„Zu diesem Behufe gibt es zwei Wege und zwei Mittel“, sagte Kalkulon. „Entweder geruhen Königliche Majestät, ein entsprechend geeignetes Individuum auszuwählen, das per prochram genau das tun wird, was sich Eure Majestät wünschen, wobei Ihr selbst mit diesem Individuum durch einen dünnen Draht verbunden seid, dank dessen Ihr alles, was dieses Individuum tut, so am eigenen Leibe spürt, als hättet Ihr es selbst getan. Oder man muß die alte Kyberhexe rufen, die draußen im Walde in einer Hütte auf drei Beinen wohnt; denn sie ist eine geriatrische Hexe und behandelt ausschließlich die Gebresten hochbetagter Leute!“
„So? Nun gut, zuerst wollen wir die Sache mit dem Draht probieren!“ sagte der König.
Das war rasch getan; die königlichen Elektriker legten eine Leitung zwischen dem Hauptmann der Garde und dem König, und der König befahl ihm unverzüglich, den Weisen Kalkulon in der Mitte durchzusägen, denn diese Tat schien ihm ausnehmend schändlich, und nach anderen hatte seine Seele kein Verlangen. Flehentliche Bitten und Jammern halfen dem Weisen nichts; doch die Isolation an einem der Drähte wurde beim Sägen aufgerissen, folglich konnte der König nur die erste Hälfte der Exekution miterleben.
„Eine miserable Methode! Dieser Pseudo-Weise hatte es wahrlich verdient, unter die Säge zu kommen!“ krächzte Seine Majestät. „Und jetzt holt mir die alte Kyberhexe aus ihrer Hütte mit drei Beinen!“
Die Höflinge nahmen die Beine in die Hand und rannten in den Wald, und es dauerte nicht lange, da hörte der König einen Singsang, der mehr oder weniger so klang:
„Alte Leute heile ich! Ich kuriere, renoviere, mach die Alten rasch gesund, helfe selbst bei Knochenschwund, ich schmiere Gelenke, nehme Geschenke, wer halbgelähmt und rostgeplagt, der hat mich nie umsonst gefragt, Sklerotiker und Tattergreise verjünge ich auf meine Weise, auch gegen Gicht und Zipperlein setz ich meinen Zauber ein!“
Die alte Kyberhexe hörte sich die Klagen des Königs geduldig an, verbeugte sich bis zum Boden und sagte:
„Herr und Gebieter! Fern hinter dem blauen Horizont, am Fuße des Kahlen Berges, entspringt eine kleine Quelle, und aus der Quelle fließt ein Brünnlein, ein Brünnlein aus Öl, welches Rizinus genannt wird; daraus wird eine Essenz bereitet, welche höchste Schraubenpotenz verleiht und mächtig verjüngt — ein Eßlöffel davon löscht siebenundvierzig Jahre! Doch mußt du fein achtgeben, daß du nicht zuviel von der Essenz nimmst, denn eine Überdosis macht dich so jung, daß du im Nu im Mutterleib verschwindest! Und jetzt, mein Herr und Gebieter, laß mich dir diese erprobte und bewährte Medizin bereiten!“
„Wunderbar!“ rief der König. „Man soll Königin Adoradora auf alles vorbereiten, mag sie nur wissen, was sie erwartet, hi, hi!“
Und er versuchte mit zitternden Händen, seine losen Schrauben festzuziehen, wobei er fortgesetzt brabbelte und an mehreren Stellen zugleich krampfhaft zusammenzuckte, denn er war schrecklich senil geworden, wenngleich dies seiner Leidenschaft für alles Böse keinerlei Abbruch getan hatte.
Inzwischen ritten Ritter an den fernen blauen Horizont, an die Quelle, wo Rizinus sprudelte, und später wallten die Dämpfe und kräuselte sich der Rauch über dem Kessel der alten Kyberhexe, in dem ein Gebräu brodelte und zischte. Nach getaner Arbeit eilte sie vor den Thron, fiel auf die Knie und reichte dem König einen Becher, der glitzerte und schimmerte wie Quecksilber, sie selbst aber sagte mit lauter Stimme: „König Paralysius, hier ist die verjüngende Essenz, sie bringt deinen Schrauben Potenz! Belebend und stärkend, genau das richtige für kühne Abenteuer und Liebesspiele auf Leben und Tod! Hast du diesen Becher geleert, so gibt es für dich in der gesamten Galaxis nicht genug Städte zu plündern und Jungfrauen zu entehren! Nun trink, und wohl bekomms!“
Der König nahm den Becher, verschüttete jedoch einige Tropfen auf seinen Fußschemel, der augenblicklich senkrecht in die Höhe fuhr, schnaubte und sich auf Degeneral Eklampton stürzte, wild entschlossen, ihn zu entehren und zu schänden. Im Handumdrehen hatte er ihm die Hälfte seiner neunundneunzig Orden abgerissen.
„Trink, Königliche Majestät, trink!“ ermunterte die Kyberhexe. „Du siehst ja selbst, wie wunderbar es wirkt!“
„Trink du zuerst!“ sagte der König mit kaum hörbarem Flüstern, denn er alterte wirklich in atemberaubendem Tempo. Die Kyberhexe wurde bleich, wich zurück und wollte nicht trinken, doch auf ein Nicken des Königs packten sie drei Soldaten und flößten ihr mit Hilfe eines Trichters einige Tropfen des glitzernden Gebräus ein. Ein Blitz, ein Donner, und Rauch überall. Die Höflinge schauten, der König schaute — weit und breit keine Spur von der Kyberhexe, nur ein pechschwarzes Loch gähnte im Fußboden, und durch dieses konnte man ein weiteres Loch entdecken, ein Loch im Traum selbst, in dem in aller Deutlichkeit ein Fuß sichtbar wurde — elegant beschuht, wenngleich der Strumpf versengt und die Silberspange ganz schwarz geworden war, als sei sie von Säure zerfressen. Natürlich gehörte der Fuß samt Strumpf und Schuh niemand anderem als Perfidolin, dem Hofthaumaturgen und Apotheotiker der Krone. Denn so stark war das Gift, das die Kyberhexe als Liebesessenz für mehr Schraubenpotenz bezeichnet hatte, daß es nicht nur sie selbst und den Fußboden durchbohrt hatte, sondern glatt bis zur Wirklichkeit durchgedrungen war, wo es Perfidolins Schienbein erreichte und dort einen häßlichen Brandfleck hinterließ. Der König war zu Tode erschrocken und versuchte aufzuwachen, aber zum Glück für Perfidolin gelang es Degeneral Torturjus noch, dem König (ausgerechnet mit seinem Zepter) einen mächtigen Schlag gegen die Stirn zu versetzen; dank dessen vermochte Voluptikus, als er wieder zu sich kam, sich an nichts, aber auch gar nichts zu erinnern, was ihm im Traum widerfahren war. Und dennoch hatte er die Pläne des listigen Seeleningenieurs zum dritten Mal vereitelt, indem er aus dem tödlichen Traum entkommen war, diesmal wegen seines grenzenlosen Mißtrauens, das er allen entgegenbrachte.
„Irgendetwas habe ich geträumt, aber was, das weiß ich nicht mehr“, sagte der König, als er wieder vor dem Träumenden Schrank stand. „Doch weshalb, Perfidolin, hüpfst du eigentlich auf einem Fuß umher und hältst dir den anderen?“
„Es… es ist nichts, Majestät, mein Rhombotismus macht mir zu schaffen… es gibt wohl einen Wetterumschwung“, stöhnte der listige Thaumaturg und Apotheotiker der Krone und fuhr dann fort, den König zu beschwatzen, er möge es doch mit einem neuen Traum versuchen. Voluptikus dachte eine Weile nach, las sich das „Inhaltsverzeichnis der Träume“ durch und wählte schließlich „Prinzessin Blödianas Hochzeitsnacht“. Und schon träumte er, wie er am Kaminfeuer saß und in einem alten Folianten mit prächtigen Kupferbeschlägen las, der mit wohlgesetzten Worten und karmesinroten Buchstaben auf vergilbtem Pergament von Prinzessin Blödiana erzählte, die vor fünfhundert Jahren im Lande Dandelia herrschte; von ihrem Eiswald, Schneckenturm, ihrem Vogelhaus mit Wiehern und ihrem Schatz mit den hundert Augen, von allem aber von ihrer außergewöhnlichen Schönheit und Tugend. Und Voluptikus sehnte sich nach ihrer Schönheit mit großem Sehnen, und ein unbändiges Verlangen loderte in ihm auf und entzündete seine Seele, daß seine Augäpfel glänzten wie Leuchtfeuer, und er machte sich auf, um Blödiana in der Tiefe und in sämtlichen Ecken des Traums zu suchen, doch sie war nirgends zu finden; er fragte überall herum, doch nur die allerältesten Roboter hatten jemals von der Prinzessin gehört. Müde von der langen Wanderung kam Voluptikus schließlich ins Zentrum der königlichen Wüste, wo selbst die Dünen vergoldet waren. Dort erblickte er eine armselige Hütte und als er sich ihr näherte, sah er einen würdigen Alten in schneeweißem Gewand, der sich bei seinem Anblick erhob und folgende Worte sprach:
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