In meinem Brief an Carthoris hatte ich ihm genau beschrieben, wo und wie er die Höhlen von Carrion finden könne, und hatte ihm eindringlich klar gemacht, wie er auf dem Landweg zu dieser Stelle finden könne. Auf gar keinen Fall dürfe er versuchen, mit Fliegern über die Eisbarriere zu gelangen, schon gar nicht mit großen Schiffen. Ich erklärte ihm auch, daß ich nicht wisse, was hinter der achten Höhle liege, sei aber überzeugt, daß irgendwo hinter der Eisbarriere seine Mutter sich in der Gewalt von Matai Shang befinde, möglicherweise sogar sein Groß- und sein Urgroßvater, falls sie noch lebten. Ich riet ihm ferner, Kulan Tith und den Sohn von Thuvan Dihn aufzusuchen und sie um Schiffe und Krieger zu bitten, um den Zugang zu diesem Land gegebenenfalls im ersten Ansturm zu sichern.
»Und«, schloß ich, »falls du noch Zeit hast, Tars Tarkas zu suchen und mitzubringen, dann soll er mitkommen. Falls ich noch am Leben bin, wenn du kommst, dann kann ich mir kein größeres Vergnügen denken als das, Schulter an Schulter mit meinem alten Freund zu kämpfen.«
Als Wula uns verlassen hatte, beriet ich mich mit Thuvan Dihn in der siebenten Höhle darüber, was nun getan werden konnte. Wir machten viele Pläne zur Durchquerung der achten Höhle und verwarfen sie alle wieder. Von unserem Platz aus bemerkten wir, daß die Kämpfe unter den Apts allmählich nachließen; viele hatten auch zu fressen aufgehört und sich zum Schlafen hingelegt.
Wenig später kamen wir zur Überzeugung, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis all diese riesigen Tiere friedlich schlummerten, und dann konnten wir es auch wagen, diese achte Höhle zu durchqueren.
Ein Apt nach dem anderen streckte sich auf den Knochen und verwesenden Fleischresten am Boden aus, bis nur noch ein einziges Tier wach war. Dieser Bursche lief rastlos herum und schnüffelte ständig an seinen Gefährten und dem Unrat der Höhle.
Ab und zu blieb er stehen und spähte erst zu dem einen Höhlenausgang, dann zum anderen. Er benahm sich ganz so, als sei er zum Wachtposten bestimmt worden.
Schließlich kamen wir zur Überzeugung, daß er nicht schlafen würde, solange die anderen schliefen, und so suchten wir nach einer Möglichkeit, ihn zu überlisten. Endlich hatte ich eine Idee, die ich sofort Thuvan Dihn unterbreitete, und da sie ausführbar erschien, beschlossen wir, sie sofort zu testen.
Thuvan Dihn stellte sich unmittelbar neben dem Zugang zur achten Höhle an die Wand, während ich mich absichtlich dem Apt zeigte, als er zur siebenten Höhle schaute. Dann tat ich einen Satz zur anderen Seite hinüber und drückte mich dort fest an die Wand.
Lautlos und schnell bewegte sich das riesige Tier zur siebenten Höhle, um den Eindringling zu sehen, der ihn in seiner Behausung zu stören wagte. Er schob den Kopf durch die enge Öffnung, welche die zwei Höhlen verbindet; zwei mächtige Langschwerter warteten schon auf ihn, sausten herunter und trennten ihm, ehe er noch zu einem Knurren ansetzen konnte, den Kopf ab, der uns vor die Füße rollte.
Schnell überzeugten wir uns davon, daß keiner der Apts in der achten Höhle sich bewegt hatte. Wir kletterten über den Kadaver des Tieres, das den Zugang blockierte, und betraten die achte Höhle. Lautlos wie Schlangen schlichen wir an den schlafenden Tieren vorbei. Das einzige Geräusch, das wir machten, war ein gelegentliches schmatzendes Saugen, wenn unsere Füße in den schlammigen Unrat auf dem Boden traten und wir sie zum nächsten Schritt aufheben mußten.
Einmal rührte sich ein Tier, über dessen Kopf ich gerade wegsteigen mußte, ein wenig, und ich wartete, hielt den Atem an und wagte mich nicht zu bewegen. In der rechten Hand hatte ich mein Kurzschwert dessen Spitze ich auf jene pelzige Stelle richtete, unter der das Herz schlug.
Der Apt tat einen schweren Seufzer und lag wieder ruhig da, so als habe er eben einen schweren Traum ausgeträumt. Jetzt konnte ich endlich über seinen Kopf wegsteigen.
Thuvan Dihn folgte mir, und eine Minute später standen wir am Ausgang dieser gefährlichen Höhle.
Die Höhlen von Carrion bestehen aus siebenundzwanzig miteinander verbundenen Felskammern und scheinen vor unendlichen Zeiten vom Wasser ausgewaschen worden zu sein, als sich ein mächtiger Strom aus dieser Eiswüste einen Weg nach Süden suchte. Die restlichen neunzehn Höhlen brachten wir ohne Zwischenfall hinter uns.
Später erfuhren wir, daß es nur einmal im Monat möglich ist, diese Höhlen zu queren, da sich dann alle Apts in einer einzigen Kammer aufhalten. Sonst schweifen sie einzeln oder paarweise von einer Kammer zu anderen. Einmal im Monat schlafen sie einen ganzen Tag lang, und wir hatten außerordentliches Glück, gerade rechtzeitig angekommen zu sein.
Als wir die letzte Höhle verließen, fanden wir uns in einem trostlosen Land aus Eis und Schnee, entdeckten jedoch einen gut ausgetretenen Pfad, der nach Norden führte. Überall gab es dieselben großen Felsblocke wie vor der Eisbarriere, und so konnten wir niemals weit sehen.
Einige Stunden später kamen wir hinter einem riesigen Felsblock hervor und standen vor einem steilen Hang, der in ein Tal hinunterführte. Und unmittelbar vor uns sahen wir sechs wilde, schwarzbär tige Burschen, deren Haut von der Farbe reifer Zitronen war. Wir zogen uns natürlich sofort wieder hinter einen niedrigeren Felsbrocken in Deckung zurück. »Das sind die Gelben Männer von Barsoom«, flüsterte mir Thuvan Dihn zu. Wir vermochten es kaum zu glauben, jene verschollene Rasse entdeckt zu haben, die jeder eher für eine Legende gehalten hätte als für die Wirklichkeit .
Von unserem Versteck aus beobachteten wir die Gruppe, die mit dem Rücken zu uns am Fuß eines anderen hohen Felsblockes stand.
Einer der Männer spähte um die Felskante, als wolle er heimlich einen beobachten, der sich näherte. Bald kam ein weiterer Gelber in mein Gesichtsfeld. Alle Männer trugen herrliche Pelze, die sechs vor uns die schwarz-gelb gestreiften des Orluk, während der siebente, der einzelne Mann, der herankam, in das schneeweiße Fell eines Apt gehüllt war.
Die Gelben Männer trugen zwei Schwerter an ihren Gürteln, und jedem hing ein kurzer Speer über den Rücken. Am linken Arm hatten sie alle einen Schild von der Größe eines Suppentellers mit der vertieften Seite nach außen.
Einem gewöhnlichen Schwertmann mochte diese Bewaffnung lächerlich und ungenügend erscheinen, doch später war ich wiederholt Zeuge der Geschicklichkeit, mit der die Gelben diese Dinge handhaben.
Eines der Schwerter, mit denen sie ausgerüstet waren, erregte meine besondere Aufmerksamkeit. Ich nenne es wohl Schwert, doch in Wirklichkeit war das Ding eine sehr scharf geschliffene Klinge, die an der Spitze einen richtigen Haken hatte.
Das zweite Schwert hatte auch etwa die Länge des Hakenschwertes, war also etwas kürzer als mein Langschwert, ganz gerade und zweischneidig. Jeder hatte im Gürtel auch einen Dolch, doch den entdeckte ich erst später.
Als sich der Mann im weißen Pelz näherte, griffen die anderen sechs fester um ihre Schwerter; das Hakenschwert hatten sie links, das andere rechts, und am linken Handgelenk war der kleine Schild befestigt.
Die sechs Männer schrien gellend und drangen auf den siebenten ein. Die Schreie erinnerten mich außerordentlich an das Kriegsgeschrei der Apachen im Südwesten Nordamerikas. Sofort zog der Angegriffene seine Schwerter, und als die anderen über ihn herfielen, erlebte ich einen so schönen Kampf, wie man ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt.
Die Angreifer versuchten mit dem Hakenschwert den Gegner zu erfassen, doch der Suppentellerschild schnellte blitzschnell vor und fing den Haken ab. Einmal traf der Kämpfer im weißen Pelz mit dem Hakenschwert einen Gegner in der Seite, zog ihn zu sich heran und durchbohrte ihn mit dem anderen Schwert.
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