Alle drehten sich nach dem ursprünglichen Todtsteltzer um.
Der alte Krieger in seinen Barbarenfellen, der legendäre Held aus weit zurückliegenden Jahrhunderten, stand gelassen ein wenig abseits von den anderen und hielt das Schwert in der Hand. Er lächelte sie an, und irgend etwas in seinem Lächeln ließ sie erschauern. Giles hob die Klinge und führte sie zum Ansatz seines Söldnerzopfes. Er säbelte mit Leichtigkeit durch das dicke Haar und hielt den Zopf einen Augenblick lang nachdenklich in der Hand, bevor er ihn achtlos zur Seite warf.
»Das war’s«, sagte er ruhig. »Nie mehr Söldner. Nie mehr für die Ideale anderer kämpfen. Endlich bin ich wieder mein eigener Herr. Ich bin wieder der Todtsteltzer, und ich werde die Krone ergreifen. Genau so, wie es immer geplant war. Ich werde der Imperator sein und die Dinge wieder richten. Ich bin der einzige, der weiß, was getan werden muß, um das Imperium wieder zu dem zu machen, was es einmal war. Ich kann es wieder stark machen, bevor die Fremdwesen oder die Hadenmänner oder Shub sich gegen uns erheben und die Menschheit vernichten können. Die Menschen werden mir folgen. Sie hatten schon immer eine Schwäche für Helden und Legenden. Ich werde das alte Imperium wiedererstehen lassen, genau so, wie es vor tausend Jahren war, bevor die Fäulnis sich ausgebreitet hat. Keine Klone und keine Esper und keine anderen geneti-schen Abarten mehr. Das Imperium war stets als ein Imperium der Menschen gedacht, und nichts anderes.«
Er lächelte Owen väterlich zu. »Es war mir immer vorherbe-stimmt, Owen. Ich wußte damals, vor 943 Jahren, als ich in Stasis ging, daß ich langfristig planen mußte. Ich mußte aus der Zeit verschwinden, so daß ich mit meiner Rückkehr warten konnte, bis die Dinge sich wieder zu meinen Gunsten gewandelt hatten. Und die ganze Zeit über beobachteten die Monitore in meiner Festung die Ereignisse und hielten ständigen Kontakt mit meinem Clan. Sie planten und intrigierten und formten die Ereignisse nach meinem Willen und bereiteten alles auf meine Rückkehr vor. Dein Vater war mein letzter Kontakt, Owen. Er war ein äußerst geschickter Agent. Er brachte die abschließenden Vorbereitungen ins Rollen: Er unterstützte die Rebellen auf der Nebelwelt, gründete das Abraxus-Informationszentrum und plante bereits eine Reise nach Shandrakor, um mich zu wekken. Doch da beging er einen Fehler und lenkte im falschen Augenblick die Aufmerksamkeit auf sich, und die Imperatorin schickte ihren Mörder Kid Death, um den Intrigen deines Vaters ein für allemal ein Ende zu bereiten.
Es war ein schwerer Rückschlag. Dein Vater hatte immer die bevorstehende Rebellion führen sollen. Er war ein Krieger und ein Politiker zugleich, und er trug den legendären Namen der Todtsteltzer. Die Menschen wären ihm gefolgt, während er sie auf meine Rückkehr vorbereitet hätte. Doch dann war er nicht mehr, und mir blieb keine andere Wahl, als ihn durch dich zu ersetzen, den schwächlichen Historiker, der niemals ein Krieger werden wollte, wie es sein Erbe von ihm verlangte.
Wer den Stahl zu einer guten Klinge schmieden will, muß ihn halb zu Tode prügeln und anschließend bis fast zur Zerstörung ziehen. Und so schmiedete ich dich, Owen. Es war nicht weiter schwierig. Einige meiner Agenten überzeugten die Löwenstein, dich zum Geächteten zu erklären und damit auf den Pfad zu setzen, der dich am Ende zu mir führen würde. Das Labyrinth des Wahnsinns … es machte die Dinge komplizierter. Ich hatte niemals vor, Euch mit hineinzunehmen. Ich wollte allein hindurchgehen und die Kräfte gewinnen, die es versprach; doch unter dem Druck der Ereignisse blieb mir keine andere Wahl, als dich und deine Begleiter ebenfalls mitzunehmen. Es war nie geplant, euch mit übermenschlichen Kräften auszustatten wie mich. Aber du hast dich wacker geschlagen, Verwandter. Ich habe dich gegen deinen Willen zu einem Kämpfer gemacht, und du bist eine Zierde für den Namen meiner Familie. Doch jetzt, Verwandter, ist es an der Zeit, daß du zur Seite trittst und mir den Vortritt läßt.
Die Krone war nie für dich gedacht, Junge. Dies ist der Augenblick meines Schicksals. Meiner Bestimmung. Ich werde der neue Imperator sein, genau so, wie es von Anfang an geplant war.«
Owen starrte seinen Vorfahren entgeistert an, und nach einer ganzen Weile des Schweigens schüttelte er den Kopf. »Zur Hölle damit! Ich bin doch nicht so weit gekommen und habe soviel Blut vergossen, nur damit ein Tyrann durch den nächsten abgelöst wird! Selbst dann nicht, wenn er zu meiner Familie gehört. Leg das Schwert nieder, Giles. Es ist zu spät. Deine Zeit ist vorbei. Wir erledigen die Dinge heutzutage ein wenig anders. Die Rebellion ist aus der Untergrundbewegung der Esper und Klone gewachsen und nicht aus deinen Intrigen und deiner Einmischung. Wir haben genug von den Familien und irgendwelchen Imperatoren. Es ist an der Zeit für… für etwas Neues.«
Giles rückte langsam gegen Owen vor, der jetzt warnend das Schwert hob. Giles blieb stehen. »Tu das nicht, Junge. Bring mich nicht dazu, dich zu töten.«
»Du würdest mich nicht töten«, entgegnete Owen. »Nicht dein eigenes Blut. Ich bin der letzte deiner Nachfahren. Der letzte Todtsteltzer.«
»Ich kann jederzeit eine neue Blutlinie gründen«, erwiderte Giles gelassen. »Ich habe dir niemals Reichtümer, Ruhm oder einen leichten Tod versprochen, Owen. Nur die Chance, eine Legende zu werden. Und ob diese Legende lebt oder tot ist, liegt ganz allein an dir. Ich… ich mag dich, Owen. Auf meine Weise. Du bist der letzte meiner ursprünglichen Blutlinie und mein Kind. In jeder Hinsicht, die zählt. Trotzdem, komm mir nicht in die Quere, Junge. Ich habe… schreckliche Dinge getan. Entsetzliche Dinge. Ich erschuf den Dunkelzonen-Projektor und brachte Tausend Sonnen zum Erlöschen. Dies ist meine Gelegenheit, die Dinge wieder zu richten und alles wiedergutzumachen. Versuch nicht, mich daran zu hindern. Du bist einen weiten Weg gegangen und hast dich wacker geschlagen, hast stets das Richtige zu tun versucht und den Familien-namen in Ehren gehalten. Ich liebe dich, Owen.«
»Das ist mir scheißegal!« rief Owen und führte einen beid-händigen Streich gegen Giles’ Hals. Das Schwert des ursprünglichen Todtsteltzers schoß hoch und parierte Owens Schlag.
Funken stoben, als die Klingen gegeneinander klirrten. Einen Augenblick später umkreisten sie einander, musterten sich aus eng zusammengekniffenen Augen und suchten nach Schwachstellen im Schwertspiel des Gegenübers. Alle anderen hielten sich zurück. Sie wußten, daß es eine persönliche Angelegenheit war. Trotzdem hielt Hazel ihren Disruptor neben sich, auf den Boden gerichtet. Sie wußte, daß Owen ihr niemals verzeihen würde, falls sie in den Kampf eingreifen sollte; doch sie hatte bereits entschieden, daß sie Giles im gleichen Augenblick in den Kopf schießen würde, da Owen verlor und starb. Zur Hölle mit den verdammten Konsequenzen.
Beide Todtsteltzer hätten ihre übernatürlichen Fähigkeiten einsetzen können, doch sie verzichteten darauf. Das hier war eine Familienangelegenheit. Sie sprangen und parierten, Schwerter blitzten hierhin und dorthin, und sie waren sich überraschend ebenbürtig. Giles war der erste Oberste Krieger des Imperiums gewesen, der beste Schwertkämpfer seiner Zeit, aber wie er selbst bereits festgestellt hatte: Owen hatte einen langen Weg hinter sich. Der einstige weltfremde Historiker und Gelehrte war von einer Schlacht in die andere getaumelt und hatte seine Fähigkeiten ununterbrochen verfeinert, bis er Stück für Stück der gleiche legendäre Schwertkämpfer geworden war wie sein Urahn.
Aber das war schließlich auch sein Erbe gewesen.
Beide Männer kämpften mit äußerster Entschlossenheit, und beide benutzten die übermenschlichen Kräfte des Todtsteltzer-Zorns und noch viel mehr, ohne daß es ihnen bewußt geworden wäre .
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