Trurl wußte sich vor Freude kaum zu lassen, als Klapauzius ihm von seiner List erzählte, er sprang mit einem Satz aus seinem königlichen Bett und erklärte den Höflingen, er habe sich glänzend erholt. Nachdem man ihn in seinen Purpurmantel gekleidet hatte, saß er majestätisch mit Zepter und Reichsapfel da und erteilte eine Unmenge Befehle. Zunächst ordnete er an, ihm aus dem Krankenhaus seinen eigenen Körper mit dem Bein zu bringen, das der unvorsichtige Balerion auf der Treppe zum Hafen verstaucht hatte. Als das geschehen war, gab er seinen Leibärzten strikte Order, diesem Patienten die denkbar beste Pflege und Fürsorge angedeihen zu lassen. Nach einer kurzen Konferenz mit seinem Polizeikommandanten, d.h. mit Klapauzius, faßte Trurl den Entschluß, das Gleichgewicht der Dinge sowie die alte Ordnung wiederherzustellen.
Was keineswegs einfach war, weil sich die ganze Geschichte maßlos kompliziert hatte. Wenngleich die Konstrukteure nicht die Absicht hegten, alle verschleppten Seelen wieder ihren früheren Körpern zurückzugeben, so hatten sie doch den dringenden Wunsch, daß Trurl möglichst schnell wieder Trurl wurde und Klapauzius Klapauzius, in ihrem eigenen Fleisch und Blut, versteht sich. Zunächst befahl Trurl, den gefangenen Balerion, der ja noch den Körper von Klapauzius bewohnte, aus dem Kerker zu holen und vor sein erhabenes Angesicht zu bringen. Der erste Persönlichkeitstransfer ging glatt vonstatten, Klapauzius war wieder er seIbst, und Balerion, der jetzt wieder im Körper des Exkommandanten der Hafenpolizei steckte, mußte strammstehen und eine geharnischte Gardinenpredigt über sich ergehen Iassen, wonach er in die königlichen Kasematten geworfen wurde. Die offizielle Begründung für diesen Akt lautete, er habe beim Lösen eines simplen Rebusrätsels völlig versagt. Am nächsten Morgen war Trurls Körper soweit genesen, daß man einen Transfer wagen konnte. Es blieb nur ein Problem: Es wäre verantwortungslos gewesen, das Land zu verlassen, ohne die Frage der Thronfolge vernünftig zu regeln. Balerion aus seiner hafenpolizeilichen Hülle zu befreien und ihn erneut an die Spitze des Staates zu stellen, hielten die Freunde für völlig undenkbar. Daher entschieden sie sich für folgende Lösung: Unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit weihten sie den rechtschaffenen Seemann, der in Trurls Körper gefangen war, in ihr Geheimnis ein, und als sie sahen, wieviel praktische Vernunft in dieser einfachen Seele steckte, erachteten sie ihn eines Herrschers durchaus für würdig; nach dem Transfer wurde Trurl wieder er selbst, der Seemann aber wurde König. Zuvor jedoch hatte Klapauzius befohlen, eine große Kuckucksuhr in den Palast zu bringen, die er bei seinen Streifzügen durch die Stadt in einem nahegelegenen Antiquitätengeschäft gesehen hatte; dann wurde der Verstand Balerions in den kleinen Kuckuck transferiert, während der Verstand der Uhr den mächtigen Schädel des Polizeikommandanten ausfüllte. So war der Gerechtigkeit genüge getan, denn der König mußte von nun an Tag und Nacht fleißig arbeiten und jede volle Stunde mit einem pflichtbewußten „Kuckuck“ ankündigen, wozu er in den entsprechenden Momenten durch die scharfen kleinen Zähne des Uhrwerks gezwungen wurde; so sollte er an der Wand des Thronsaals hängend bis ans Ende seiner Tage büßen, zum einen für seine unbesonnenen und leichtsinnigen Spiele, zum anderen, weil er Leib und Leben der berühmten Konstrukteure durch seine allzu häufigen Transfers in Gefahr gebracht hatte. Was den Polizeikommandanten angeht, so nahm er seinen früheren Dienst wieder auf und erfüllte all seine Pflichten tadellos, womit er bewies, daß ein Kuckucksverstand für diesen Posten völlig ausreichend war. Die beiden Freunde verabschiedeten sich nun endgültig von dem gekrönten Seemann, sammelten ihre in der Herberge zu rückgelassenen Habseligkeiten zusammen, schüttelten den Staub des wenig gastfreundlichen Königreichs von den Füßen und setzten ihre Reise fort.
Erwähnenswert ist lediglich, daß Trurls letzte Amtshandlung als König darin bestanden hatte, die Königliche Schatzkammer zu besuchen und das Krönungsdiadem der Kymbroniden-Dynastie an sich zu nehmen, eine Belohnung, die er sich als Entdecker des besten Verstecks auf der ganzen Welt redlich verdient hatte.
Die vierte Reise oder Wie Trurl ein Femmefatalotron baute, um Prinz Bellamor von Liebesqualen zu erlösen, und wie es danach zum Babybombardement kam
Eines schönen Tages, im ersten Morgengrauen, als Trurl noch im tiefsten Schlummer lag, klopfte jemand so heftig gegen seine Tür, als wolle er sie mit bloßen Fäusten aus den Angeln sprengen. Trurl schob den Riegel zurück, rieb sich den Schlaf aus den Augen und erblickte vor dem Hintergrund des fahlen Himmels ein gewaltiges Raumschiff. Es glich einem riesigen Zuckerhut oder einer fliegenden Pyramide. Aus dem Innern dieses Kolosses, der direkt gegenüber seinem Schlafzimmer gelandet war, trotteten lange Reihen schwer beladener Raumkamele, während pechschwarze, in Burnus und Turban gekleidete Roboter vor der Schwelle des Hauses zentnerschwere Lasten abluden; das ging so rasch, daß Trurl, ehe er sichs versah, durch zwei hohe Mauern prallgefüllter Säcke eingeschlossen war. Nur eine schmale Gasse blieb frei, und durch eben diese näherte sich ein Elektritter von bemerkenswerter Gestalt. Seine Diamantenaugen funkelten wie Sterne, er hatte die blitzenden Radarantennen keck nach oben gezwirbelt und den brillantenbesetzten Hermelinpelz lässig über die Schulter geworfen. Diese imposante Persönlichkeit zog ihren gepanzerten Hut und fragte mit volltönender, jedoch samtweicher Stimme:
„Habe ich die Ehre mit Seiner Durchlaucht Trurl, dem hochwohlgeborenen und weisen Konstrukteur?“
„Ja natürlich, das bin ich… möchten Sie nicht nähertreten… ich konnte ja nicht wissen, das heißt, ich schlief sozusagen…“ stotterte Trurl in schrecklicher Verwirrung und schlüpfte hastig in seinen Morgenmantel, denn ihm wurde in diesem Augenblick bewußt, daß er nichts als ein Nachthemd anhatte, und auch das war nicht das allersauberste.
Der prächtige Elektritter schien die unübersehbaren Mängel in Trurls Aufzug gar nicht wahrzunehmen. Er zog nochmals den Hut, der über seinem erhabenen Haupt metallisch zu vibrieren begann und betrat voller Anmut und Grazie das Wohnzimmer. Trurl entschuldigte sich für einen Moment, lief nach oben, erledigte seine Morgentoilette in ungebührlicher Hast, machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Stiegen hinunter. Draußen wurde es inzwischen hell, und bald erglänzten die ersten Strahlen der Morgensonne in den Turbanen der Negroboter, die das alte, sehnsuchtsvolle und schwermütige Sklavenlied „In Freiheit geboren“ anstimmten, als sie sich in Viererreihen rund um das Haus und das pyramidale Raumschiff aufstellten. Trurl beobachtete all das durchs Fenster und nahm dann gegenüber seinem Gast Platz, der ihm einen strahlenden Blick aus seinen Diamantenaugen zuwarf und sich mit folgenden Worten vernehmen ließ:
„Der Planet, von dem ich zu Euer Konstrukteurlichen Gnaden komme, steckt derzeit noch tief im finsteren Mittelalter, und daher müssen mir Exzellenz schon vergeben, wenn ich Euch derart inkommodiert habe, als ich zur Unzeit bei Euch landete; aber Ihr müßt verstehen, an Bord hatten wir keinerlei Möglichkeit vorherzusehen, daß an jenem punctum des Planeten, wo Euer Domizil sich zu befinden geruht, noch die Nacht ihre unumschränkte Herrschaft ausübt und den Strahlen der Sonne den Einlaß verwehrt.“
Hier räusperte er sich mit einem derart lieblichen Klang, als spiele jemand auf einer Glasharfe und fuhr fort:
„Mich schickt zu Euer Durchlaucht mein Herr und Gebieter, Seine Königliche Hoheit Protuberon Asteristicus, souveräner Herrscher über die Zwillingsplaneten Aphelion und Perihelion, erblicher Monarch von Aneuria, Kaiser aller Monözier, Bigamesen und Tripartisanen, Großfürst von Bammerjarbirien, Eburzidien, Klappedozien und Tragantortinum, Herzog von Euskalypien, Transfiorien und Fortransminien, Pfalzgraf von Pappen und Schlappen mit achtfach goldgezacktem Wappen, Baron von Schweinichendorff, Urerznörgelingen und Blankenscheuerstein, sowie Freiherr auf Metera, Hetera und Caetera, um Euer Durchlaucht in Seinem Allergnädigsten Namen in unser Königreich zu bitten, als langersehnten Retter der Krone, als den einzigen, der uns von der allgemeinen Trübsal zu befreien vermag, so ihre Ursach darin findet, daß Seine Königliche Hoheit, Kronprinz Bellamor, in unglücklicher Liebe entbrannt sind.“
Читать дальше