„Hier ist das Schlüsselchen! Ich nehme es mit, o König, damit deine Tochter nie wieder aufwacht! Denn mich verlangt es nach Rache für die Schande, die du mir angetan hast, als du mich zum Gespött im Eisenkäfig verwahrtest!“ Feuer schoß unter dem Heck des Raumseglers hervor. Inmitten allgemeiner Verblüffung hob sich das Schiff gen Himmel. Der König sandte schnellste stählerne Nebelspalter und Flügler auf Verfolgung aus. Aber die Mannschaften kehrten mit leeren Händen zurück. Denn der schlaue Bleichling hatte die Spuren verwirrt und war den Verfolgern entwischt.
Da begriff König Schlagenot, wie falsch es gewesen war, nicht auf die weisen Homologen zu hören. Doch er war nur durch Schaden klug. Erstrangige Elektrikaster oder Schlossergesellen versuchten den Schlüssel nachzuschaffen. Der Kronfügermeister, die Leibschnitzer, Leibplattner, Goldsessen, Stahlsessen und kunstreichen Kybergrafen, sie alle rückten an, um ihre Fertigkeiten zu erproben. Doch es half nichts. Der König begriff: es galt jenen Schlüssel wiederzugewinnen, den der Bleichling entführt hatte. Andernfalls mußte wohl ewige Finsternis Sinn und Sinne der Prinzessin umnachten.Der König gab also dem ganzen Reiche bekannt, dies und dies sei passiert, der antrobiale Homus Bleichling habe das goldene Schlüsselchen geraubt, und wer ihn einfange oder auch nur das lebenspendende Kleinod wiedergewinne und die Prinzessin wecke, der könne sie zur Frau nehmen und den Thron besteigen.
Bald erschienen in Schwärmen Draufgänger von unterschiedlichem Zuschnitt. Unter ihnen waren glorreiche Elektritter, doch auch manch ein hochstapelnder Schwindler, Astraldieb oder Sternenklau. Ins Schloß kam Ruhmraff Megawatt, der hochberühmte Fechter und Oszillator mit so schwindelschneller Rück-Zück-Kopplung, daß niemand gegen ihn im Zweikampf das Feld behaupten konnte. Da kamen Einzler aus fernsten Landen, wie Automax und Automoritz, durch Hunderte von Streichen erprobte Vorschneller, oder der ruhmreiche Konstruktionist Protheseus, der nie anders ausging als in zwei Funkenschluckern, einem schwarzen und einem silbernen. Da kam Arbitron Kosmosofowitsch, aus Urkristallen erbaut, von wundersam zügiger Gestalt. Da kam Kindbad der Intelektriker; der brachte auf vierzig Robochsen in achtzig Kisten eine alte Rechenmaschine mit. Sie war vom Denken verrostet, doch mächtig an Findigkeit. Es kamen drei Große aus dem Selektrergeschlecht: Diodes, Triodes und Heptodes. Die hatten so ideales Vakuum im Kopf, daß ihr Denken schwarz war wie die sternlose Nacht. Da kam Perpetuan, ganz in Leidener Rüstung; dreihundert Kämpfe hatten seinen Stromwender mit Grünspan überzogen. Da kam auch jener Held, der täglich jemandem einen Grenzübergang zufügte: Matrizius Löcherlich. An den Hof brachte er seinen unbesiegten Kybrack mit, den er Strombo rief. Alle fanden sich ein, und als der Hof schon voll war, da rollte vor seine Schwelle ein Fäßchen. Und daraus rieselte in einzelnen Quecksilbertropfen Erg Selbsterreg, der beliebige Gestalt annehmen konnte.Die Helden becherten, daß die Hallen des Schlosses erstrahlten und der Marmor der Gewölbe rosig durchscheinend wurde, wie ein Wölkchen, wenn die Sonne sinkt. Und jeder zog seines Weges, um den Bleichling zu suchen, ihn zum mörderischen Kampf zu fordern und nebst dem Schlüssel auch die Prinzessin zu gewinnen und Schlagenots Thron. Der erste Krieger, Ruhmraff Megawatt, flog auf die Koldäa, wo die Völkerschaft der Gallerter lebt. Dort wollte er sich erkundigen. Er tauchte denn auch in ihrer Schmiere umher, brach sich Bahn mit ferngesteuerten Degenstößen und richtete doch nichts aus. Denn als er sich gar zu stark erhitzte, zerbarst das Kühlwerk ihn ihm. Und so fand der unvergleichliche Fechter seine Grabstätte in der Fremde, und seine wackeren Kathoden verschlang auf ewig die unreine Gallerterschmiere.
Die beiden Vorschnellen Automax und Automoritz gelangten ins Reich der Radomanten. Die errichten Gebäude aus lichtvollen Gasen und betreiben die Radioaktivität. Sie selbst aber sind so geizig, daß sie jeden Abend alle Atome ihres Planeten abzählen. Gar übel empfing das radomantische Knauservolk die zwei Vorschneller. Es zeigte ihnen einen Abgrund voll edler Onyxe, Malachite, Citrine und Spinelle. Und als es die Elektritter nach dem Schatz gelüstete, da wurden sie gesteinigt. Denn die Radomanten schleuderten aus der Höhe eine Edelsteinlawine auf sie herab. Und als sie fiel, da loderte ringsum die egend so hell wie beim Absturz hundertfarbiger Kometen. Die Radomanten waren nämlich insgeheim mit den Bleichlingen verbündet, und niemand wußte davon.Die dritte Fahrt unternahm der Konstruktionist Protheseus. Nach langer Reise durch die Zwischensternnacht gelangte er bis ins Land der Algonken. Dort wirbeln steinerne Meteorstürme. In ihre unversiegliche Mauer bohrte sich das Schiff des Protheseus. Mit zerschmetterten Steuerrudern trieb es weiter durch die Tiefen. Manchmal nahte es fernen Sonnen, und dem unglücklichen Abenteurer irrten die Lichter sichtlos tappend in den Augen umher. Der vierte, Arbitron Kosmosofowitsch, hatte anfangs mehr Glück. Er durchlief die Enge der Andromeda, überwand die vier Spiralwirbel der Jagdhunde und geriet nun in ruhigen Weltraum, wo die Lichtfahrt gedeihen kann. Er selbst aber drückte aufs Steuer wie ein hurtiger Strahl, und ein Flammenschweif zeichnete die Spur hinter ihm. An den Ufern des Planeten Maestrizia legte er an. Zwischen Meteoritklumpen erblickte er dort das Wrack des Schiffes, worin Protheseus ausgeflogen war. Gewaltig, glänzend und kalt wie zu Lebzeiten war die leibliche Hülle des Konstruktionisten. Arbitron begrub sie unter Basaltgeröll. Doch beide Funkenschlucker nahm er an sich, den schwarzen und den silberen. Die sollten ihm als Schilde dienen. Und er wanderte weiter. Wild und gebirgig war die Maestrizia. Steinlawinen umdröhnten sie oder auch Blitze; denn die wucherten als silbernes Unkraut in den Wolken, über den Abgründen. Der Ritter kam ins Gebiet der Felsentäler. Dort überfielen ihn die Palindromiten in einer Malachitschlucht. Aus der Höhe schwangen sie Blitze gegen ihn. Aber mit dem funkenschluckenden Buckelschild warf er alle zurück. Da schoben die Palindromiten einen Vulkan herbei, brachten den Krater an den Rücken des Ritters, stellten die Richtung ein und spien Feuer. Da stürzte der Ritter. Siedende Lava drang in seinen Schädel, so daß alles Silber herausrann. Der fünfte Sucher, Kindbad der Intelektriker, flog nirgendshin. Gleich jenseits der Schlagenotschen Reichsgrenze hielt er an. Die Robochsen entließ er auf die Sternenweide. Er selbst aber schaltete die Maschine zusammen, stimmte und programmierte sie und klapperte ihre achtzig Kisten ab. Und als sich alle mit Strom vollgesogen hatten, so daß die Maschine von Verstand strotzte, da begann ihr der Intelektriker exakt zurechtgelegte Fragen zu stellen: wo der Bleichling wohne; wie sich der Weg zu ihm finden lasse; wie man ihn nasführen müsse und wie in die Enge treiben, damit er den Schlüssel zurückgebe. Als nur undeutliche und ausweichende Antworten fielen, da ereiferte sich Kindbad gar grimmig und züchtigte die Maschine, bis sie nach erhitztem Kupfer stank. Und er drosch und prügelte sie und schrie sie an: „Jetzt aber heraus mit der Wahrheit, du verdammte alte Rechenmaschine!“ So trieb er es, bis ihr die Fugen aufschmolzen und das Zinn in silbrigen Tränen herausrann. Knallend zerbarsten die überhitzten Röhren, er aber stand wütend vor ausgeglühtem Schrott und hielt den Stock in der Hand.
Jämmerlich blamiert mußte Kindbad heimkehren. Er bestellte eine neue Maschine. Aber nicht eher als nach vierhundert Jahren bekam er sie zu Gesicht.Die sechste Ausfahrt war die der Selektrer. Diodes, Triodes und Heptodes gingen anders zu Werke. Sie hatten unermeßliche Vorräte an Tritium, Lithium und Deuterium. Durch Explosionen schweren Wasserstoffs wollten sie sich alle Wege ins Bleichlingsland erzwingen. Doch wo diese Wege begannen, das wußten die Helden nicht. Sie wollten die Feuerfüßer fragen. Aber die verrammelten sich hinter den goldenen Mauern ihrer Hauptstadt und bockten mit flammenden Tritten daraus hervor. Die streitbaren Selektrer stürmten und sparten nicht mit Tritium und Deuterium, so daß die Hölle aufplatzender Atomeingeweide dem Himmel bis in die Sterne schaute. Die Burgmauern glänzten wie Gold, doch im Feuer zeigten sie ihre wahre Natur und verwandelten sich in gelbes Gewölk von Schwefelrauch. Denn aus funkelndem Schwefelkies waren sie erbaut. Dort fiel Diodes, von den Feuerfüßen zertrampelt, und sein Verstand zersprühte wie ein Strauß bunter Kristalle und rieselte ihm über die Rüstung. Die anderen bestatteten ihn in einem Grabmal aus schwarzem Olivin. Dann zogen sie weiter bis über die Grenze des Königreichs Osmutz. Dort herrschte der Sternenschlächter, König Astrokill. Der kratzte den Weißen Zwergen die Feuerkerne aus und hortete sie in seiner Schatzkammer. Nur die furchtbare Stärke der Palastmagnete hielt sie alle dort fest, sonst wären sie längst losgerissen und tief ins Planeteninnere durchgebrochen. Wer dieses Gebiet betrat, konnte kein Glied mehr rühren, denn die ungeheure Schwerkraft fesselte besser als Schrauben oder Ketten. Einen harten Kampf kämpften dort Triodes und Heptodes. Denn Astrokill sah sie vor die Bollwerke seines Schlosses rücken, wälzte die Weißen Zwerge nacheinander heraus und rollte den beiden die flammenhauchenden Glutkörper ins Gesicht. Dennoch bezwangen ihn die Selektrer, er aber erklärte ihnen den Weg zu den Bleichlingen. Das war ein bloßes Blendwerk. Den wußte er nämlich selbst nicht. Er wollte sich nur der furchtbaren Krieger entledigen. Sie betraten also den Kern der Finsternis. Den Ritter Triodes erlegte dort ein Schuß Antimaterie aus einer Donnerbüchse. Vielleicht jagte dort just ein Kybergreenhorn, vielleicht war auch nur ein Selbstschuß für einen schweiflosen Kometen ausgelegt. Wie dem auch sei, Triodes verschwand, kaum daß er noch „Tuff!“ gerufen hatte, sein Lieblingswort, den Schlachtruf des Geschlechts. Heptodes aber strebte unentwegt weiter. Doch auch seiner harrte ein bitteres Ende. Er geriet mit seinem Schiff zwischen zwei Gravitationswirbel namens Scyntilia und Bachris. Die Bachris beschleunigt die Zeit, die Scyntilia aber verlangsamt sie. Und zwischen beiden gibt es eine Zone des Stillstands, wo die Augenblicke weder rückwärts noch vorwärts fließen. Lebendigen Leibes erstarb dort Heptodes. Und zusammen mit zahllosen Fregatten und Galionen anderer Astrodeure, Piraten und Nebelspalter verharrt er dort, ohne im mindesten zu altern, in der Stille und grausamen Langeweile, die da Ewigkeit heißt.Als solcherart die Heerfahrt der drei Selektrer geendet hatte, da sollte der siebte ausziehen und zog doch lang nicht aus: Perpetuan, Kybergraf von Blaa. Lang rüstete sich dieser Elektritter zum Krieg; immer schärfere Stromleiter legte er sich zu, immer schlagkräftigere Zünder, Werfer und Planierer. Besonnen, wie er war, wollte er an der Spitze einer treuen Gefolgschaft schreiten. Konquistadoren eilten zu seinen Fahnen und auch viele Roboter, die nichts zu roboten hatten und aus Arbeitslosigkeit das Kriegshandwerk wählten. Aus ihnen allen formierte Perpetuan eine feine Galaxenreiterei, eine schwere, dröhnende, gepanzerte namens Krawallerie und ein paar leichte Einheiten, wo die Tüpfelreiter dienten. Doch als er bedachte, daß er nun fortgehen sollte, in unbekannten Ländern sein Leben lassen und vielleicht in der erstbesten Pfütze mit Stumpf und Stiel verrosten, da knickten die eisernen Schenkel unter ihm ein, gräßliche Trauer überkam ihn, und er ging sofort wieder heim und vergoß unterwegs Topastränen der Beschämung und Traurigkeit. Denn er war ein vornehmer Herr mit einer Seele voll edler Kleinodien.
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