Ich bin zwar nur Chefarzt und kein grünschnäbeliger Diagnostiker wie Sie, Conway“, fügte er hinzu, „aber ich würde Thornnastor nicht zu lange warten lassen.“
„Danke“, erwiderte Conway. „Nehmen Sie FROB drei, und ich unterhalte mich dann mit FROB zehn.“
Im Gegensatz zu FROB dreiundvierzig gehörte FROB zehn derzeit dem männlichen Geschlecht an und sollte auf die emotionale Beeinflussung und auf gefühlsmäßige Argumente nicht so empfindlich wie die vorhergehende Patientin reagieren. Nebenbei hoffte Conway, Thornnastor würde nur wie gewöhnlich ungeduldig sein und es nicht wirklich eilig haben, ihn zu sehen.
Als er das Gespräch beendet hatte, befand er sich in viel schlechterer psychischer Verfassung als der Patient, der die ersten Schritte, sich mit seinem Los abzufinden, ohne allzu große Bekümmerung gemacht hatte — der wahrscheinliche Grund dafür war, daß er derzeit keine Lebensgefährtin hatte. Conway wollte seinen Kopf unbedingt von allen Dingen, die Hudlarer betrafen, frei machen, aber das erwies sich als äußerst schwierig. „Für zwei Hudlarer ohne Abwehrkräfte, die nicht auf ihrem Heimatplaneten leben, ist es theoretisch doch bestimmt möglich, sich ohne gegenseitige Gefährdung zu treffen, oder?“ erkundigte er sich bei Edanelt, als sie sich außer Hörweite der Patienten befanden. „Wenn bei beiden das Immunsystem ausgeschaltet ist, müßten sie von Krankheitserregern ihres Herkunftsplaneten frei sein, mit denen sie sich andernfalls gegenseitig infizieren würden. Vielleicht ist es möglich, regelmäßige Zusammenkünfte solcher Heimatlosen zu arrangieren, aus denen sich der Nutzen.“
„Eine nette Idee, die nicht nur von großer Gutherzigkeit, sondern auch, wenn ich das vielleicht mal so sagen darf, von großer Beschränktheit zeugt“, unterbrach ihn Edanelt. „Hätte nämlich einer der Heimatlosen eine angeborene Immunität gegen einen nicht direkt mit dem Abstoßungsprozeß in Verbindung stehenden Erreger, gegen den die übrigen Mitglieder der Gruppe nicht immun wären, dann befänden die sich in großer Gefahr. Aber versuchen Sie es mit der Idee doch einmal bei Thornnastor, der ist ja die anerkannte Autorität auf diesem Gebiet und wird Ihnen.“
„Thornnastor!“ rief Conway entsetzt. „Den hätte ich fast vergessen. Ist er schon.?“
„Nein“, antwortete Edanelt. „Aber O'Mara hatte hereingeschaut, um zu sehen, ob Sie bei den Gesprächen mit den Transplantationspatienten Hilfe benötigen. Mir hat er Ratschläge gegeben, wie ich an die Probleme von FROB drei herangehen sollte, aber er hat gesagt, Sie brauchten offensichtlich keine Hilfe, da Sie sich mit dem Patienten viel zu sehr zu amüsieren schienen, um gestört zu werden. Wollte er mit dieser Bemerkung seine Billigung zu verstehen geben oder nicht? Meiner Erfahrung aus der Arbeit mit terrestrischen DBDGs nach war das vermutlich einer der Fälle, in denen eine unrichtige Aussage in dem Glauben gemacht wird, der Zuhörer werde die gegenteilige Bedeutung für wahr halten. Aber ich begreife diese Form, die Sie Sarkasmus nennen, nicht.“
„Ob O'Mara etwas billigt oder nicht, weiß man nie, weil er immer unhöflich und sarkastisch ist“, bemerkte Conway trocken.
Trotzdem wurde ihm bei der Vorstellung, daß dem Chefpsychologen die Art und Weise, in der er das postoperative Gespräch mit FROB zehn geführt hatte, so sehr gefallen hatte, um ihn nicht einmal dabei zu stören, regelrecht warm ums Herz. Vielleicht hatte O'Mara aber auch geglaubt, Conway würde alles derart in den Sand setzen, daß sich der Chefpsychologe nicht getraut hatte, einem Diagnostiker auf Probe vor rangniedrigeren Personalangehörigen zu sagen, wie grenzenlos sich dieser irre.
Doch die Zweifel, die Conway verspürte, wurden von einem noch stärkeren Gefühl verdrängt, einem körperlichen Bedürfnis, das durch die plötzliche Erkenntnis bestärkt wurde, daß er in den letzten zehn Stunden nichts anderes als ein Sandwich zu essen gehabt hatte. Er begab sich rasch an das Computerterminal auf dieser Station und rief die Pläne mit den Dienstzeiten der warmblütigen sauerstoffatmenden Mitglieder des höheren Personals ab. Er hatte Glück: ihre Dienstpläne deckten sich.
„Würden Sie bitte Thornnastor anrufen und ihm ausrichten, daß ich mich mit ihm in dreißig Minuten in der Kantine treffen möchte?“ bat er Edanelt, bevor er die Station verließ.
Den leitenden Diagnostiker der Pathologie kannte Conway gut genug, um ihn von all den anderen Tralthanern, die in der Kantine saßen, unterscheiden zu können, und er war angenehm überrascht, Murchison am selben Tisch zu sehen. Wie üblich versorgte Thornnastor seine Assistentin mit dem neuesten Klatsch über andere Spezies, und die beiden waren darin so vertieft, daß sie nicht einmal bemerkten, als sich Conway zu ihnen an den Tisch gesellte.
„…bei einer Lebensform mit einer Körpertemperatur von nur ein paar Grad über dem absoluten Nullpunkt würde man den Trieb zur wahllosen Paarung nicht für wahrscheinlich oder auch nicht einmal für möglich halten“, polterte die Stimme des Tralthaners pedantisch aus dem Translator. „Aber glauben Sie mir, eine geringfügige Erhöhung der Körpertemperatur kann, selbst wenn sie versehentlich durch die Behandlung verursacht wird, bei den anderen anwesenden SNLU-Geschlechtern zu heftiger Erregung führen. Vier Geschlechter bei einer einzigen Spezies sind sowieso schon verwirrend, selbst wenn man ein SNLU-Band im Kopf gespeichert hat, und ein gewisser melfanischer Chefarzt — Sie wissen schon, wen ich meine — war gefühlsmäßig so durcheinander, daß er mit den Greifvorrichtungen seines Fahrzeugs die Bereitschaft signalisiert hat.“
„Ehrlich gesagt, Sir, sind meine Probleme von etwas anderer Natur.“, begann Murchison.
„Das ist mir klar“, unterbrach Thornnastor sie. „Aber wirklich, das scheint doch kein großes emotionales, physisches oder psychologisches Problem zu sein. Natürlich finde ich die Praktiken dieses Paarungsvorgangs persönlich abstoßend, bin aber dennoch bereit, die Angelegenheit nüchtern zu betrachten und Ihnen jeden Ratschlag zu geben, den ich geben kann.“
„Mein Problem ist die deutliche Erregung, die ich verspürt habe, während ich fünfmal hintereinander untreu gewesen bin“, sagte Murchison.
Die reden über uns! dachte Conway und spürte, wie sein Gesicht allmählich rot anlief. Doch die beiden waren immer noch zu sehr in ihr Gespräch vertieft, um ihn oder seine Verlegenheit zu bemerken.
„Dieses Thema werde ich gerne mit meinen Diagnostikerkollegen erörtern“, sprach Thornnastor schwerfällig weiter. „Vielleicht sind einige von ihnen auf ähnliche Schwierigkeiten gestoßen. Ich selbst natürlich nicht, denn wir FGLIs geben uns diesen Aktivitäten nur einen ganz kurzen Teil des tralthanischen Jahrs über hin, und in dieser Zeit ist die Betätigung. nun ja, eher von frenetischer Begeisterung geprägt und keinesfalls Gegenstand irgendwelcher scharfsinnigen Selbstanalysen.“ Einen Moment lang nahmen alle seine Augen einen verträumten Blick an. Dann fuhr er fort: „Jedenfalls deutet eine kurze Befragung meines terrestrischen Gehirnpartners darauf hin, daß sich DBDGs nicht mit unwichtiger und überflüssiger emotionaler Haarspalterei beschäftigen, sondern sich einfach entspannen und den Vorgang genießen. Ist der Paarungsvorgang für Sie trotz der leichten Unterschiede, die Sie eingangs erwähnt haben, noch immer angenehm und schön?. oh, hallo Conway!“
Thornnastor hatte das Auge, mit dem er zuvor die Mahlzeit betrachtet hatte, zu Conway nach oben geschwenkt und fuhr nun fort: „Wir haben gerade von Ihnen gesprochen. Offenbar stellen Sie sich sehr schnell auf die Probleme mit den vielen verschiedenen Gehirnpartnern ein, und gerade eben hat mir Murchison erzählt, daß Sie.“
„Ja“, bestätigte Conway schnell. Flehend blickte er in das eine Auge des Tralthaners und in die beiden von Murchison und fuhr fort: „Bitte, ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie diese ganz persönliche Angelegenheit mit niemand anderem besprechen würden.“
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