»Unverschämtheit!« rief eine. »Wie hochmütig du bist!«
Ich zuckte nur die Achseln.
»Hältst du dich für hübscher, als wir es sind?«
»Ja«, sagte ich.
»Glaubst du, du kannst dem Herrn mehr gefallen als wir?«
»Ja. Ich bin schöner als ihr!«
»Sleen!« zischte eins der Mädchen erbost.
»Habt ihr einen Kamm für mein Haar?« fragte ich.
Sandalenschnur, ein langarmiges sommersprossiges Mädchen von großem Körperwuchs, schüttelte den Kopf.
Ich hatte keine Lust, mit diesen Weibern eingesperrt zu sein. Ich spürte, wie feindselig sie waren. Andererseits mußten sie merken, daß auch ich nichts für sie übrig hatte. Aber wir waren in demselben kleinen Käfig eingeschlossen.
»Zweifellos wirst du bald der Liebling des Herrn sein«, bemerkte Rübchen, eine dunkelhaarige Sklavin mit breitem Gesicht.
»Vielleicht«, antwortete ich und warf den Kopf zurück.
»Radieschen ist im Augenblick Lieblingssklavin«, stellte Sandalenschnur fest und deutete auf ein blondes Mädchen mit rundlichen Fußgelenken, das links von ihr saß.
»Ich war Sklavin eines Kriegers«, sagte ich.
»Du bist tatsächlich hübsch«, meinte Radieschen. Ich kam zu dem Schluß, daß mir Radieschen nicht unsympathisch war.
»Du warst nicht gut in den Fellen«, sagte Sandalenschnur. »Darum hat dein Herr dich verschenkt.«
»Nein!« rief ich.
»Warum hat er dich dann hiergelassen?« wollte Verrschwanz wissen.
»Ich weiß es nicht.«
»Eine Versagerin in den Fellen!« wiederholte Sandalenschnur.
»Wir haben nur wenige Felle im Dorf«, sagte Rübchen lachend. »Wir werden sehen, wie du dich im Stroh machst!«
»Wenn du nicht gut bist, werden wir das bald erfahren«, meinte Verrschwanz. »Thurnus spricht mit jedem darüber.«
»Ich bin gut«, versicherte ich.
»Warum hat dein Herr dich dann verschenkt?«
»Weil es ihm Spaß machte«, antwortete ich. »Schließlich ist er Clitus Vitellius, ein hoher Soldatenführer. Er kann viele Mädchen haben, die schöner sind als ich. Er brachte mich dazu, ihn hoffnungslos zu lie ben, und ließ mich zu seinem Vergnügen hier zurück. Sobald er mich voll errungen hatte, stieß er mich von sich.«
»Hast du ihn wirklich geliebt?«
»Ja!«
»Was für eine Sklavin bist du eigentlich?« fragte Sandalenschnur lachend.
»Er brachte mich dazu!« rief ich abwehrend. Im tiefsten Innern war ich allerdings überzeugt, daß ich ihn auf jeden Fall geliebt hätte, sogar als freie Frau.
»Du bist dumm! Wie kann man seinen Herrn lie ben?« rief Sandalenschnur.
»Ich liebe meinen Herrn«, warf Radieschen ein.
Sandalenschnur fuhr herum und versetzte ihr einen Schlag.
»Ich kann doch nichts dafür, wenn ich Thurnus liebe!« protestierte Radieschen.
»Bist du nicht auch eine Sklavin?« fragte ich Sandalenschnur.
Sandalenschnur stand auf. Sie war ein großes, kräftig gebautes Mädchen. »Ja«, sagte sie leise. »Auch ich kann geschlagen oder verkauft oder getötet werden. Mein Herr kann mich auch jederzeit verschenken. Er kann mich in Ketten legen. Er kann mit mir tun, was ihm beliebt.« Sie senkte den Kopf. »Ja, ich bin auch Sklavin.«
»Wir sind alle Sklavinnen«, sagte Radieschen.
»Ich will aber keine Frau sein!« rief Sandalenschnur plötzlich und rüttelte an den Gitterstäben. Sie drückte das Gesicht dagegen und begann zu weinen.
»Du weinst aber wie eine Frau«, stellte ich fest.
Sie fuhr herum.
»Es gab eine Zeit«, fuhr ich eilig fort, »da wollte auch ich keine Frau sein. Dann lernte ich die Männer kennen. Ich hatte mir nicht in den kühnsten Träumen vorgestellt, daß es solche Männer geben könnte. Sie veränderten mich entscheidend – und jetzt bin ich glücklich, eine Frau zu sein. Mein Geschlecht unterwirft mich zwar der Macht der Männer, es bedeutet mir aber ungemein viel. Jedes Mädchen hat seinen Herrn. Nur dürftest du, Sandalenschnur, dem deinen noch nicht begegnet sein.«
Sie starrte mich zornig an.
»Es gibt irgendwo einen Mann«, fuhr ich fort, »bei dem du dich darum reißen würdest, ihm die Sandalen mit den Zähnen aufzuknüpfen.«
»Wenn Thurnus mich wenigstens einmal ansehen würde!« sagte sie.
»Ah«, sagte ich. »Dann ist Thurnus also dein Herr.«
»Ja, Thurnus ist mein Herr.«
»Wie heißt du?« wollte Radieschen wissen.
»Dina«, antwortete ich, wußte ich doch, daß mein neuer Herr diesen Namen beibehalten wollte.
»Viele Mädchen mit deinem Brandzeichen werden Dina genannt«, bemerkte Rübchen.
»Das hat man mir gesagt.«
»Ein hübscher Name«, sagte Verrschwanz.
»Es muß schön sein, einen richtigen Mädchennamen zu haben«, sagte Rübchen.
»Du bist Erstes Mädchen hier im Käfig?« wandte ich mich an Sandalenschnur.
»Ja.«
»Du brauchst mich nicht zu treten oder zu schla gen«, sagte ich. »Ich werde dir gehorchen.«
»Dein Akzent weist dich als Barbarin aus. Woher kommst du?«
»Von einem Ort, der Erde genannt wird.«
»Ich habe nie davon gehört«, sagte Rübchen.
»Liegt er im Norden?« wollte Radieschen wissen.
»Meine Heimat ist weit weg von hier. Sprechen wir lieber nicht darüber.« Wie hätte ich diesen Mädchen von der Erde erzählen können? Sie sollten mich nicht für verrückt oder für eine Lügnerin halten.
»Barbarenorte sind langweilig!« sagte Rübchen. »Bist du schon mal in Ar angekettet gewesen?«
»Nein.«
»Ich bin dort einmal sogar verkauft worden! Eine großartige Stadt.«
»Das höre ich gern.« Clitus Vitellius stammte aus Ar.
»Zeit zum Schlafen!« warf Radieschen ein.
Wir legten uns ins Stroh und schliefen schnell ein. In der Nacht wachte ich einmal schweißbedeckt auf. Ich hatte einen seltsamen Traum gehabt. Mir war, als hätte ich nackt auf kalten Fliesen gekniet, in einem wunderschönen Raum, der zu einem Palast gehören mochte. Vor mir hatte ein niedriger Tisch gestanden. Auf die sem Tisch lagen einige Schnüre und in mehreren flachen Schalen kleine Kugeln, billige Sklavenperlen in verschiedenen Farben. Aus irgendeinem Grunde war ich von dem Wunsch besessen, ein Halsband zu machen. Vor mir war eine Sklavenpeitsche emporgehoben worden.
»Was bist du?« fragte eine Stimme.
»Eine Sklavin, Herr«, erwiderte ich.
»Du weißt, daß du gehorchen mußt?« hakte die Stimme nach.
»Ja, Herr«, erwiderte ich. »Wer befiehlt über mich?« fragte ich gleich darauf – wie aus einem inneren Zwang heraus. Dabei war es durchaus nicht üblich, daß Sklavinnen solche Fragen stellten, die von ihrem Herrn als unverschämt empfunden werden mochten. Doch ich wurde nicht an den Handgelenken gepackt, auf den Boden geworfen und ausgepeitscht.
»Du erhältst deine Befehle von Belisarius, Sklavin«, lautete die Antwort, die mich irgendwie beruhigte, als wäre sie richtig, als hätte ich sie erwartet. Dabei kannte ich gar keinen Belisarius.
»Wie lauten die Befehle meines Herrn Belisarius?« fragte ich.
»Ganz einfach«, sagte die Stimme. »Mach mir aus den Kugeln ein Halsband!«
»Ja, Herr.«
Und meine Hände griffen nach den Schnüren auf dem Tisch, griffen in die Schalen mit den winzigen Perlen. Unmittelbar danach erwachte ich. Ich verstand den Traum nicht. Vorsichtig streckte ich die Hand aus. Ich lag nicht auf glatten Kacheln. Meine Hand ertastete Stroh und Holz und eine Stahlstange. Es war nur ein Traum. Hellwach lag ich da und blickte zu den Stäben über mir auf. Die Monde leuchteten hell am Himmel. Langsam richtete ich mich auf. Ich war nicht in einem Palast, sondern in einem Käfig in Tabukfurt. Vorsichtig blickte ich hinaus. Das Käfigdach befand sich wenige Zoll über meinem Kopf. Ich umklammerte die Gitterstäbe. Im nächsten Augenblick schrie ich erschrocken auf. Bran Loort grinste mich von draußen an. Die anderen Mädchen wälzten sich unruhig herum, wachten aber nicht auf. Der Jüngling starrte mich an.
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