„Seid mir willkommen, Konstrukteure“, sagte er und durchbohrte beide mit seinem Blick. „Wie ihr schon von Graf Protozor, dem Meister der Königlichen Jagd, erfahren habt, verlange ich von euch, daß ihr mir neuartige und besonders leistungsfähige Raubtierarten konstruiert. Wie ihr leicht einsehen werdet, habe ich keinerlei Interesse an stählernen Kolossen, die auf hunderten von Panzerketten durchs Gelände kriechen, das ist eine Sache für die schwere Artillerie, nicht für mich. Mein Gegner muß stark und wild, flink und behende sein, vor allem aber voller Tücke und Hinterlist, so daß ich mein ganzes jagdliches Können aufbieten muß, wenn ich ihn zur Strecke bringen will. Es muß eine durchtriebene, hochintelligente Bestie sein, die die Kunst beherrscht, Spuren zu verwischen und Haken zu schlagen, lautlos im Hinterhalt zu lauern und blitzschnell anzugreifen, das ist mein königlicher Wille!“
„Verzeiht mir, Königliche Hoheit“, sagte Klapauzius und verneigte sich tief, „was aber, wenn wir die Wünsche Eurer Majestät allzu gut erfüllen, werden wir dann nicht dero Allerhöchstes Leben und Gesundheit in größte Gefahr bringen?“
Der König brach in solch donnerndes Gelächter aus, daß sich ein Schmuckgehänge vom Kristallkandelaber löste und dicht neben den Füßen der ängstlich zusammenzuckenden Konstrukteure zerschellte.
„Davor habt keine Furcht, meine edlen Konstrukteure!“ sagte er mit grimmigem Lächeln. „Ihr seid nicht die ersten, und ihr werdet auch nicht die letzten sein, wie ich meine. Ihr müßt wissen, daß ich ein gerechter, aber äußerst anspruchsvoller Herrscher bin. Allzu oft schon haben ausgesuchte Spitzbuben, Hochstapler und Schwindler versucht, mich zu betrügen, allzu oft, sage ich, haben sie sich als erstklassige Jagdingenieure ausgegeben, nur um meine Schatztruhen zu leeren und sich die Taschen mit Kleinodien und Edelsteinen vollzustopfen; als Gegenleistung ließen sie dann ein paar erbärmliche Vogelscheuchen zurück, die schon beim Anblick eines Jägers in sich zusammenfielen… Nein, nein, es gab allzu viele von diesen Scharlatanen, so daß ich mich gezwungen sah, gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Seit nunmehr zwölf Jahren halte ich es so, daß jeder Konstrukteur, der meine Wünsche nicht erfüllt, der mehr verspricht, als er halten kann, zwar seinen versprochenen Lohn erhält, jedoch gemeinsam mit der Belohnung in diesen tiefen Brunnen hier geworfen wird — es sei denn, er hat die Kühnheit, mir selbst als Jagdbeute dienen zu wollen. In einem solchen Falle jedoch benutze ich, wie ich euch versichern kann, keinerlei Waffen, sondern nur meine bloßen Hände, die ihr hier vor euch seht…“
„Und… und hat es schon viele von diesen Unglücklichen gegeben?“ fragte Trurl mit merklich leiser gewordener Stimme.
„Viele? An alle kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Ich weiß nur, daß mich bis jetzt noch keiner zufriedengestellt hat, und daß die Entsetzensschreie, die sie unweigerlich von sich geben, wenn sie in den Brunnen hinabstürzen und dieser Welt Lebewohl sagen, nicht mehr so lange dauern wie früher — das muß wohl daran liegen, daß sich die Überreste dieser Scharlatane mittlerweile am Grund des Brunnens zu Bergen türmen. Aber keine Angst, meine Herren, auch für euch wird sich dort unten noch ein Plätzchen finden!“
Nach diesen entsetzlichen Worten herrschte tödliches Schweigen; die beiden Freunde blickten unwillkürlich in die Richtung des schwarzen, unheilverheißenden Brunnens. Der König nahm seine rastlose Wanderung durch den Saal wieder auf, seine Stiefel donnerten auf das silberbeschlagene Parkett wie Schmiedehämmer in einer Echokammer.
„Aber, Majestät, mit Eurer Erlaubnis, wir haben ja nicht… ich meine, wir haben ja noch keinen Vertrag geschlossen“, brachte Trurl schließlich stotternd hervor. „Könnten wir nicht noch ein, zwei Stunden Bedenkzeit haben, denn wir müssen ja zunächst die profunden Worte Eurer Hoheit in unserem Herzen bewegen, und danach wird sich zeigen, ob wir die Bedingungen annehmen oder aber ob wir…“
„Ha, ha!“ lachte der König donnernd, „oder ob ihr nach Hause fahrt, wie? Nein, nein, meine Herren, ihr habt die Bedingungen akzeptiert, als ihr an Bord der Infernanda kamt, die, nota bene, ein Teil meines Königreichs ist! Wenn jeder Konstrukteur, der hier eintrifft, gehen könnte, wann immer er wollte, dann müßte ich ja eine Ewigkeit auf die Erfüllung meiner Wünsche warten! Also ihr bleibt und konstruiert mir Ungeheuer für die Jagd… Zwölf Tage gebe ich euch dafür, und jetzt könnt ihr gehen. Sollte es euch nach Annehmlichkeiten und Luxus aller Art verlangen, so wendet euch nur an die Diener, die ich euch zugewiesen habe, es soll euch an nichts fehlen. In ZWÖLF Tagen also!“
„Mit Eurer Erlaubnis, Hoheit, Annehmlichkeiten interessieren uns im Moment weniger, aber könnten wir nicht einmal einen Blick auf die Jagdtrophäen Eurer Königlichen Majestät werfen, sozusagen auf das Werk unserer Vorgänger?“
„Aber natürlich, natürlich!“ entgegnete der König nachsichtig und klatschte so kräftig in die Hände, daß Funken aufstoben und die silberbeschlagenen Wände entlangtanzten. Der jähe Windstoß, der durch diese kraftvolle Bewegung hervorgerufen wurde, sorgte dafür, daß sich die Gemüter der beiden abenteuerlustigen Konstrukteure noch weiter abkühlten. Sechs Königliche Leibgardisten in goldstrotzenden Uniformen geleiteten Trurl und Klapauzius in einen schier endlosen unterirdischen Gang, der sich zu immer neuen Mäandern krümmte und wand, so daß er an eine versteinerte Riesenschlange erinnerte; zu ihrer großen Erleichterung gelangten sie schließlich wieder ans Tageslicht, mitten in ein riesiges Terrarium unter freiem Himmel. Hier waren auf überaus sorgfältig gepflegten Rasenflächen König Grausams mehr oder weniger gut erhaltene Jagdtrophäen ausgestellt. Ganz in ihrer Nähe befand sich ein gewaltiger Koloß, durch einen furchtbaren Hieb fast in zwei Hälften gespalten, trotz der schweren Stahlplattenpanzerung, die seinen Rumpf hätte schützen sollen; der säbelzahnbewehrte Rüssel schien den Himmel durchbohren zu wollen, die extrem langen Hinterbeine (offensichtlich für riesige Sprünge konstruiert) ruhten auf dem Gras gleich neben dem Schwanz, dessen Spitze in eine automatische Waffe mit halbleerem Magazin einmündete — ein sicheres Zeichen dafür, daß sich dieses Monstrum dem König erst nach hartem Kampf ergeben hatte. Davon legte auch ein gelblicher Fetzen Zeugnis ab, der aus seinem weit geöffneten Rachen heraushing; Trurl erkannte sogleich, daß es sich um die Überreste eines Stiefels handelte, wie ihn die Königlichen Jäger trugen. Dicht daneben lag ein anderes drachenähnliches Ungeheuer mit unzähligen winzigen Stummelflügeln, versengt und geschwärzt durch feindliches Feuer; seine elektrischen Innereien waren durch übergroße Hitze geschmolzen und zu einer Porzellan— und Kupferpfütze erstarrt. Ein anderes Monstrum hatte seine sieben säulenähnlichen Beine im Todeskampf weit von sich gestreckt; eine leichte Brise strich ihm wispernd durch den geöffneten Rachen. In diesem seltsamen Jagdmuseum standen Wracks auf Rädern und Wracks auf Gleisketten, manche mit klauenähnlichen Greifarmen, manche mit Flammenwerfern bestückt, alle geborsten bis auf den letzten Magnetkern; es gab Panzer-Schildkröten mit zerquetschten Geschütztürmen und andere Scheusale, schrecklich zugerichtet und narbenübersät, ausgestattet mit zahllosen Reservegehirnen (total ausgebrannt oder durch rohe Gewalt zerschmettert), es gab hüpfende Ungeheuer mit verbogenen oder ausgerenkten Teleskopstelzen, und es gab bösartige gepanzerte Insekten, die überall umherlagen. Sie waren so konstruiert, daß sie je nach Gefechtslage in großen Schwärmen angriffen oder sich zu einem stählernen Igel zusammenballten, dessen Stacheln aus unzähligen winzigen Gewehrmündungen bestanden, eine raffinierte Idee, die aber weder sie selbst noch ihre unglücklichen Schöpfer vor dem Untergang bewahrt hatte. Durch das Spalier dieser traurigen Überreste schritten Trurl und Klapauzius schweigend, blaß und mit schlotternden Knien; sie sahen aus, als stünden sie kurz vor ihrer eigenen Beerdigung und nicht vor einem neuen Triumph ihres rastlosen Erfindergeistes. Nachdem sie diese Schreckensgalerie bis zum letzten Wrack besichtigt hatten, stiegen sie in eine Karosse, die am weißschimmernden Eingangstor auf sie wartete. Das Drachengespann, das sie in halsbrecherischem Tempo in ihre Residenz außerhalb der Stadt zurückbrachte, kam ihnen längst nicht mehr so furchterregend vor wie ehedem. Sobald sie in ihrem mit karmesinrotem und grünem Samt ausgeschlagenen Arbeitszimmer allein waren, vor einem Tisch, der sich unter der Last feinster Delikatessen und edelster Getränke bog, da löste sich Trurl endlich die Zunge, und er überschüttete seinen Freund mit einem ganzen Schwall übelster Flüche und Verwünschungen; schuld an ihrer gegenwärtigen Misere sei einzig und allein Klapauzius, weil er das Angebot des Meisters der Königlichen Jagd Hals über Kopf akzeptiert und damit nichts als Unglück über ihr Haupt gebracht habe, wo sie doch in aller Ruhe hätten zu Hause bleiben können, um ihren wohlverdienten Ruhm in vollen Zügen zu genießen. Klapauzius wartete in stoischer Ruhe ab, bis Trurl seinem Zorn und seiner Verzweiflung Luft gemacht hatte, und als dies endlich geschehen war, und Trurl erschöpft auf einer prächtigen, perlmuttbesetzten Chaiselongue in sich zusammensank und sein Gesicht in den Händen begrub, da sagte er nur:
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