Das heißt, man hat Ihnen das herausgenommen? Johns:
Aber ja. Richter:
Und dafür das eingesetzt? Johns:
Aber ja, nur verstand ich damals nicht, warum die mir das so bereitwillig machten, zu günstigen Bedingungen gegen langfristige Abzahlung. Aber jetzt weiß ich schon genau Bescheid! Hohes Gericht, ich sollte diese alte Halbkugel loswerden, das wollten die ja! Denn vorher hat das Gericht ihre Forderungen mit der Begründung abgewiesen, daß dieser arme Bruchteil meines alten Kopfes nicht aus eigenem hätte weitervegetieren können, wenn man mir alles übrige weggenommen hätte, also hat ihnen das Gericht nichts zuerkannt! Deshalb wollten sie meine Naivität und die durch das Geschehene hervorgerufene Schwächung der Verstandeskräfte ausnutzen und schickten mir diesen Goas in die Quere, damit ich selbst der Entfernung dieses alten Bruchstückes zustimmen und ihnen so in die Netze ihrer teuflischen Pläne gehen sollte! Aber dieser Irrwitz steht zum Glück auf tönernen Füßen! Denn bitte zu erwägen, hohes Gericht, was sind die Argumente der Firma denn wert? Die sagen, sie hätten ein Recht auf meine Person. Worauf soll das beruhen? Gesetzt, daß jemand auf Kredit bei einem Gemischtwarenhändler Nahrungsmittel einkauft, Mehl, Zucker, Fleisch und so weiter; und nach einiger Zeit geht dieser Gemischtwarenhändler vor Gericht und fordert, man solle ihm den Schuldner als Eigentum übergeben. Denn wie wir aus der Medizin wissen, werden im Zuge des Stoffwechsels die Körpersubstanzen fortwährend durch Nahrungsmittel ersetzt, so daß nach einigen Monaten der ganze Schuldner samt Kopf, Leber, Armen und Beinen aus dem Fett, dem Eiweiß, den Eiern und Kohlenhydraten besteht, die ihm dieser Gemischtwarenhändler auf Kredit verkauft hat. Nun, würde irgendein Gericht auf der Welt die Ansprüche dieses Gemischtwarenhändlers anerkennen? Leben wir im Mittelalter, wo Shylock ein Pfund vom lebendigen Fleisch seines Schuldners forderte? Hier haben wir eine analoge Situation! Ich bin der Rennchampion namens Harry Johns und keine Maschine! Präsident Donovan:
Gar nicht wahr! Eine Maschine sind Sie! Johns:
Ach jaaa? Ja, gegen wen klagt denn dann eigentlich die Firma? An welche Adresse richtet sich die Ladung? An die irgendeiner Maschine, oder an die meinige, an Mister Johns? Herr Richter, bitte würden Sie vielleicht diese Frage klarstellen? Richter:
Hm… Also die Ladung lautet auf Harry Johns, New York, 44 Avenue. Johns:
Hören Sie, Mister Donovan? Herr Richter, gestatten Sie bitte, daß ich außerdem noch eine Frage zum Verfahren selbst stelle: Sieht das Gesetz der Vereinigten Staaten überhaupt vor, daß man eine Maschine gerichtlich belangen kann? Zum Beispiel vor Gericht laden, klagen… Richter:
Also… äh… nein. Nein, das sieht das Gesetz nicht vor. Johns:
Dann ist ja alles ganz einfach: entweder ich bin eine Maschine, dann darf diese Verhandlung gar nicht stattfinden, da eine Maschine in einem Gerichtsverfahren nicht Partei sein darf, oder ich bin keine Maschine, sondern eine Person, und was für Rechte auf mich beansprucht dann irgendeine Firma? Soll ich vielleicht ihr Sklave sein? Will Mister Donovan Sklavenhalter werden? Donovan:
Das nennt sich Unverfrorenheit!.. Aber trotz allem… Fein haben wir Sie genialisiert, was? Johns:
Einen Schmarrn haben Sie! Hohes Gericht, von den Methoden, wie die Firma sie anwendet, kann die Tatsache zeugen, daß damals, als ich krank und kaum notdürftig zusammengeschraubt das Spital verließ und an den Strand ging, um frische Luft zu schöpfen, auf einmal die Leute in Mengen hinter mir herliefen, — denn wie sich herausstellte, waren auf meinem Rücken Aufschriften eingeprägt: „Made by Cybernetics Comp.“ Das mußte ich also auf eigene Kosten herausschneiden und mir Flicken einsetzen lassen. Und jetzt verfolgen mich die! Ja, ein armer Mensch ist immer dem Zorn der Reichen schutzlos ausgesetzt, meine unvergeßliche Mutter und mein unvergeßlicher Vater haben mir das immer gesagt… Donovan:
Ihre Mutter und Ihr Vater ist die Cybernetics Company. Richter:
Bitte um Ruhe! Sind Sie zu Ende, Mister Johns? Johns:
Nein. Erstens möchte ich betonen, daß die Firma für meinen Unterhalt aufkommen müßte, denn ich habe nichts, wovon ich leben könnte. Der Ausschuß des Motoklubs hat meinen Start bei der Panamericana, das war letzten Monat, für ungültig erklärt, mit der Begründung, mein Wagen sei von „einem automatischen nichtmenschlichen Gerät“ gelenkt worden. Wer hat mir das eingebrockt?! Die da! Die Firma Cybernetics, die dem Motoklub eine verleumderische Schmähschrift gegen mich geschickt hat! Sie nehmen mir mein Brot, also sollen sie gefälligst für meinen Unterhalt zahlen und mir die nötigen Ersatzteile liefern. Ist es etwa meine Schuld, daß ich dauernd durchbrenne, bald da, bald dort!? Und nicht genug daran: bei jedem persönlichen Zusammentreffen beleidigen mich die Angestellten und erst recht die Eigentümer der Firma! Präsident Donovan hat mir angeboten, die Sache gütlich beizulegen: ich solle mich als Reklamefigur hergeben und acht Stunden täglich im Schaufenster herumstehen! Als ich ihm sagte, das sei eines Rennfahrers unwürdig, und solche Einfälle könne er sich hinten hineinstecken, da antwortete er, daß er bereits mir genug hineingesteckt habe, und dies habe ihn 56 000 Dollar gekostet. Für diese Beleidigung und für andere ähnliche werde ich die Firma verklagen! Und jetzt bitte ich das hohe Gericht, meinen Bruder als Zeugen zu hören, da er die Einzelheiten des Falles genau kennt. Anwalt:
Herr Richter, ich erhebe Einspruch dagegen, daß der Bruder des Beklagten als Zeuge vernommen werden soll. Richter:
Und zwar auf Grund der Verwandtschaft? Anwalt:
Ja und auch nein… Es handelt sich darum, daß der Bruder des Beklagten vorige Woche das Opfer einer Flugzeugkatastrophe wurde. Richter:
Aha, und da kann er nicht vor Gericht erscheinen. Johns' Bruder:
Ich kann, ich bin hier. Anwalt:
Ja, das kann er allerdings, aber es handelt sich darum, daß die Katastrophe für ihn tragisch verlief, und daß die Firma im Auftrag der Witwe einen neuen Bruder des Beklagten hergestellt hat. Richter:
Einen neuen — was? Anwalt:
Einen neuen Bruder, und somit einen neuen Ehemann der ehemaligen Witwe. Richter:
Ah, so ist das… Johns:
Na und? Warum kann der Bruder nicht aussagen? Meine Schwägerin hat doch den Kaufpreis bar bezahlt. Richter:
Bitte um Ruhe! In Anbetracht der Notwendigkeit einer Überprüfung zusätzlicher Umstände durch das Gericht — wird die Verhandlung vertagt.
„Das ist schon der letzte, oder?“ — sagte der Mann in der Regenhaut.
Mit der Schuhspitze stupste er Erdklümpchen vom Wall hinunter auf den Grund des Trichters, worin unter den gebückten Gestalten mit den unförmigen Riesenköpfen die Azetylenflammen knatterten. Nottinsen wandte sich davon ab, um die tränenden Augen abzuwischen.
„Verdammt, ich habe die dunklen Gläser irgendwo verlegt. Der letzte? Hoffentlich. Ich halte mich kaum mehr auf den Beinen. Und Sie?“
Der Mann im glänzenden Mantel, woran feine Wassertröpfchen herabliefen, steckte die Hände in die Taschen.
„Ich bin das gewohnt. Schauen Sie nicht hin“ — fügte der Mann hinzu, als er sah, daß Nottinsen wieder ins Innere des Trichters blickte. Die Erde dampfte und zischte unter den Brennern.
„Wenigstens die Gewißheit sollten wir haben“ — brummte Nottinsen. Er blinzelte. „Wenn es hier so ist — können Sie sich vorstellen, wie es dann dort zugegangen sein muß?“ Mit einer Kopfbewegung deutete er über die Landstraße hinaus, dorthin, wo über den umgestülpten Rändern des Kraters feinste Dampfstreifchen aufstiegen, violett erglühend im Strahl der selbst nicht sichtbaren Flammen.
„Da war er mit Sicherheit schon tot“ — sagte der Mann im Regenmantel, drehte nacheinander beide Taschen nach außen um und schüttelte das Wasser heraus. Der feine Regen fiel immerzu.
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