.«
»Das ist gut für Euch, Schwester«, sagte Sturm. »Und habt keine Angst. Wir werden Euch beschützen.«
»Ach, wirklich?« spottete Investigator Klipp. »Das würde ich nur allzu gerne sehen.« Alle wandten sich um und erblickten Klipp. Sie stand direkt hinter der kleinen Gruppe, das Schwert in der Hand. Klipp wirkte entspannt und mehr als tödlich.
»Gut, daß ich versucht habe, mit den Jesuiten in Kontakt zu treten. Ich dachte mir bereits, daß ihnen etwas zugestoßen sein mußte, als ich keine Antwort erhielt. Ich war hinter einer Barmherzigen Schwester her, und jetzt habe ich außerdem noch drei berüchtigte Rebellen und Verbrecher, die ich töten kann, einer davon sogar der legendäre Jakob Ohnesorg. Heute muß mein Glückstag sein. Also schön, wer will zuerst sterben?«
Ruby wechselte einen Blick mit Jakob. »Laß sie mir! Ich hatte letztes Mal nicht die Zeit, den Tod des Investigators zu genießen.«
»Tut mir leid«, widersprach Ohnesorg. »Wir haben auch jetzt nicht die Zeit.« Plötzlich hielt er einen Disruptor in der Hand und zielte auf Klipp. »Sagt gute Nacht, Investigator.«
Ruby funkelte ihn wütend an. »Wage es ja nicht, Jakob Ohnesorg! Wenn du sie tötest, rede ich nie wieder mit dir. Ich wollte schon immer einmal einem Investigator in einem fairen Duell gegenübertreten.«
Ohnesorg wollte den Kopf schütteln, als Klipps Schwert durch die Luft surrte und ihm mit der flachen Seite der Klinge den Disruptor aus der Hand schlug. Jacob schüttelte vorsichtig die kribbelnden Finger, blickte zu der kalt grinsenden Klipp und nickte Ruby schließlich zu. »Ich konnte dir noch nie einen Wunsch abschlagen, meine Liebe. Aber beeil dich bitte. Wir haben auch noch andere Dinge zu erledigen.«
Klipp lachte laut auf. »Ich weiß nicht, was ihr Leute geraucht habt, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß es etwas Illegales gewesen sein muß. Nichts anderes könnte euch so weit von der Wirklichkeit abbringen. Also schön, fangen wir an, Mädchen.
Wenn ich dich getötet habe, sind deine Freunde an der Reihe.
Und den Kopf von Jakob Ohnesorg werde ich als Trophäe mit nach Hause nehmen.«
»Davon träumst du nur, Investigator«, knurrte Ruby. »Fangen wir an.«
Klipp und Ruby prallten aufeinander, Kopf an Kopf, mit fliegenden Klingen, und niemand würde um Gnade betteln – oder sie gewähren. Die Schwerter krachten unaufhörlich gegeneinander, und Funken stoben durch die Luft. Beide waren äußerst talentiert und hatten durch rauhe Umstände größtes Geschick erworben, und die Geschwindigkeit, mit der sie sich trafen und wieder voneinander lösten, war in der Tat atemberaubend. Ruby lachte lautlos, während ihr Schwert überall zugleich zu sein schien. Das war es, wofür sie lebte. In solchen Augenblicken fühlte sie sich am lebendigsten. Ruby hätte den Zorn anrufen können, aber sie verzichtete darauf. Sie hätte mit übernatürlicher Kraft und Schnelligkeit kämpfen können, aber sie wollte nicht. Ruby Reise wollte den Investigator in einem fairen Kampf schlagen, um zu beweisen, daß sie die Beste war.
Klipp schwang das Schwert zweihändig in einem weiten Bogen, der Ruby geköpft hätte, doch Ruby duckte sich im letzten Augenblick unter dem Hieb hindurch. Sie drängte Klipp in die Offensive, forcierte den Angriff, so stark sie konnte, aber Klipp stand da und parierte alles. Der Investigator wich keinen einzigen Schritt zurück. Unablässig hämmerten die Schwerter aufeinander, und beide Kontrahenten bluteten bereits aus zahlreichen kleineren Wunden, doch keiner war imstande, für längere Zeit die Oberhand zu behalten. Aber Ruby wurde allmählich müde und ein wenig langsamer, und Klipp nicht. Ruby war Kopfgeldjägerin, in der härtesten aller Schulen zur Kämpferin ausgebildet, doch Klipp, selbst wenn man die Krankheit berücksichtigte, war Investigator. Langsam, Fuß um Fuß, drängte sie Ruby zurück. Klipps Klinge leckte immer und immer wieder Blut, ohne daß Ruby einen Gegentreffer landen konnte.
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