»Er war ebenso schuldig wie die anderen.«
»Ja, aber ich habe ihn nicht deshalb erschossen. Ich habe es getan, weil ich einfach jemandem weh tun mußte. Jemanden bestrafen mußte. Jemanden außer mir. Sie waren mein Volk.
Ich hätte hier sein müssen, um es zu beschützen.«
»Oh, laß es gut sein, Owen! Man hat dich für gesetzlos erklärt. Verbannt. Komm endlich darüber weg! Jeder hier hat dir den Rücken zugewandt.«
»Das macht keinen Unterschied. Ich hatte die Verantwortung für diese Menschen. Oz?«
»Ja, Owen?«
»Schalte diese Obszönität ab. Komplett. Egal, was dafür nötig wird.«
»Ja, Owen.«
»Jetzt«, sagte Owen Todtsteltzer, »gehen wir Valentin und seine Kumpane suchen. Und töten sie alle.«
Als der Chef von Valentin Wolfs Sicherheitsleuten etwas nervös auf dem Bildschirm in der großen Halle erschien und Valentin nacheinander darüber informierte, zwei Fremde wären irgendwie in der Fliegerhöhle unter der Burg aufgetaucht, wären als der legendäre Owen Todtsteltzer und die berüchtigte Hazel D’Ark identifiziert worden, hätten sich dann ungeachtet aller Sicherheitsvorkehrungen den Weg in die eigentliche Burg gebahnt und könnten, na ja, in diesem Augenblick praktisch überall sein – da hätte man eine Stecknadel fallen hören können, nachdem er ausgeredet hatte. Man hätte die Stecknadel sogar noch in der Luft hören können. Der Silvestri ließ einen seiner Dolche fallen. Der Romanow wurde ganz blaß. Und der letzte Schluck Wein, den der Kartakis zu sich nahm, geriet ganz in die falsche Richtung und erstickte ihn beinahe. Valentin Wolf ignorierte die unangenehmen Geräusche und konzentrierte sich auf den zunehmend unglücklichen Sicherheitschef, der auf dem Bildschirm zu sehen war.
»Wollt Ihr mir damit sagen«, fragte Valentin fast freundlich,
»daß alle unsere umfangreichen und unglaublich teuren Sicherheitsvorkehrungen keine zwei Leute daran hindern konnten, hier einzudringen?«
»Nun, im Grunde ja, mein Lord. Schließlich sind die beiden Leute…«
»Ich weiß, wer sie sind. Deswegen habe ich schließlich Euch und Eure Leute engagiert. Und Euer Gesicht verrät mir schon, daß noch mehr schlechte Nachrichten vorliegen. Wie lauten sie?«
Der Sicherheitschef sah noch unglücklicher aus, falls das möglich war. »Irgendein äußeres System ist in unsere Lektronen eingedrungen und gerade dabei, die Verarbeitungsanlage abzuschalten.«
»Nun, korrigiert mich, falls ich mich irre, und ich denke nicht, daß ich es tue«, sagte Valentin. »Aber ich scheine mich zu erinnern, wie Ihr mir erklärt habt, daß dergleichen völlig und vollkommen unmöglich wäre.«
»Ja, mein Lord. Streng genommen ist es wirklich unmöglich.
Es dürfte nicht passieren.«
»Aber das tut es.«
»Ja, mein Lord.«
»Ihr seid gefeuert«, erklärte Valentin. »Holt Euch die Abfindung und weist Euren Stellvertreter an, Euren Kopf an einen Stuhl zu nageln, ehe Ihr aufbrecht. Und nein, Ihr erhaltet keine Empfehlung.«
Er schaltete den Bildschirm aus und lehnte sich zurück. Der Silvestri hob den Dolch auf, der ihm entglitten war. »Ihr hättet ihn umbringen lassen sollen, Wolf.«
»Seid nicht albern, Carlos«, erwiderte Valentin geistesabwesend. »Söldner haben eine sehr starke Gewerkschaft.« Er lachte auf einmal in sich hinein, ein leiser, gefährlicher Laut. »Lieber Owen, woher wußtet Ihr nur, daß Ihr mich hier findet? Ich habe meine Spuren extrem sorgfältig verwischt. Und doch seid Ihr jetzt hier, taucht wieder mal überraschend auf und ruiniert mir den Tag. Stets seid Ihr bestrebt, mir den Spaß zu verderben.
Trotzdem hoffe ich, daß Ihr meine kleine Vergeltung zu würdigen versteht. Schließlich benötigt jede dramatische Szene ein Publikum, das sie zu würdigen weiß.«
Der Silvestri zog den zweiten Dolch aus dem Auge eines Portraits und zerriß dabei absichtlich die alte Leinwand. »Ich habe keine Angst vor dem großen bösen Todtsteltzer. Soll er doch kommen. Er und sein Miststück.«
Der Romanow warf den unbezahlbaren Wandbehang ab, den er wie einen Umhang getragen hatte, und runzelte nachdenklich die Stirn. »Ihr habt vielleicht nicht genug Verstand, um Euch vor dem Todtsteltzer zu fürchten, aber ich schon. Er ist ein gefährlicher Mann. Er hat die meisten Dinge, die man ihm nachsagt, tatsächlich vollbracht. Sogar diejenigen, die unmöglich klingen. Aber im Gegensatz zu Euch übrigen hatte ich gleich das Gefühl, unsere Sicherheitskräfte könnten sich als unfähig erweisen, eine lebende Legende aufzuhalten oder auch nur zu verlangsamen, falls diese von unserem Unternehmen hier Wind bekommen sollte. Also habe ich eigene Vorkehrungen getroffen. Eine kleine Überraschung, besonders für den Todtsteltzer. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, oder sogar wenn nicht, so gehe ich jetzt lieber und packe sie aus.«
Er marschierte hocherhobenen Hauptes hinaus. Valentin spendete seinem Abgang lässig Beifall, und sein Scharlachlächeln wurde noch breiter. »Überraschungen. Ich liebe Überraschungen ja so! Wie es sich trifft, habe ich selbst eine oder zwei für den lieben Owen vorbereitet.«
»Sie sollten lieber den plötzlichen Tod unserer Feinde mit sich bringen, oder wir stecken in ernsten Schwierigkeiten«, meinte der Kartakis, der den Atem wieder unter Kontrolle hatte. Er klang auf einmal sehr ernst und schien keinesfalls glücklich darüber. »Der Todtsteltzer wird wirklich nicht erfreut sein, wenn er erfährt, was wir aus seinem alten Heim gemacht haben.«
»Ich habe keine Angst vor ihm«, versetzte der Silvestri trotzig.
»Ja, nun, das kommt daher, daß Ihr ein kompletter Idiot seid«, sagte der Kartakis gelassen. »In unserer Branche ist das normalerweise ein Vorteil, aber zur Zeit können wir uns Genüsse wie den Wahnsinn nicht erlauben. Wir müssen nachdenken. Einen Plan entwickeln. Wir haben Leute und Ressourcen.
Wenigstens hat der Todtsteltzer nicht noch eine Armee zur Unterstützung mitgebracht.«
»Er benötigt keine Armee«, gab Valentin zu bedenken. »Er hat Hazel D’Ark.«
»Ihr seid bemerkenswert ruhig bei dieser Geschichte!« schnauzte der Kartakis. »Wißt Ihr etwas, das sich unserer Kenntnis entzieht, oder habt Ihr heute ein paar Pillen extra eingenommen?«
Valentin lächelte gelassen. »Ich habe einen Plan. Einen sehr unerfreulichen Plan, geradezu maßgeschneidert, um Owens Schwächen auszunutzen. Ihr braucht nicht mehr zu tun, als diese D’Ark beschäftigt zu halten. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt – ich muß die Ausführung in die Wege leiten. Oh, es wird ja soviel Spaß machen, ihn leiden zu sehen!«
Er erhob sich, verneigte sich elegant und ging. Er spazierte in gelassener Haltung davon, als hätte er keine Sorge auf der Welt. Die beiden Aristokraten blickten ihm hinterher.
»Dieser Mann lebt nicht in derselben Wirklichkeit wie wir anderen«, bemerkte der Silvestri.
Der Kartakis schnaubte. »Bei seinem Plan geht es wahrscheinlich darum, seine Verluste abzuschreiben, uns im Stich zu lassen und wie der geölte Blitz zum Horizont zu flitzen.
Wenn wir überleben möchten, müssen wir selbst dafür sorgen.
Wir können sie aufhalten. Wir müssen einfach etwas… vorbereiten… was sie aus dem Konzept bringt.«
»Ich habe keine Angst vor den…«
»Wollt Ihr endlich aufhören, das zu sagen! Ihr täuscht damit niemanden.«
»Mich am allerwenigsten«, sagte Owen Todtsteltzer.
Die beiden Aristokraten wirbelten herum, und da stand er groß und einschüchternd unter der Tür, ein Schwert in der Hand, als gehörte es dorthin und hätte es schon immer getan.
Er machte ein ernstes Gesicht, der Blick kalt und gleichmäßig, und er wirkte vom Scheitel bis zu Sohle wie die eigene Legende. Hazel D’Ark war an seiner Seite und lehnte lässig am Türrahmen, eine große Projektilwaffe in der Hand. Allein bei ihrem Anblick spürte Athos Kartakis bereits, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Er hatte so viele Duelle bestritten, daß er sie nicht mehr zählen konnte, hatte dabei dem Tod ins Gesicht geblickt und ihm in die knöcherne Augenhöhle gespuckt, aber nie zuvor so viel Angst um sein Leben verspürt wie jetzt. Er hatte einen Disruptor unter den Kleidern stecken, aber er wußte, daß er schon den Versuch, ihn zu ziehen, nicht überleben würde. Es sei denn, ihm fiel ein, wie er für Ablenkung…
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