»Was trägst du für ein Brandzeichen?« fragte er.
»Die Sklavenblume – die Dina!« rief ich.
Er bewegte sich schneller. »Ich gebe dir deinen Namen – und du wirst ihn nicht vergessen!«
»Ich muß mich gehen lassen, Herr! Ich kann nicht anders!«
»Mußt du dich hingeben«, fragte er, »auch wenn dein Leben davon abhinge?«
»Ja, Herr!« rief ich.
»Dann soll es sein.«
Mit einem Schrei der Lust ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf.
»Du bist Dina!« sagte er lachend, und seine Stimme klang wie die eines Löwen. »Du bist die Sklavin Dina und gehörst mir!« Freudig lachte er über seinen Triumph, den er über die Sklavin errungen hatte.
»Ja, ja, Herr!« rief ich. »Ich bin Dina!« Freudig drückte ich ihn an mich. »Dina liebt ihren Herrn!«
Mit einem Stöhnen grub er seine Finger in meinen Rücken.
Später lag ich in seinen Armen, still, zufrieden, ihm gehörend.
»Seltsam«, sagte er und blickte zu den Sternen empor.
»Herr?«
»Du bist nichts weiter als ein ganz gewöhnliches Sklavenmädchen.«
»Ja. Herr.«
»Und doch fürchte ich, daß sich meine Gefühle dir zuwenden.«
»Dina freut sich, wenn sie ihrem Herrn gefallen hat.«
»Gegen diese Schwäche muß ich ankämpfen. Ich muß stark sein.«
»Du bist mir nicht schwach erschienen, Herr«, sagte ich.
»Du beunruhigst mich.«
»Verzeih mir, Herr.«
»Ich sollte mich von dir trennen.«
»Gestatte mir, dem unwürdigsten deiner Soldaten zu folgen«, sagte ich. In Wirklichkeit hatte ich keine Angst, daß er mich fortschicken würde. Ich liebte ihn. Ich war zuversichtlich, daß er auch etwas für mich empfand.
»Liebt Dina ihren Herrn?«
»Ja, ja, Herr!«
»Amüsant«, sagte er traurig.
»Herr?«
»Wir verlassen heute Tabukfurt. Du bleibst hier. Ich überlasse dich Thurnus. Ich habe dich ihm geschenkt.«
Ich rannte zum Käfig. Ich mußte ihn erreichen!
Im nächsten Augenblick warf ich mich auf Händen und Knien durch die Öffnung. Verzweifelt machte ich kehrt, packte die Stange und zog sie hinter mir herab. Die Schnauze des Ungeheuers schob sich hungrig zwischen die Stäbe. Das Geschöpf schnarrte und fauchte und sabberte. Ich wich in dem winzigen Käfig zurück. Der Sleen musterte mich von der anderen Seite der nun herabgelassenen Gittertür. Ich stieß einen Kla geschrei aus. Wäre ich zu langsam gelaufen, hätte mich das Tier bestimmt gepackt und in Stücke gerissen. Es wandte den Kopf hin und her und biß mit seinen doppelten Zahnreihen in die Käfigstangen. Ich hörte, wie die Zähne über das Metall kratzten. Das Geschöpf zog an dem Käfig, versetzte ihn in Schwankungen, zerrte ihn mit, bis er sich nicht mehr vom Fleck rührte; die winzige Metallkonstruktion war mit einer Kette an einem Pfosten festgemacht. Gleich darauf wanderte das Ungeheuer auf seinen sechs Beinen um den Käfig, der lange pelzige Körper rieb an den Käfigstangen entlang. Der Sleen versuchte von der anderen Seite an mich heranzukommen. Schluchzend, die Hände schützend über den Kopf erhoben, kniete ich in der Mitte des Käfigs. Einmal berührte mich die kalte Schnauze, und ich begann zu wimmern. Ich roch seinen stinkenden Atem, spürte seine Wärme auf der Haut. An den Stellen, wo das Tier zugebissen hatte, waren die Käfigstangen feucht; der Boden rings um den Käfig war aufgewühlt und feucht vom Speichel des Sleen, so gierig belauerte das Tier seine Beute.
»Zurück!« rief Thurnus, näherte sich dem Sleen, legte ihm ein Seil um den Hals und zerrte ihn vom Käfig fort. »Ruhig, ruhig, du wilder Bursche!« sagte er mit beruhigender Stimme. Er schob den Kopf in die Nähe der großen braunen Schnauze und schnalzte mit der Zunge, die Hände fest um das Halteseil gelegt. Dann flüsterte er dem Tier etwas ins Ohr. Das Ungeheuer beruhigte sich. Thurnus nahm ein großes Stück Fleisch und warf es dem Tier zu, das gierig zu fressen begann.
»Ausgezeichnet!« sagte Clitus Vitellius.
Ich kniete im Sklavenkäfig.
Ich hatte mich selbst hier eingeschlossen. Als ich das Falltor hinter mir schloß, waren zwei eingekerbte Bolzen unten an der Querstange der Tür in Schnappöffnungen gerutscht und hatten das Tor gesichert. Solche Schlösser vermochte man nicht zu öffnen, es sei denn, man hatte Schlüssel. Der Schlüssel hing an einer Schnur um Thurnus’ Hals. Die Verschlüsse waren nicht nur deswegen erforderlich, weil das Tier seinem Opfer dichtauf folgte und die Käfigtür schnell geschlossen werden mußte, sondern weil das Ungeheuer ansonsten vielleicht die Schnauze unter das Tor geschoben, den Kopf hochgeworfen und sich den Weg freigemacht hätte. Man hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder man schließt sich im Käfig ein, womit man sich selbst hilflos gefangensetzt, dem Besitzer des Käfigs unterworfen – oder das Tier reißt einen.
Ich kniete im Käfig; meine Fäuste lagen um die Gitterstäbe, weiß, verkrampft. Der Käfig war nur klein, aber widerstandsfähig. Ich konnte darin knien oder hocken oder mich auch mit angezogenen Beinen hinsetzen. Die Füße ausstrecken oder mich aufrecht hinstellen konnte ich nicht. Das Dach des Käfigs, das ebenfalls aus Stäben bestand, lag etwa in Hüfthöhe. Ich war ringsum von Metall eingeschlossen, das am Boden durch einige Holzplanken ergänzt war. Die Metallstangen waren dick und fest miteinander verbunden. Der Käfig war nicht nur für ein Mädchen gedacht, sondern konnte auch einem kräftigen Mann widerstehen. Ein Sklavenkäfig für alle Eventualitäten.
Ich starrte zwischen den Gitterstäben hindurch ins Freie. Clitus Vitellius beachtete mich nicht. Ich war Thurnus zum Geschenk gemacht worden.
Der Käfig befand sich in einer Sleen-Trainingsarena, umgeben von einer niedrigen Holzbalustrade, gefüllt mit Sand. Innerhalb des Kreises hielten sich mehrere Personen auf – meine Leidensgefährtinnen, die noch Eigentum von Clitus Vitellius waren, von denen Chanda wie ich in einem Käfig saß und ihr blutendes Bein mit einem Tuch umwickelte; dann Thurnus, eines seiner Mädchen, Sandalenschnur genannt, und einige Helfer aus dem Dorf; außerdem Clitus Vitellius und einige seiner Männer. Ungefähr acht Sleen hockten in der Arena, mit kurzen Leinen an Pfosten gebunden, in ihrer Nähe ein Gestell mit Fleischbrocken, Stangen, Seilen und Peitschen, die dem Training der Tiere dienten. Außerhalb der Mauer hatten sich eine Menge Zuschauer eingefunden – etliche Dorfbewohner, weitere Männer aus der Truppe von Clitus Vitellius, mehrere Bauernburschen und die verschleierte Melina, freie Gefährtin von Thurnus.
Melina musterte mich. Ich erwiderte ihren Blick nicht, sondern sah zur anderen Seite der Trainingsarena hinüber. Chanda hockte dort wie ich in einem winzigen Käfig, die Beine angezogen. Vorsichtig betupfte sie eine blutende Wadenwunde mit einem weißen Stück Tuch, das bereits rot durchfeuchtet war. Sie war beinahe das Opfer eines Sleens geworden, dem man nach ihrer Rettung in letzter Sekunde zu fressen gegeben hatte, ehe man ihn neben den anderen anband. Die Männer diskutierten über die Tiere und ihre Leistungen.
Ich umklammerte die Gitterstäbe und drückte mit gesenktem Blick die Stirn dagegen. Welche Hoffnungen auf Flucht konnte sich ein Mädchen auf einer Welt machen, auf der es Sleen gab?
Chanda und ich hatten die Fähigkeiten dieser Tiere vorführen sollen. Man hatte die Sleen zu uns gezerrt, damit sie Witterung nahmen. Ein Mann hatte uns festgehalten, während sich die Tiere mit unserem Geruch vertraut machten. Dann hatte man Chanda freigelassen.
Sie hatte als erste laufen müssen. Gleich darauf war ich an der Reihe gewesen.
Obwohl ich entsetzt war darüber, daß Clitus Vitellius mich an Thurnus verschenkt hatte, war ich nach besten Kräften gelaufen. In meinem Elend hatte ich den Entschluß gefaßt, die Chance zu nutzen und zu fliehen. Wie töricht von mir!
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