Der Bildschirm erlosch, und der Anblick des begrenzten Saales, der für Diskussionen und Sitzungen von Erdenmenschen gemacht war, erschien ihm seltsam.
„Dieser grüne Stern ist reich an Zirkonium in den Spektrallinien und etwas größer als unsere Sonne“, ertönte von Neuem die Stimme des Vorsitzenden. Rasch nannte er die Koordinaten des Zirkoniumgestirns. „In seinem System“, fuhr er fort, „gibt es zwei Planeten, Zwillingsplaneten, die in einer solchen Entfernung vom Stern in entgegengesetzter Richtung zueinander kreisen, dass sie genauso viel Energie von ihm erhalten wie die Erde von der Sonne.
Die Dicke der Atmosphäre, ihre Zusammensetzung und die vorhandene Wassermenge stimmen mit den Bedingungen auf der Erde überein. So lauten die vorläufigen Angaben der Expedition, die vom Planeten ZR 519 aus gestartet ist. Im selben Bericht erfahren wir auch, dass es auf den Zwillingsplaneten keine höheren Lebensformen gibt. Höhere, vernunftbegabte Lebewesen hätten die Natur mit größter Wahrscheinlichkeit so stark verändert, dass selbst ein fliegendes Sternenschiff es hätte wahrnehmen können müssen. Es ist anzunehmen, dass sich eine höhere Form von Leben entweder zu keinem Zeitpunkt hat entwickeln können oder sich einfach noch nicht entwickelt hat. Bereits im zweiundsiebzigsten Jahr der Ring-Ära, also vor dreihundert Jahren, begann unser Planet die Frage der Besiedlung von Planeten mit höheren denkenden Lebewesen zu erörtern. Damals kam man zu der Überzeugung, dass jedes Eindringen auf ähnlichen Planeten — insbesondere wenn der Stand der Zivilisation dort noch nicht dem unseren entspricht — aufgrund der mangelhaften Verständigung unvermeidlich zu Gewalttaten führen würde.
Heute wissen wir, wie groß die Vielfalt der Welten in unserer Galaxis ist. Es gibt blaue, grüne, gelbe, weiße, rote, orangefarbene Sterne, die alle zu dem Wasserstoff-Helium-Typ gehören, wegen ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung aber Kohlenstoff-, Zyan-, Titan- und Zirkoniumsterne genannt werden und dabei einen unterschiedlichen Strahlungscharakter aufweisen, außerdem ganz verschiedene Temperaturen sowie eine unterschiedliche Zusammensetzung ihrer Atmosphäre und ihres Kerns. Es gibt Planeten, die sich ihrem Umfang, der Dichte, Zusammensetzung und Dicke ihrer Atmosphäre, Hydrosphäre, der Entfernung von ihrem Gestirn und den Rotationsbedingungen nach stark voneinander unterscheiden. Wir wissen aber auch, dass unser Planet mit seiner zu siebzig Prozent mit Wasser bedeckten Oberfläche und seiner Nähe zur Sonne, die ihn mit einem steten Strom gewaltiger Energie versorgt, einen extrem günstigen Nährboden für Lebensformen darstellt, wie er im Universum sehr selten anzutreffen ist. Unser Planet ist gleichermaßen reich an Biomasse wie an vielfältigen biologischen Prozessen.
Deshalb hat sich das Leben bei uns rascher entwickelt als in anderen Welten, wo es durch Mangel an Wasser und Sonnenenergie oder durch einen Mangel an Festland gehemmt war. Und auch rascher als auf Planeten mit zu viel Wasser. In einigen Sendungen des Rings konnten wir die Evolution von Leben auf stark überschwemmten Planeten beobachten. Dort kämpft sich das Leben in Form von Pflanzen aus den unendlichen Wassermassen heraus.
Auch auf unserem an Wasser reichen Planeten gibt es verhältnismäßig wenig Festland für die Absorption von Sonnenenergie durch Nahrungspflanzen, Bäume oder durch thermoelektrische Anlagen.
In den ältesten Perioden der Erdgeschichte entwickelte sich das Leben in den Sümpfen der niedrigen Kontinente des Paläozoikums langsamer als auf den hohen Kontinenten des Känozoikums, wo der Kampf nicht nur um Nahrung, sondern auch um Wasser ging.
Wir wissen, dass für die Entfaltung üppiger und starker Lebensformen ein bestimmtes Verhältnis von Wasser und Festland notwendig ist, und unser Planet kommt diesem optimalen Koeffizienten sehr nahe. Es gibt nicht sehr viele solcher Planeten im Kosmos, und jeder von ihnen ist für unsere Menschheit als neues Siedlungs- und Entwicklungsgebiet von unschätzbarer Bedeutung.
Längst fürchtet sich die Menschheit nicht mehr vor dem einstigen Schreckgespenst unserer fernen Vorfahren — einer verheerenden Überbevölkerung. Wir streben unaufhörlich in den Kosmos, dehnen das Siedlungsgebiet der Menschen immer mehr aus, denn auch das ist Fortschritt, auch das ist ein unabänderliches Gesetz der Evolution. Die Schwierigkeiten bei der Erschließung von Planeten mit von der Erde stark abweichenden physikalischen Bedingungen waren so groß, dass bereits schon vor langer Zeit Projekte entwickelt würden, um die Menschheit auf speziell errichteten, gigantischen Anlagen im Kosmos — ähnlich künstlichen Satelliten, jedoch um ein Vielfaches größer — anzusiedeln. Sie alle wissen, dass eine solche künstliche Weltraum-Insel am Vorabend der Ring-Ära gebaut wurde — ich spreche vom Nadir, der sich achtzehn Millionen Kilometer von der Erde entfernt befindet. Dort lebt auch heute noch eine kleine Kolonie von Menschen… Doch die Untauglichkeit solcher stark begrenzten Lebensräume lag so klar auf der Hand, dass wir uns trotz ihrer kühnen Baupläne über unsere Vorfahren nur wundern können.
Die Zwillingsplaneten des grünen Zirkoniumsterns sind unserem Planeten sehr ähnlich. Sie sind für ihre Entdecker, die fragilen Bewohner des Planeten ZR 519, ungeeignet oder nur schwer erschließbar, weshalb sie uns rasch diese Information zukommen ließen, wie auch wir ihnen von unseren Entdeckungen berichten.
Der grüne Stern ist so weit von uns entfernt, wie noch keines unserer Sternenschiffe geflogen ist. Wenn wir seinen Planeten erreichen, dann werden wir weit in den Kosmos vorgedrungen sein. Und zwar nicht zu der beengten Welt eines künstlichen Satelliten, sondern zu einer starken Basis großer Planeten, die Raum genug für die Entfaltung eines bequemen Lebens und einer starken Technik bieten.
Das ist der Grund, weshalb ich Ihre Aufmerksamkeit so lange für die Vorstellung der Planeten des grünen Sterns in Anspruch genommen habe — mir erscheint es äußerst wichtig, sie zu erforschen. Die Entfernung von siebzig Lichtjahren kann jetzt mit dem Sternenschiff vom Typ Lebed zurückgelegt werden, und vielleicht sollte man die achtunddreißigste Sternenexpedition zum Achernar entsenden!“
Grom Orm verstummte und ging, nachdem er einen kleinen Hebel auf dem Rednerpult betätigt hatte, zu seinem Platz hinüber.
Dort, wo eben noch der Vorsitzende des Rates gestanden hatte, erhob sich plötzlich vor den Augen der Zuschauer ein kleiner Bildschirm, auf dem bis zur Brust die bekannte, kräftige Gestalt Dar Weters erschien. Der ehemalige Leiter der Außenstationen lächelte, lautlos begrüßt von einer Vielzahl grüner Lichter.
„Dar Weter befindet sich zurzeit in der radioaktiven Wüste von Arizona, von wo aus eine Serie von Raketen für den Bau des Satelliten in eine Höhe von siebenundfünfzigtausend Kilometer geschossen wird“, erklärte Grom Orm. „Er möchte Ihnen seine Meinung als Mitglied des Rates darlegen.“
„Ich schlage vor, die einfachste Lösung in die Tat umzusetzen“, ertönte seine fröhliche, durch das tragbare Sprechgerät metallisch klingende Stimme. „Nämlich nicht eine, sondern drei Expeditionen zu entsenden!“
Die Ratsmitglieder und Zuschauer erstarrten vor Überraschung. Dar Weter war kein Redner und machte deshalb keine Pause, um die Wirkung seiner Aussage zu erhöhen.
„Der ursprüngliche Plan war, die beiden Sternenschiffe der achtunddreißigsten Expedition in das Dreifachsternsystem JE 7723 zu entsenden…“
Mwen Maas rief sich im selben Augenblick diesen Dreifachstern mit der alten Bezeichnung Omikron 2 Eridani in Erinnerung. Dieses weniger als fünf Parsec von der Sonne entfernte System aus einem gelben, einem blauen und einem roten Stern besaß zwei leblose Planeten. Das Interesse der Forscher galt dem blauen Stern in diesem System, der ein weißer Zwerg war, in etwa mit den Ausmaßen eines großen Planeten und einer Masse, die halb so groß war wie die der Sonne. Das mittlere spezifische Gewicht der Materie dieses Sterns betrug das Zweitausendfünfhundertfache der Dichte des schwersten irdischen Metalls, des Iridiums. Die sofortige Erforschung seiner Gravitation, seiner elektromagnetischen Felder, der Entstehungsprozesse schwerer chemischer Elemente auf dem Stern aus möglichst geringer Entfernung war von kolossalem Interesse und überaus großer Bedeutung, umso mehr, als die in alten Zeiten auf den Sirius entsandte zehnte Sternenexpedition umgekommen war, nachdem sie noch eine Botschaft senden und vor der Gefahr warnen konnte. Der nahe der Sonne gelegene blaue Doppelstern Sirius besaß ebenfalls einen weißen Zwerg von niedrigerer Temperatur und größeren Ausmaßen als Omikron 2 Eridani B sowie eine fünfundzwanzigtausendfach größere Dichte als die von Wasser. Die Erreichung dieses nahen Sternes hatte sich als unmöglich erwiesen, da sich dort schwere, aber weit verstreute Meteoritenströme kreuzten und den Stern mit einem undurchdringlichen Gürtel umgaben; es war aussichtslos, das Gebiet mit den Unheil bringenden Splittern genau zu bestimmen. Schon damals, vor dreihundert Jahren, hatte man an die Entsendung einer Expedition zu Omikron 2 Eridani gedacht.
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