O'Mara verstummte und streckte, den Blick nach wie vor direkt auf Lioren gerichtet, eine Hand nach dem Kommunikator auf dem Schreibtisch aus. „Braithwaite, verlegen Sie die heutigen Verabredungen auf heute abend oder morgen früh. Gehen Sie aber diplomatisch vor; schließlich handelt es sich bei Edanelt, Cresk-Sar und Nestrommli um Chefärzte. Für die nächsten drei Stunden bin ich nicht hier.
Und jetzt, Lioren, rede ich, und Sie hören zu.“
„Die Umbauten an der Station, die für die Durchführung dieser Operation erforderlich sind, werden noch in dieser Stunde abgeschlossen sein, und das chirurgische Team hält sich schon bereit“, sagte Diagnostiker Conway laut genug zu Hellishomar, um über dem metallischen Lärm gewaltiger Ausrüstungsgegenstände, die an ihren Platz gebracht und an denen letzte Funktionskontrollen vorgenommen wurden, und den rufenden Stimmen hinweg verstanden zu werden. „Doch jede Untersuchung des Schädels bei einer neu entdeckten intelligenten Lebensform — und insbesondere bei einer Großlebensform wie Sie selbst — muß zwangsläufig eine Erforschung des Unbekannten darstellen und stellt einen hohen Risikofaktor dar. Aus anatomischen und medizinischen Gründen, nämlich aufgrund Ihrer schieren Körpergröße und Ihres Metabolismus, wird jegliche Einschätzung der benötigten Medikamentenmenge zur bloßen Raterei, so daß wir die Operation ohne Narkotika durchführen müssen.
Da solch ein Eingriff im vollkommenen Gegensatz zum üblichen Verfahren steht“, fuhr Conway in einem Ton fort, der alles andere als selbstsicher wirkte, „müssen sich Chefpsychologe O'Mara und ich davon überzeugen, daß es eher die psychologischen als die medizinischen Vorbereitungen sind, die wir abgeschlossen haben.“
Hellishomar sagte nichts. Wahrscheinlich hatte der Groalterri keine Ahnung von der lästigen Angewohnheit der Terrestrier, Fragen in Form von Aussagen zu stellen.
Bevor er fortfuhr, warf Conway einen raschen Blick auf die riesigen Öffnungen, die man ringsum in Boden, Decke und Wände geschnitten hatte, und auf die stark versteiften Träger für die Traktor- und Pressorstrahlenprojektoren, die über sie hinausragten. „Es ist unbedingt erforderlich, daß Sie sich während der Operation nicht bewegen, und Sie haben uns ja mehrmals versichert, daß Sie ruhig bleiben werden. Doch wenn man die Stärke der Schmerzen, die beim Eingriff verursacht werden, nicht kennt, und außerdem die Gefahr besteht, daß unsere Instrumente die Fortbewegungsmuskulatur stimulieren, wodurch unwillkürliche Körperbewegungen hervorgerufen werden könnten, ist das, bei allem Respekt, von einem Patienten, der bei vollem Bewußtsein ist, zu viel verlangt. Deshalb werden wir Sie durch den Einsatz breit gefächerter Traktor- und Pressorstrahlen vollkommen bewegungsunfähig machen, auch wenn das vielleicht, wie Sie uns versichert haben, gar nicht nötig ist.“
Einen Augenblick lang schwieg Hellishomar; dann sagte er: „Unter Betäubung werden von groalterrischen Messerheilern ohnehin keine Eingriffe vorgenommen, deshalb würde ich weder Ihre Vorgehensweise als anomal betrachten noch die Beschwerden, die mit dem wichtigen Zugangseinschnitt zusammenhängen. Außerdem haben Seldal, Lioren und Sie selbst mir versichert, bei den meisten Lebensformen, mit denen Sie medizinische Erfahrung haben, tiefe Eingriffe im Schädelbereich vornehmen zu können, ohne Beschwerden zu verursachen, da der durch die Dicke der Schädeldecke gewährte Schutz den Einsatz von Schmerzsensoren im Gehirn selbst überflüssig macht.“
„Das stimmt“, bestätigte Conway. „Doch die groalterrische Lebensform ist anders als alle anderen Spezies, mit denen das Orbit Hospital Erfahrung hat, darum ist nicht sicher, ob diese Umstände auch für Sie gelten.
Ein weiterer und wichtigerer Grund, weshalb wir keine Betäubungsmittel einsetzen, ist der, daß wir gezwungen sind, Sie während der Operation von Zeit zu Zeit um einen Bericht über die subjektiven Auswirkungen unseres Eingriffs zu bitten“, fuhr der Diagnostiker fort, bevor Hellishomar etwas sagen konnte. „Die hohe Strahlungsstärke des Scanners, die wir benötigen, um den Schädel zu durchdringen und das Innere zu erfassen und graphisch darzustellen, wird sich, auch wenn sie an sich harmlos ist, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die dortigen Nervennetze auswirken und zu einem.“
„All das hat mir bereits Lioren erklärt“, unterbrach ihn Hellishomar plötzlich.
„Und ich erkläre es Ihnen noch einmal, weil ich die Operation durchführe und mir absolut sicher sein muß, daß sich der Patient aller Risiken voll und ganz bewußt ist“, entgegnete Conway. „Ist das bei Ihnen der Fall?“
„Ja.“
„Na gut“, gab Conway nach. „Gibt es sonst noch etwas, das Sie über den Eingriff wissen wollen? Oder irgend etwas, das Sie sagen oder tun möchten, wozu auch durchaus gehören könnte, daß Sie Ihre Meinung ändern und die Operation lieber ganz absagen wollen? Denn das könnten Sie immer noch tun, ohne in unseren Augen an Selbstachtung zu verlieren. Offen gesagt, würde ich das sogar für eine kluge Entscheidung halten.“
„Ich habe zwei Bitten“, antwortete Hellishomar prompt. „Bald werde ich die erste Schädeloperation erleben, die jemals an einem Mitglied meiner Spezies vorgenommen worden ist. Sowohl als Messerheiler als auch als Patient bin ich an dem Eingriff höchst interessiert, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir während der Operation über einen Kanal des Translators Ihre Maßnahmen und die Gründe dafür beschreiben würden. Auf einem anderen Kanal werde ich mich gleichzeitig vielleicht mit Lioren unterhalten müssen, aber in vertraulichem Rahmen. Falls dieses Gespräch notwendig wird, darf niemand im Hospital unseren Wortwechsel mithören. Das ist meine zweite und wichtigere Bedingung.“
Sowohl der Diagnostiker als auch der Chefpsychologe wandten sich um und blickten Lioren an. Er hatte die beiden bereits vorgewarnt, daß Hellishomar einen derartigen Wunsch äußern und sich keineswegs mit einer abschlägigen Antwort abfinden würde.
In beruhigendem Ton sagte Conway: „Ich beabsichtige ohnehin, alle operativen Maßnahmen zu kommentieren und Bild und Ton für Ausbildungszwecke aufzuzeichnen, deshalb gibt es keinen Grund, weshalb Sie das nicht mithören sollten. Eine zweite Sprechverbindung können wir Ihnen ebenfalls zur Verfügung stellen, allerdings werden Sie die nicht selbst kontrollieren können, weil Ihre Greiforgane für den Betätigungsmechanismus zu groß sind. Ich schlage vor, beide Kanäle von Lioren steuern zu lassen und allen vertraulichen Mitteilungen, die Sie Lioren zu machen haben, seinen Namen voranzustellen, damit dann alle anderen von dem Gespräch ausgeschlossen werden können. Wäre das eine zufriedenstellende Lösung?“
Hellishomar antwortete nicht.
„Daß die Intimsphäre für Sie in solchen Momenten von großer Bedeutung sein kann, verstehen wir“, mischte sich plötzlich O'Mara ein, wobei er auf eins der gewaltigen geschlossenen Augen des Patienten blickte. „Als Chefpsychologe dieser Einrichtung besitze ich praktisch die Machtbefugnis eines Elternteils. Ich kann Ihnen versichern, Hellishomar, daß Ihre zweite Sprechverbindung privat und abhörsicher sein wird.“
Die Neugier des Chefpsychologen auf das, worüber Hellishomar und Lioren gesprochen hatten und noch sprechen würden, war einerseits persönlich, andererseits berufich, vor allem aber ungeheuer groß. Doch selbst wenn in O'Maras Stimme Enttäuschung mitgeschwungen hatte, war sie in der Übersetzung durch den Translator verlorengegangen.
„Dann wäre es mir lieb, wenn es jetzt mit möglichst wenig Verzögerung weitergehen würde, damit ich letztendlich nicht doch noch Diagnostiker Conways guten Rat befolge und meine Meinung ändere“, drängte Hellishomar.
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