»Ein hübsches kleines Ding, nicht wahr?« fragte Thurnus.
»Es freut mich, daß sie dir gefällt«, meinte Clitus Vitellius.
»Ich bin dir für das Geschenk dankbar.«
»Keine Ursache. Sie ist nur eine hübsche Kleinigkeit.«
»Schau mich an«, sagte Thurnus zu mir.
Ich gehorchte.
»Du wolltest fliehen! Du hattest keine Chance, aber das wußtest du natürlich nicht.«
»Ja, Herr«, flüsterte ich erschrocken.
Er zog sein Messer. »Denk daran, was mit einer Skla vin geschieht, die zu fliehen versucht!« sagte er drohend. »Und jetzt geh zu meiner Hütte!«
»Ja, Herr.«
Thurnus und Clitus Vitellius wandten sich ab.
»Ich muß noch vor der Mittagsstunde aufbrechen«, sagte mein früherer Herr. »Ich interessiere mich besonders für vier Sleen.«
»Dann wollen wir jetzt darüber sprechen«, antwortete Thurnus.
Die beiden verließen die Trainingsarena. Niedergeschlagen sah ich mich um – ich betrachtete das Gestell mit Peitschen und Seilen, die Sleenkäfige, die Holzbarriere, die die Sandarena einfriedete, und machte mich mit langsamen Schritten auf den Weg zu Thurnus’ Hütte.
Allmählich begann ich zu erkennen, welches Leben mich als Sklavin eines Bauern erwartete.
Auf der Dorfstraße blieb ich stehen. Zwei Bauernburschen standen vor mir.
»Was ist denn das für eine Sklavin?« fragte der eine. Sein Name war Bran Loort. Er war der Anführer der Jünglinge des Dorfes, ein ruppiger Junge, fast schon ein Mann. Es hieß, er habe das Zeug zum Kastenführer.
»Es ist die schlaue Sklavin, die uns gestern abend entwischt ist«, sagte sein Begleiter.
»Du hast recht!« meinte Bran Loort.
»Man sagt, sie ist Thurnus zum Geschenk gemacht worden.«
»Dann bleibt sie ja im Dorf.«
»Sieht so aus.«
»Bitte, ihr Herren«, sagte ich. »Haltet mich nicht auf!«
»Nein, wir wollen Sie nicht aufhalten«, sagte Bran Loort und trat beiseite, als wäre ich eine freie Frau. Zögernd ging ich weiter.
In der Nähe von Thurnus’ Hütte entdeckte ich Clitus Vitellius. Er stand neben einem der Wagen, die er bei seinem Überfall auf das Lager der Lady Sabina erobert hatte.
Ich warf mich vor ihm auf die Knie und umfaßte sein Bein. »Behalte mich!« flehte ich schluchzend. »Behalte mich, Herr!«
Er blickte auf mich herab.
Tränen trübten meinen Blick. »Ich liebe dich, Herr!«
»Sie will nicht bei einem Bauern Sklavin sein«, sagte einer der Männer lachend.
Clitus Vitellius sah mich an. »Du bist Sklavin im Dorf Tabukfurt«, sagte er und wandte sich ab.
Ich warf mich in den Staub neben dem Wagenrad und begann jämmerlich zu schluchzen.
Ich hieb mit der Hacke auf den Boden ein und lockerte ihn rings um die Wurzeln der Sul-Pflanze.
Die Sonne stand hoch am Himmel. Es war heiß. Meinen Kopf hatte ich mit einem Tuch geschützt.
Ich arbeitete auf den Feldern meines Herrn. Ich war allein und trug die Tunika einer Bäuerin – weiß und ärmellos, aus Hurtwolle. Melina, Thurnus’ Gefährtin, hatte mir die Ta-Teera weggenommen und verbrannt. »Schamlose Sklavin!« hatte sie gerufen und mir eine knielange Sklaventunika zugeworfen. Thurnus aber hatte mehr von meinen Beinen sehen wollen und das Gewand zu ihrem Ärger mit einer Schere wieder gekürzt.
Ich richtete mich auf. Der Rücken tat mir weh. Mit dem Handrücken fuhr ich mir über die Stirn.
»Du wirst arbeiten lernen, kleine Schönheit«, hatte Thurnus zu mir gesagt. Ich kniete vor ihm im Staub des Dorfes – oh, wie deutlich erinnerte ich mich an die sen Vormittag, an den Tag der Abreise meines früheren Herrn.
»Ich ziehe mit meinem Herrn nach Ar«, hatte Maria gesagt und sich vor mir gebrüstet. »Wer ist die Schönste in seinen Diensten?«
»Du, Maria«, sagte ich.
Ich kniete unter Thurnus’ Hütte – in der Nähe von vier geschmeidigen Sleen, deren Felle in der Sonne funkelten; sie waren an einen Pfosten gebunden und kamen nicht an mich heran. Mein früherer Herr hatte sie gekauft.
Clitus Vitellius und seine Männer bereiteten die Abreise vor.
»Du wirst mir fehlen«, sagte Eta und küßte mich. »Ich wünsche dir alles Gute, Sklavin.«
Lehna, Donna und Chanda küßten und umarmten mich ebenfalls. »Ich wünsche dir alles gute, Sklavin«, sagten sie.
Sklavenperle hielt sich im Hintergrund.
»Willst du mir nicht auch Lebewohl sagen?« fragte ich.
»Ja«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Wir sind alle Sklaven.
»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte ich.
»An die Kette!« rief einer der Wächter.
Mit schnellen Schritten eilten die Mädchen zu ihm. Ich beobachtete sie und wünschte, ich könnte mich ihnen anschließen.
Ohne Verzug bildeten sie eine Reihe, Maria voran, gefolgt von Lehna, Donna und Chanda und Sklavenperle. Eta war die letzte an der Kette. Die Sklavinnen streckten den linken Arm aus. Der Soldat ließ die Armreifen zuschnappen.
Maria wandte sich zu mir um und hob den angeketteten linken Arm. »Ich trage die Kette des Clitus Vitellius«, sagte sie. »Du das Hanfseil eines Bauern.«
»Ja, Herrin«, erwiderte ich.
Sie wandte sich ab.
Die Männer spannten die Bosk vor die Wagen, die man aus dem Lager der Lady Sabina mitgenommen hatte.
In der Nähe erblickte ich zwei Bauernburschen, die mich anstarrten. Sie nickten grinsend und entfernten sich.
Clitus Vitellius verabschiedete sich von Thurnus. Er blickte nicht zurück. Ich wagte es nicht, ihm etwas nachzurufen. Zornig bearbeitete ich den Boden mit der Hacke und lockerte den Grund rings um die Wurzeln der Sul-Pflanzen. Die Sonne brannte heiß herab.
Um meinen Hals lag ein Hanfkragen. Meine Hände waren blasenbedeckt. Es tat weh, die Hacke nur zu halten. Der Rücken schmerzte ebenfalls. Ich hatte das Gefühl, als sei jeder Muskel meines Körpers gezerrt.
Am liebsten hätte ich mich fallen gelassen und laut losgeheult. Aber die Suls mußten gehackt werden.
Als Sklavin eines Bauern hatte man es nicht leicht. Die Arbeit war schwer, und ich erinnerte mich an die schmerzhaften Gertenschläge, mit denen mich Melina zum Sklavengehege getrieben hatte.
»Du wirst dir noch wünschen, eine längere Tunika zu tragen, Sklavin!« rief sie.
Ich stürzte durch die Käfigtür und landete auf dem strohbedeckten Boden. Der Sklavenkäfig war ein auf der Seite liegender Sleen-Käfig, der zum größten Teil in den Boden versenkt war. Aufgrund der Seitenlage befand sich der Eingang oben. Strohbedeckte Holzplanken bildeten den Boden, zum Abfluß durch breite Zwischenräume getrennt. Das Käfigdach bestand ebenfalls aus Brettern; nachts wurde eine Plane über die Unterkunft geworfen. Stand man im Käfig, konnte man hinausschauen; die Schultern befanden sich dann etwa in Bodenhöhe.
Ich lag auf dem Käfigboden. Über mir rasselte die schwere Käfigtür zu, dann klickten zwei Vorhangschlösser. Ich blickte nach oben. Ich konnte nicht entfliehen.
»Knie nieder!« sagte eine Stimme.
Ich gehorchte. Außer mir befanden sich vier Mädchen im Käfig.
»In der Position der Vergnügungssklavin!«
Ich kam der Aufforderung nach.
»Zeig uns dein Brandzeichen«, forderte eines der Mädchen.
Ich drehte mich auf die Seite und hob die Sklaventunika.
»Eine Dina!« sagte eine Sklavin. Sie alle gehörten Thurnus, wie ich.
»Wußtest du«, fragte jemand, »daß Dinas gut geeignet sind, Sklavinnen zu dienen?«
»Nein«, antwortete ich.
»Bist du eine Vergnügungssklavin?« wollte ein Mädchen neugierig wissen.
»Ja.«
Sie lachten. »Hier bist du nichts weiter als ein Arbeitstier. Du wirst schwer schuften müssen.«
Ich richtete mich auf. Die Mädchen erweckten meinen Zorn. Unauffällig sah ich mir meine Leidensgenossinnen an.
»Vielleicht muß ich gar nicht so schwer arbeiten, wie ihr annehmt«, sagte ich leichthin.
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