Röhren führten aus den größeren Maschinen heraus, waren an den Steinmauern befestigt und kreuzten einander in einem Chaos von Farbcodes. Was immer sie beförderten gelangte schließlich in ein komplexes Filtersystem, das seinerseits die Endprodukte in konstantem Rhythmus in eine Reihe nicht gekennzeichneter Behälter tropfte. Alle übrige Tech bestand schlicht aus lektronengesteuerten Überwachungsanlagen.
Owen blickte Hazel an, und sie zuckte die Achseln, was er auch so ziemlich erwartet hatte. Also, wer im Zweifel ist, sollte jemanden fragen. Und zwar laut.
Owen marschierte zu dem Labortechniker hinüber, der glücklich und selbstvergessen mit seinen Lektronen kommunizierte, riß ihm den Stecker aus dem Nacken, drehte ihn auf dem Stuhl herum und steckte ihm die Schußwaffe in die Nase. Der Tech brauchte einen Augenblick, um zu bemerken, was geschah, war noch benommen vom plötzlichen Ausstieg aus den Lektronensystemen; dann faßte er Owens Gesicht ins Auge und sah noch besorgter aus, falls das überhaupt möglich war. Owen bedachte ihn mit einem häßlichen Lächeln, und der Tech wimmerte doch tatsächlich. Hazel trat von der anderen Seite hinzu und schenkte ihm ihr schönstes bedrohliches Funkeln, und der Mann machte sich beinahe in die Hose. Owen hatte fast schon das Gefühl, er würde eine Marionette schikanieren, unterdrückte den Gedanken aber schonungslos. Er hatte es hier mit einem von Valentins Leuten zu tun, der Mittäterschaft schuldig.
»Hallo«, wandte sich Owen an den Mann, und es klang ganz und gar nicht freundlich. »Ich bin Owen Todtsteltzer. Der Alptraum, der rechts von Euch Fleisch geworden ist, heißt Hazel D’Ark, und Ihr steckt tief in der Scheiße. Antwortet umfassend und wahrheitsgetreu auf meine Fragen, dann lebt Ihr vielleicht gerade lange genug, um vor Gericht zu stehen. Nickt, falls Ihr mir soweit folgen konntet.«
Der Techniker nickte, so gut er das mit der Schußwaffe in der Nase vermochte. Jede Farbe war ihm aus dem Gesicht gewichen, kaum daß Owen sich namentlich vorgestellt hatte, und kalte Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Owen war insgeheim beeindruckt. Er hatte gar nicht gewußt, daß er so furchteinflößend wirkte.
»Wer seid Ihr?« knurrte er den Tech an. »Und welchem Zweck dienen all diese Geräte? Zunächst einen Überblick, dann die Einzelheiten!«
»Ich bin Pierre Trignent, mein Lord«, antwortete der Techniker rasch, und es war kaum mehr als ein Flüstern. »Bitte, ich bin nur ein kleiner Fisch. Ein Niemand! Ihr seid bestimmt hinter denen her, die mir die Befehle geben. Ich tue nur, was man mir sagt.«
»Wir holen uns die schon«, sagte Hazel. »Beantworte jetzt seine Frage: Was tust du hier?«
Trignent schluckte heftig und schlug die Augen nieder. Er hatte vor zu lügen. Owen spürte es. Er beugte sich vor, bis er mit dem Gesicht direkt vor dem seines Opfers war. Der Tech versuchte, im Stuhl zu versinken, aber er fand einfach keinen Platz.
»Falls Ihr lügt«, sagte Owen, »merke ich das. Ich kann mir die Antworten notfalls von jemand anderem holen, aber ich schwöre Euch, daß Ihr das nicht mehr miterleben würdet.«
»Ja, mein Lord, aber…«
»Ich bin kein Lord mehr, aber immer noch ein Todtsteltzer.
Erzählt mir jetzt alles, was Ihr wißt, oder ich demonstriere Euch, was es bedeutet, ein Todtsteltzer zu sein.«
»Das hier ist eine Verarbeitungs- und Raffinierungsanlage, mein… Sir Todtsteltzer. Wir geben das Rohmaterial hinein, spalten es in seine chemischen Grundbestandteile auf, schöpfen die gewünschten Rückstände ab und lagern sie, bis sie später vom Planeten abtransportiert werden.«
»Aber was ist das Rohmaterial?« fragte Owen ungeduldig.
»Und worin zum Teufel besteht das Endprodukt?«
»Die Esperdroge«, antwortete Trignent widerwillig. »Wir stellen die Esperdroge her.«
Owen und Hazel sahen sich gegenseitig an. Sie hatten in ihrer Zeit bei der Esper-Bewegung schon von der Esperdroge gehört, aber ihre Zusammensetzung sollte eigentlich geheim sein. Trotzdem – falls irgend jemand in Frage kam, um eine neue Droge auszugraben, dann Valentin. Und die Produktion auf Virimonde anzusiedeln war ein guter Weg, sie geheimzuhalten. Das Parlament hatte nur durch Zufall davon erfahren, daß er hier war. Owen nickte bedächtig. Soweit war ihm alles klar. Aber nichts davon erklärte, warum der Tech solche Angst hatte…
»Was ist das Rohmaterial?« fragte Owen. »Woraus raffiniert Ihr die Esperdroge?«
»Bitte«, sagte Trignent. Er brach in Tränen aus. »Bitte habt Verständnis dafür. Ich tue nur, was mir befohlen wird. Sie hätten mich umgebracht, wenn ich es nicht getan hätte.«
»Ich bringe Euch um, wenn Ihr mir nicht antwortet! Was ist das Rohmaterial?«
»Die Toten«, sagte Pierre Trignent. »Die Toten von Virimonde .«
Danach blieb es eine geraume Weile lang ganz ruhig. Abgesehen von den langsamen, gleichmäßigen Geräuschen der Produktionsmaschinerie, die den neuesten Schub Rohmaterial verarbeitete.
Owen hielt die Augen fest zugekniffen, aber er sah weiterhin, was er jetzt als Mahlmaschine zur Breiherstellung erkannte. Er sah weiterhin seine toten Untertanen, aufgestapelt wie Hölzer, tiefgefroren, damit sie erhalten blieben, bis sie gebraucht wurden. Er öffnete die Augen wieder, und der Techniker brauchte nur einen Blick auf die kalte Wut zu werfen, die sich darin aufbaute, um ganz schnell draufloszureden, fast zu plappern, als wäre er erleichtert, es endlich jemandem erzählen zu können.
»Der Lord Wolf ist hierhergekommen, weil so viele Leichen vorhanden waren, die er verwerten konnte. Die Esperdroge ist schon immer aus menschlichem Gewebe gewonnen worden, genau wie die ESP-Blocker aus totem Hirngewebe von Espern stammen, aber man braucht jede Menge… von dem Rohstoff, um auch nur eine geringfügige Menge des Endprodukts herzustellen. Deshalb war die Esperdroge auch immer so selten, so geheim. Der Lord Wolf entdeckte hier eine Gelegenheit zur Massenproduktion und nutzte sie. Er verarbeitete Hunderttausende von Toten und produzierte größere Mengen der Droge, und das auch in reinerer Form, als dies je zuvor möglich war.
Es ist wirklich ein ganz einfacher Vorgang, sobald man erst alles aufgebaut hat. Nur ich und eine Handvoll weitere Personen sind da, um alles im Auge zu behalten. Bitte, ich bin ein Niemand, habe nur getan, was mir gesagt wurde…«
»Ihr habt die Vernichtung meines Volkes überwacht, um eine Droge herzustellen, die so suchterzeugend ist, daß sie jeden versklavt, der sie einnimmt«, sagte Owen in sehr leisem und sehr gefährlichem Ton. »Ich habe meinen Anteil am Grauen erlebt, in vielen Kriegen und auf vielen Schlachtfeldern. Ich bin durch Blut und Innereien gewatet, habe getötet, bis mir die Arme weh taten, habe gesehen, wie die Guten und die Bösen niedergemetzelt wurden, aber nie zuvor ist mir etwas derartig Kaltblütiges begegnet wie dies hier. Die Vernichtung der Toten… um ein Gift für die Lebenden herzustellen. Die Menschheit selbst in ein Produkt verwandeln. Oh, mein Volk… mein Volk…«
Mit bebenden Schultern wandte er sich ab, und Hazel trat auf ihn zu. Trignent erblickte seine Chance und flüchtete zur Tür.
Und Owen Todtsteltzer wandte sich um, Tränen in den Augen, und schoß dem Mann in den Rücken. Der Energiestrahl bohrte ein Loch quer durch Rücken und Brust und schleuderte Trignent an den Türrahmen. Er hielt sich dort für einen Moment fest, war schon tot, und sackte dann langsam in sich zusammen. Owen schüttelte langsam den Kopf, als wollte er leugnen, was er gerade gehört hatte. Hazel trat zu ihm, aber er gab ihr mit einem Wink zu verstehen, sie sollte sich entfernen. Er hatte in sich keinen Raum für etwas anderes als Grauen und Trauer und das wütende Bedürfnis, gegen die Ursache des Schmerzes zurückzuschlagen.
»Ich hätte ihn nicht erschießen sollen«, sagte er schließlich.
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