Ewda Nal überredete das Mädchen, in das nächste Speisehaus mitzukommen. Tschara sah sich so lange die Speisekarte an, dass Ewda endlich beschloss, die Initiative zu ergreifen. Sie sprach die Codes der gewünschten Speisen und den Index des ausgewählten Tisches in den Bestelltrichter des Automaten. Kaum hatten sie an dem ovalen Tisch für zwei Platz genommen, als in der Mitte eine Klappe aufging und ein kleiner Behälter mit den bestellten Gerichten erschien. Ewda Nal reichte Tschara einen Becher mit dem opaleszierenden Erfrischungsgetränk Lio, sie selbst begnügte sich mit einem Glas kalten Wassers und einem Auflauf aus Kastanien, Nüssen und Bananen mit Schlagsahne. Tschara aß ein Gericht aus gehacktem Raptenfleisch — einer Geflügelart, die in neuester Zeit Huhn und Wild ersetzt hatte. Danach entließ Ewda die junge Frau und blickte ihr hinterher, als sie mit der ihr eigenen, für die Ringära so verblüffenden Grazie die Treppe zwischen Statuen aus schwarzem Metall und bizarr geformten Postamenten von Laternen hinuntereilte.
Mit angehaltenem Atem verfolgte Erg Noor die geschickten Handgriffe der Assistenten. Die Fülle von Geräten erinnerte an die Steuerzentrale eines Sternenschiffes, doch die Geräumigkeit des Saales mit seinen breiten bläulichen Fenstern verscheuchte sofort jeden Gedanken an einen kosmischen Flugkörper.
In der Mitte des Raumes stand auf einem Metalltisch eine Kammer aus dicken Rupholuzitplatten, einem Material, das sowohl infrarote Strahlen als auch sichtbare Strahlen durchließ. Ein Netz von Rohren und Leitungen umspann das braune Email des Wassertanks der Tantra, der noch immer die zwei schwarzen Medusen vom Planeten des Eisensterns gefangen hielt.
Eon Tal, aufrecht stehend, als mache er gerade irgendwelche gymnastischen Übungen, seinen gelähmten Arm aber noch immer in einer Schlinge, blickte aus einiger Entfernung auf die langsam sich drehende Trommel des Registriergerätes. Auf der Stirn des Biologen, über den breiten schwarzen Augenbrauen, standen kleine Schweißtropfen.
Erg Noor fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
„Nichts. Nach den fünf Jahren des Fluges ist nur Staub übrig geblieben“, bemerkte der Sternfahrer mit heiserer Stimme.
„Wenn das stimmt, dann bedeutet das ein großes Unglück… für Nisa und mich“, sagte der Biologe. „Wir werden dann wahrscheinlich jahrelang experimentieren müssen, um die Art der Verletzung festzustellen.“
„Glauben Sie immer noch, dass die Tötungsorgane bei den Medusen und bei dem Kreuz gleich oder ähnlich geartet sind?“
„Nicht nur ich. Auch Grim Schar und die anderen sind zu dieser Überzeugung gekommen. Anfangs gab es allerdings die verschiedensten Meinungen. Ich bildete mir sogar ein, das schwarze Kreuz habe mit dem Planeten überhaupt nichts zu tun.“
„Das habe ich Ihnen, wenn Sie sich erinnern, ebenfalls gesagt. Ich hatte den Eindruck, als gehöre dieses Wesen zum Tellerschiff und bewache es. Aber wenn man ernsthaft überlegt, was hätte es für einen Sinn, die uneinnehmbare Festung von außen zu bewachen? Allein unser missglückter Versuch, die Spiralscheibe zu öffnen, hat schon die Unsinnigkeit eines solchen Gedankens bewiesen.“
„Ich hatte den Eindruck, dass das Kreuz überhaupt kein Lebewesen war!“
„Also ein Roboter, der zur Bewachung des Sternenschiffes aufgestellt worden war?“
„Ja. Jetzt habe ich natürlich eine andere Meinung. Das schwarze Kreuz ist doch ein lebendiges Wesen, eine Ausgeburt dieser Welt der Finsternis. Wahrscheinlich hausen diese Geschöpfe unten in der Ebene. Jedenfalls tauchte das Ungeheuer aus der Richtung der Felsspalten auf. Die Medusen dagegen, die viel leichter und beweglicher sind, leben auf dem Plateau, auf dem wir aufgesetzt hatten. Die Verbindung zwischen dem schwarzen Kreuz und der Spiralscheibe ist purer Zufall — unsere Schutzvorrichtungen sind bloß nie zu jenem fernen Winkel der Ebene vorgedrungen, der hinter der gigantischen Scheibe im Dunkeln lag.“
„Also ist es Ihre Überzeugung, dass das Kreuz und die Medusen mit denselben todbringenden Organen ausgestattet sind?“
„Ja! Bei Tieren, die unter denselben Bedingungen leben, müssen sich auch dieselben Organe herausgebildet haben. Der Eisenstern ist ein Gestirn, das Wärme und Elektrizität abgibt. Die gesamte dicke Atmosphäre des Planeten ist stark elektrisch geladen. Grim Schar glaubt, dass diese Tiere die Energie aus der Atmosphäre absorbieren und sie zu etwas Ähnlichem, wie unsere Kugelblitze es sind, komprimieren. Denken Sie nur an die Bewegung der braunen Funken entlang der Fühler der Medusen.“
„Auch das Kreuz hatte Fühler, aber keine…“
„Das hat in der Eile nur keiner bemerkt. Die Art der Verletzung an den Nervensträngen und die Lähmung des entsprechenden Nervensystems — darin sind wir uns einig — sind bei mir und Nisa genau dieselbe! Das ist der beste Beweis und unsere größte Hoffnung!“
„Hoffnung?“, fuhr Erg Noor auf.
„Selbstverständlich. Schauen Sie!“ Der Biologe zeigte auf die gleichmäßige Linie auf dem Registriergerät. „Die empfindlichen Elektroden, die in die Medusenfalle versenkt wurden, zeigen nichts an. Die Ungeheuer krochen mit ihrer ganzen Ladung an Energie hinein, die nach der Versiegelung des Tanks nirgendwohin entweichen konnte. Die Isolierschicht der kosmischen Lebensmittelbehälter ist wohl kaum durchlässig — nicht wie unsere leichten biologischen Raumanzüge. Überlegen Sie: Das Kreuz, das Nisa zum Verderben wurde, hat Ihnen keine Verletzung zugefügt. Sein Ultraschall drang zwar durch den Vollschutzanzug durch und lähmte Ihren Willen, die vernichtende Energie erwies sich jedoch als machtlos. Sie durchschlug nur Nisas Raumanzug, so wie die Medusen meinen durchschlugen.“
„Folglich muss die Kugelblitzladung, oder was es auch immer war, noch im Tank sein. Die Geräte zeigen aber nichts an…“
„Genau darin besteht auch die Hoffnung. Das heißt, die Medusen haben sich nicht in Staub aufgelöst. Sie…“
„Ich verstehe. Sie haben sich eingekapselt, sich mit einer Art Kokon umgeben.“
„Genau. Eine solche Anpassungsfähigkeit ist gerade unter jenen lebenden Organismen weit verbreitet, die für ihre Existenz ungünstige Zeiten überdauern müssen. Zum Beispiel die langen, eisigen Nächte auf dem schwarzen Planeten, die schrecklichen Stürme bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Da diese Zeiten jedoch verhältnismäßig rasch vorübergehen, glaube ich, dass sich diese Medusen rasch enzystieren und ebenso rasch wieder aus diesem Zustand rückverwandeln können. Wenn diese Überlegung stimmt, dann werden wir die schwarzen Medusen ziemlich einfach wieder zu ihrem todbringenden Leben erwecken können.“
„Durch die Reproduktion der Temperatur, der Atmosphäre, der Lichtverhältnisse und anderer Bedingungen des schwarzen Planeten?“
„Ja. Es ist bereits alles berechnet und vorbereitet. Bald wird Grim Schar hier sein. Wir werden dann den Tank mit einem Neon-Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch bei einem Druck von drei Atmosphären vollblasen. Doch zuerst müssen wir uns überzeugen, ob…“
Eon Tal beriet sich mit seinen beiden Assistenten. Eine Art Maschine wurde langsam an den braunen Tank herangerollt. Die Rupholuzitplatte an der Vorderseite wurde weggeschoben, sodass ein Zugang zu der gefährlichen Falle entstand.
Die Elektroden im Inneren des Tanks wurden durch Mikrospiegel mit zylindrischen Lampen ersetzt. Einer der Assistenten stellte sich an das Pult der Fernsteuerung. Auf dem Monitor erschien eine gewölbte Oberfläche, die mit einem körnigen Belag bedeckt war und das Licht der Lampe matt reflektierte — das war die Wandung des Tanks. Der Spiegel drehte sich leicht.
„Ein Durchleuchten mit Röntgenstrahlen wird schwierig sein, da die Isolierung zu stark ist“, begann Eon Tal zu erklären. „Deshalb müssen wir ein komplizierteres Verfahren anwenden.“
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