»Sie machen ihn schlechter als er ist.«
»Ich mache ihn schlecht? Ich lobe ihn. Tod und Täuschung stellen im Moment unsere einzige Hoffnung dar. Ich mache mir nur keine falschen Vorstellungen von seinen Methoden.«
»Sie sollten … sich mit irgend etwas beschäftigen«, schlug Yueh vor. »Verhindern Sie, daß sich in Ihren Gedanken solche morbiden …«
»Beschäftigen? Beschäftigung nimmt mir den größten Teil meines Lebens, Wellington … Ich bin die Sekretärin des Herzogs — und so stark beschäftigt, daß ich jeden Tag neue Dinge fürchten lerne; Dinge, die nicht einmal er bemerkt.« Sie preßte die Lippen aufeinander und sagte spröde: »Manchmal glaube ich, daß er mich nur wegen meiner Bene-Gesserit-Ausbildung erwählt hat.«
»Was wollen Sie damit sagen?« Yueh fühlte sich von dem zynischen Tonfall und der darin enthaltenen Bitterkeit, die er an ihr noch nie bemerkt hatte, tief betroffen.
»Glauben Sie nicht auch, Wellington«, fragte Jessica, »daß man einer Sekretärin, die einen liebt, etwas mehr vertrauen kann?«
»Dieser Gedanke ist Ihrer nicht würdig, Jessica.«
Der Tadel glitt wie von selbst über seine Lippen. Es gab für ihn keinen Zweifel, welche Gefühle der Herzog gegenüber seiner Konkubine hegte. Man brauchte nur darauf zu achten, mit welchen Blicken er sie bedachte.
Sie seufzte. »Sie haben recht. Es ist wirklich unwürdig.«
Sie schlang erneut die Arme um die Schultern und fühlte das verborgene Crysmesser, wie es gegen ihr Fleisch drückte und sie daran erinnerte, daß es einer unerfüllten Funktion diente.
»Es wird bald Blutvergießen geben«, fuhr sie fort, »denn die Harkonnens werden nicht eher ruhen, bevor nicht sie oder der Herzog vernichtet sind. Der Baron wird niemals vergessen, daß Leto, sein Cousin, von königlichem Blut ist; egal, welcher Seitenlinie er auch entstammt, während er selbst seinen Titel lediglich der MAFEA zu verdanken hat. Und das Gift, das sich in seinem Bewußtsein ausgebreitet hat, ist das Wissen, daß ein Atreides einen Harkonnen nach der Schlacht von Corrin der Feigheit bezichtigt hat.«
»Der alte Streit«, murmelte Yueh. Einen Moment lang durchzog der Haß seine Adern wie Säure. Der alte Streit hatte auch ihn ins Netz gezogen. Und er hatte Wanna getötet — oder sie der Gewalt und den Folterungen der Harkonnens ausgesetzt, die so lange andauern würden, bis ihr Mann seinen Auftrag erfüllt hatte. Der alte Streit war schuld daran, daß er nun ein Teil dieser Affäre war und ebenso die Atreides. Es war eine ungeheure Ironie des Schicksals, daß sich das Ende dieser Fehde ausgerechnet auf Arrakis abspielen mußte, auf dem Planeten, der hauptsächlich deswegen bekanntgeworden war, weil die auf ihm wachsende Melange das Leben verlängerte und die Gesundheit erhielt.
»Woran denken Sie?« fragte sie.
»Ich denke daran, daß das Gewürz auf dem freien Markt zur Zeit sechshundertzwanzigtausend Solaris per Dekagramm einbringt. Das ist eine Summe, für die man viele Dinge kaufen kann.«
»Hat die Habsucht nun auch Sie befallen, Wellington?«
»Es ist keine Habsucht.«
»Was denn?«
Er zuckte die Achseln. »Nutzlosigkeit.« Er blickte sie an. »Erinnern Sie sich daran, als Sie zum erstenmal den Geschmack des Gewürzes auf der Zunge spürten?«
»Es schmeckte wie Zimt.«
»Es schmeckt jedesmal anders«, führte Yueh aus. »Es ist wie eine lebende Substanz, die Ihnen jedesmal, wenn Sie es nehmen, ein anderes Gesicht präsentiert. Es nimmt Einfluß auf den Körper, der, wenn er einmal herausgefunden hat, daß das Gewürz gut für ihn ist, seinen Geschmack jedesmal anders empfindet. Das führt bis zu einer leichten Euphorie, und ist, wie das Leben selbst, nicht synthetisch herzustellen.«
»Es wäre vielleicht besser gewesen, wir hätten uns dem Zugriff des Imperiums entzogen und wären abtrünnig geworden«, warf Jessica plötzlich ein.
Sie hatte ihm nicht zugehört, stellte Yueh fest. Aber was sie gesagt hatte, führte ihn zu dem Gedanken: Sie hat recht. Aber warum hat sie nicht versucht, den Herzog davon zu überzeugen, daß dies der einzig gangbare Weg ist? Es wäre kein Problem für sie gewesen.
Schnell, bevor sie auf ein anderes Thema überwechseln konnte, sagte er: »Würden Sie es für eine Unverschämtheit halten … wenn ich Ihnen eine persönliche Frage stellte, Jessica?«
Wie unter einem unerklärlichen Schmerz drückte Jessica sich gegen den Fenstersims. »Natürlich nicht. Sie sind … mein Freund.«
»Warum haben Sie nie etwas unternommen, daß der Herzog Sie heiratet?«
Sie fuhr herum, starrte ihn an. »Etwas unternommen, daß er mich heiratet? Aber …«
»Ich hätte Ihnen diese Frage nicht stellen sollen«, entschuldigte sich Yueh.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das hat politische Gründe. Solange der Herzog unverheiratet bleibt, besteht für eine Reihe anderer Hoher Häuser noch immer die Möglichkeit, zu einer Allianz zu kommen. Und …« Sie seufzte. »… Leute gegen ihren Willen zu etwas zu zwingen ist ein zynischer Verstoß gegen die Menschenrechte. Es würde jeden Betroffenen entwürdigen. Hätte ich ihn dazu gebracht, wäre das nicht aus seinem eigenen Antrieb geschehen. Es hätte alles nach Falschheit gerochen.«
»Diese Worte hätte ebenso Wanna sagen können«, murmelte er. Auch dies war eine Wahrheit. Yueh preßte eine Hand gegen seinen Mund und schluckte schwer. Er war dem Versuch, alles zu verraten und seine geheime Rolle offen auszusprechen, in diesem Moment näher als jemals zuvor.
Aber Jessica verhinderte mit ihren eigenen Worten, daß er es aussprach. »Nebenbei gesagt, Wellington, besteht der Herzog in Wahrheit für mich aus zwei Personen. Eine davon liebe ich sehr, denn sie ist charmant, witzig, aufopfernd und zärtlich und besitzt alles, was eine Frau in ihren Bann schlagen kann. Aber der andere Mann ist … eiskalt, gefühllos, fordernd, ichbezogen; beißend wie der Nordwind. Es ist der Mann, der nach seinem Vater schlägt.« Ihr Gesicht versteinerte sich. »Wäre der alte Herzog nur gestorben nach der Geburt seines Sohnes!«
In der sich nun entwickelnden Stille hätte man eine Stecknadel fallen hören.
Jessica nahm einen tiefen Atemzug und sagte: »Leto hatte recht. Die Räumlichkeiten hier sind viel hübscher als die anderen Sektionen des Hauses.« Sie sah sich um, ließ einen Blick durch das Zimmer schweifen. »Sie werden mich jetzt entschuldigen müssen, Wellington. Bevor ich endgültig festlege, wie die Aufteilung der Räume erfolgt, möchte ich noch einen Blick in die anderen Flügel des Gebäudes werfen.«
Yueh nickte. »Natürlich!« Und er dachte: Gäbe es doch nur einen Ausweg für mich!
Jessica ließ die Arme sinken, ging zur Tür hinüber und blieb dort einen Moment lang zögernd stehen, bevor sie hinausging. Die ganze Zeit während unseres Gesprächs hat er irgend etwas in sich unterdrückt und vor mir verborgen gehalten, dachte sie. Vielleicht wollte er mich nicht beunruhigen. Er ist ein guter Mann. Erneut hielt sie mitten im Schritt inne. Es drängte sie danach, zurückzugehen und ihn offen danach zu fragen. Aber das würde ihn nur beschämen, wenn er merkt, daß man seine Emotionen so leicht entschlüsseln kann. Ich sollte meinen Freunden mehr Vertrauen entgegenbringen.
Es ist vielen nicht verborgen geblieben, mit welcher Schnelligkeit sich Muad'dib den Erfordernissen Arrakis' anpaßte. Natürlich war die Ausbildung der Bene Gesserit dafür verantwortlich. Was andere Faktoren anbetrifft, so ist dazu zu sagen, daß Muad'dib deshalb so schnell lernte, weil seine Lektion beinhaltete, wie man effektiv Informationen sammelt. Es ist schockierend, festzustellen, wie viele Leute glauben, daß sie lernunfähig seien oder Informationen doch nur unter größten Schwierigkeiten sammeln können. Muad'dib war davon überzeugt, daß jede Erfahrung ihre eigene Lehre enthielt.
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