Wolfgang Hohlbein - Die Entdeckung

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Die gefährlichen Orks haben Greifenburg, die größte Stadt von Aventurien, besetzt. Da zettelt der Inquisitor Marcian einen Aufstand an, um die Stadt für seinen Prinzen Brin zu befreien. Doch statt der erwarteten kaiserlichen Armee, die eigentlich zu Hilfe eilen sollte, stehen plötzlich weitere Orks vor den Mauern von Greifenfurt. Mit einer Hand voll Soldaten und Freiwilligen nimmt Marcian dennoch den Kampf auf ...

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Wenigstens hatte er sich davon überzeugen lassen, daß sein langes, blondes Haar ihn sofort verraten würde, wenn er den Orks in die Hände fiele. Er hatte es sich abschneiden und schwarz färben lassen. Es war schon erstaunlich, wie sehr eine neue Frisur einen Menschen verändern konnte.

Marcian räusperte sich verlegen. »Du hast recht, Alrik. Ich wünsche dir und auch den anderen Glück. Vergeßt nicht, daß ihr von nun an die Hoffnung dieser Stadt seid. Gelingt es euch nicht, eure Aufgaben zu erfüllen, dann wird es bald kein freies Greifenfurt mehr geben.«

Arthag, der Zwerg, stand immer noch zögernd vor dem Baumstamm, der zu seinen Füßen im dunklen Wasser schaukelte. Nicht genug, daß er den undankbarsten Teil der Aufgabe hatte, dabei ausgerechnet von einer Elfe begleitet wurde und sich auch noch zum Abschied Marcians pathetischen Quatsch anzuhören hatte, nein, dieser Ausflug mußte auch ausgerechnet mit einem Bad beginnen. Er war von Anfang an dagegen gewesen, sich an Baumstämme geklammert den Fluß hinuntertreiben zu lassen, und das auch noch im Travia!

Ihm schauderte. Nicht mal auf seinen Vorschlag, ihm ein Faß zu geben, hatten sie bei den Beratungen eingehen wollen. Das sei zu auffällig, hatte es geheißen. Nun gut, er würde jetzt springen. Die anderen hatten schon die Flußsperre passiert, und Marcian sah ihn aufdringlich an. Arthag spuckte ins Hafenbecken. Dann schloß er die Augen und ließ sich fallen. Eiskalt schlug das Wasser über ihm zusammen. Einen schrecklichen Augenblick lang dachte er, er käme nicht mehr an die Oberfläche. Dann tauchte er prustend auf und klammerte sich an den Baumstamm. Ungeschickt begann er mit seinen Füßen zu paddeln, so wie es ihm die anderen am Nachmittag vorgemacht hatten. Bei der Generalprobe war er noch nicht dazu zu bewegen gewesen, ins Wasser zu gehen, und er betete inständig zu Angrosch, daß er bald wieder dieses unangenehme Element verlassen könne.

Bislang hatte er allen verschwiegen, daß er nicht schwimmen konnte. Aber was sollte es? Um über Wasser zu bleiben, hatte er schließlich seinen Baumstamm. Nur der durfte ihm auf keinen Fall davontreiben! Wie bei den anderen auch war seine ganze Ausrüstung in einer wasserdichten Persenning unter den Baumstamm genagelt worden. Sein kostbares Kettenhemd, das schon seine Ahnen getragen hatten, die Axt, die seine erste wirklich erstklassige Schmiedearbeit gewesen war, und nicht zu vergessen sein ganzes Gold, das er sorgsam in einen breiten Gürtel eingenäht hatte.

Kaum hatte er das Eisengatter des Hafens passiert, drehte sich sein Baumstamm in die Strömung, und kleine Wellen schlugen ihm ins Gesicht. Wütend prustete er das Wasser heraus, das er geschluckt hatte.

»Sei leise, du Idiot!« zischte es aus der Dunkelheit. »Wir passieren gleich die ersten Wachposten der Orks.«

Natürlich die Elfe! Wer sonst sollte sich auch mit ihm anlegen. Warum mußte ausgerechnet er mit ihr zusammengehen? Erst am Morgen hatte er noch im Ingrimm-Tempel zu Angrosch gebetet und seinen Gott angefleht, ihm diese Prüfung zu erlassen. Sogar die schöne Brosche, mit der er seinen Umhang zu schließen pflegte, hatte er geopfert. Vergebens! Wieder spuckte Arthag Wasser. Lange hatte er nachmittags von den Zinnen der Garnison auf diese ekelhafte, graubraune Brühe geschaut, durch die er sich nun treiben lassen sollte. Er würde sehr viel Bier brauchen, um über diese Geschichte einmal lachen zu können.

Nun konnte der Zwerg die ersten Wachfeuer der Orks im Nebel schimmern sehen. Die elenden Schwarzpelze hielten seit der Schlappe, die sie bei ihrem Sturmangriff erlitten hatten, gehörigen Abstand zu den Mauern der Stadt.

Undeutlich konnte er jetzt Wortfetzen hören. Dann übertönte das Rauschen des Flusses wieder alles. Diese Dummköpfe. Ihre Flußüberwachung war sehr uneffektiv. Sicher konnte bei Tag keiner auf diesem Weg aus der Stadt entkommen, aber nachts war es ein Kinderspiel — wenn nur das Wasser nicht so kalt wäre.

Wieder trieb Arthag an Wachfeuer vorbei. Weiter vorne konnte er undeutlich einen anderen Baumstamm im Licht sehen. Er mußte vorsichtig sein. Hier waren die Nebelschleier aufgerissen, und die Sicht auf die Breite war recht gut. Schemenhaft konnte er einige Gestalten vor dem Feuer erkennen, die auf den Fluß blickten. Leise vor sich hin fluchend tauchte er mit dem Kopf unter Wasser und klammerte sich an die eisernen Griffe, die auf der Unterseite in das Holz des Baumstamms getrieben waren, um den Schimmern Halt zu geben.

Arthag blieb unter Wasser, bis seine Lungen zu platzen drohten. Erst war es nur ein leichtes Kribbeln in seinem Brustkorb, doch dann wuchs dieses Gefühl mehr und mehr an, bis er schließlich glaubte, ein Feuersturm tobe in seiner Brust. Der Zwerg gab den Kampf mit sich selber auf und hob den Kopf aus dem Wasser, um tief einzuatmen. Die kalte Nachtluft wirkte wie ein Heiltrank, und es war ihm gleichgültig, ob die Orks ihn vielleicht noch sehen konnten. Ihm war lieber mit einem Pfeil im Rücken zu sterben, als zu ersaufen. Was seine Ahnen wohl von ihm denken würden, wenn sie ihn so sehen könnten?

Erleichtert stellte Arthag fest, daß das Wachfeuer der Orks ein gutes Stück hinter ihm lag. Mühsam versuchte er sich zu orientieren. Eine Meile vor der Stadt wand sich die Breite durch hügeliges Gebiet. An der zweiten Flußwende sollten sie an Land gehen. Die Linien der Orks würden sie dann weit hinter sich gelassen haben. Viel weiter konnten sie sich nicht treiben lassen. Kurz hinter der zweiten Kehre wurde das Flußbett enger und die Strömung stärker. Es würde auf Meilen unmöglich sein, ans Ufer zu kommen, denn die Breite hatte sich dort ein tiefes Bett gegraben, aus dem steile Uferböschungen aufragten. Bei Niedrigwasser gab es zwar Uferstreifen und Sandbänke, aber jetzt war alles überflutet. Auch die Kälte konnte mit der Zeit zur Gefahr werden. Die Flußfischer hatten sie ausdrücklich davor gewarnt, zu lange im Wasser zu bleiben. Arthag spuckte aufs neue angewidert aus. Warum nur hatte er sich darauf eingelassen? Sein erster Fehler war gewesen, sich damals auf den Silkwiesen für die Sache der Menschen zu schlagen. Sicherlich liebte er die Schlacht, aber wenn er gewußt hätte, daß all dies mit einem Bad in der Breite enden würde, wäre er zu Hause in den Amboßbergen geblieben.

Über das Gerede von Kälte des Flußwassers hatte Arthag zunächst nur gelacht. Er hatte schon so manchen harten Winter überstanden und dabei oft die Erfahrung gemacht, daß er den Unwillen der Natur wesentlich besser zu trotzen vermochte als seine menschlichen Gefährten, doch jetzt spürte auch er, wie ihm die eisige Kälte langsam in die Knochen kroch. Die erste Flußschleife hatten sie schon passiert. Lange konnte es jetzt nicht mehr dauern.

Angestrengt blinzelte er in die Finsternis. Weiter vorne waren mehrere Feuer zu erkennen. Sie schienen über dem Wasser zu schweben. Was, bei Angrosch, mochte das sein? Im Näherkommen konnte er die Schatten der anderen Baumstämme auf dem Fluß sehen. Der Nebel hatte sich hier völlig gelichtet. Ein leichter Wind zog von Osten über den Strom. Immer besser konnte Arthag nun erkennen, was vor ihnen lag. Vier kleine Flöße lagen in Abständen von einigen Schritt vor Anker. Die Orks hatten genau in der zweiten Flußkehre einen Posten errichtet. Auf jedem der Flöße stand ein Feuerkorb auf langen Beinen, dessen Flammen sich auf dem Wasser spiegelten. Bogenschützen kauerten auf den Flößen. An den Ufern waren Erdwälle aufgeworfen, und vermutlich waren dort auch einige Rotzen in Stellung gebracht, um Flußschiffe aufzuhalten, falls es noch einmal zu einem Durchbruchs versuch kommen sollte. Wieder fluchte Arthag. Die Schwarzpelze hatten ihre Lektion gelernt. Von dieser Stellung hatte niemand in der Stadt etwas gewußt.

Der Zwerg konnte sehen, wie die Orks auf den Flößen in seine Richtung auf das Wasser deuteten. Einige hantierten mit langen Speeren. Dann erreichte der vorderste Baumstamm die Posten. Mit den Speeren verhinderten die Schwarzpelze, daß der große Stamm gegen eines der Flöße prallte. Unter lauten Rufen bugsierten sie ihn in freies Fahrwasser. Dann trieb der Baum weiter. Von seinen Gefährten konnte Arhag nichts sehen. Sie mußten alle unter die Bäume getaucht sein.

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