»Ein Markierungsgerät?« fragte Lizbeth.
»Ja, ein Gerät, das unsere Spur kennzeichnete. Man hat uns verfolgt.«
»Oh!« stöhnte Lizbeth und legte eine Hand über den Mund.
»Ich weiß nicht, wie nahe sie uns gekommen sind«, fuhr Glisson fort. »Man hat mich für diese Aufgabe geändert, und einige meiner Geräte blieben daher zurück. Vielleicht wissen sie, wo wir uns jetzt gerade aufhalten.«
Harvey schüttelte verständnislos den Kopf. »Weshalb sind …«
»Weshalb sie nicht gegen uns vorgegangen sind?« fragte Glisson. »Das ist doch klar. Sie hoffen, daß wir sie ins Zentrum unserer Organisation fuhren.« Etwas wie Wut erschien auf Glissons Gesicht. »Vielleicht können wir sie aber überraschen.«
Die Instrumente im großen Kontrollraum waren verhältnismäßig ruhig. Calapine und Schruille saßen auf ihren Thronen. Die Tribüne drehte sich langsam, so daß sie den ganzen Raum überblicken konnten. Die Kaleidoskopfarben der Instrumente, grüne, rote und purpurne Lichtflecke, spielten eine einschläfernde Melodie.
Calapine war müde vor Selbstmitleid. Die Enzymanalysatoren schienen nicht in Ordnung zu sein. Vielleicht war es der Untergrundbewegung gelungen, die pharmazeutischen Computer zu stören.
Schruille hatte zu dieser Überlegung nur gelacht.
Auf Calapines Bildschirm erschien Allgoods Gesicht. Sie hielt die Tribüne an, als er sich verbeugte. »Ich melde mich zum Bericht, Calapine«, sagte er. Sie bemerkte die dunklen Ringe um seine Augen und erkannte die durch Drogen gestützte Spannkraft an der steifen Haltung seines Kopfes.
»Hast du sie gefunden?« fragte Calapine.
»Sie sind irgendwo im Wildnisgebiet, Calapine«, antwortete er. »Sie müssen dort sein.«
»Müssen!« fauchte sie. »Du bist ein närrischer Optimist, Max.«
»Wir kennen einige ihrer Verstecke, Calapine.«
»Für jedes, das du kennst, haben sie neun, die du nicht kennst.«
»Das ganze Gebiet ist eingekreist, Calapine. Wir rücken langsam vor und untersuchen jeden Fußbreit Boden. Sie sind dort, und wir werden sie finden.«
»Er plappert Unsinn«, sagte sie und sah Schruille an.
Schruille lachte höhnisch und musterte Max durch seinen Reflektor. »Max, hast du herausgefunden, woher der Ersatzembryo stammt?«
»Noch nicht, Schruille.« Verwirrt über den militärischen Befehlston und die Heftigkeit seiner Regenten blickte er hinauf.
»Suchst du in Seatac?« fragte Calapine.
Allgood fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen.
»Heraus damit!« schrie sie. Ach, diese Angst in seinen Augen … »Wir suchen dort, Calapine, aber…«
»Du glaubst also, wir seien zu voreilig gewesen?« fauchte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»Du benimmst dich seltsam«, warf Schruille ein. »Hast du Angst vor uns?«
»Ja, Schruille«, gab er zögernd zu.
»Ja, Schruille!« höhnte Calapine.
Er sah sie an. Die Furcht in seinen Augen wurde zur Wut. »Ihr wißt, Calapine, daß ich alles tue, was mir möglich ist.«
Sie fühlte eine gewisse Entschlossenheit in ihm, und sie staunte darüber. War das möglich? Hatte Schruille das auch beobachtet?
»Max, warum hast du dich bei uns gemeldet?« fragte Schruille.
»Ich … um zu berichten, Schruille.«
»Du hast aber gar nichts berichtet.«
Zögernd griff Calapine zu ihren Instrumenten, um Max einer besonderen Prüfung zu unterziehen. Schrecken mischte sich mit Zorn. Cyborg! Man hatte Max, ihren Max, entweiht und geschändet!
»Du!« zischte Calapine. »Wie kannst du es wagen? Warum, Max?«
»Was ist denn?« fragte Schruille.
Aber im Schockmoment ihrer Frage hatte Allgood bemerkt, daß man ihn entdeckt hatte. In ihren Augen las er, daß dies sein Ende war. »Ich sah … ich fand die Doppelgänger«, stammelte er.
Ärgerlich drehte sie den Ring an der Armlehne ihres Thrones. Sonische Erschütterungen hüllten Max ein, verwischten das Bild seines Gesichtes. Lautlos bewegten sich seine Lippen. Er brach zusammen.
»Warum hast du das getan?« fragte Schruille.
»Er war ein Cyborg!« kreischte sie und deutete auf ihre Instrumente.
»Max?« Er musterte die Instrumente und nickte. »Aber er hat dich geliebt und verehrt.«
»Und jetzt tut er nichts dergleichen mehr«, flüsterte sie. Sie schaltete den Bildschirm ab und starrte ihn an. Der ganze Vorfall begann schon ihrem Gedächtnis zu entschwinden.
»Liebst du … direkte Aktionen?« fragte Schruille.
Was sollte das nun wieder heißen? Das klang wie eine Aufforderung zur Gewalttat.
»Wir haben jetzt keinen Max mehr«, fuhr Schruille fort.
»Wir können doch einen anderen Doppelgänger aufwecken«, entgegnete sie. »Im Augenblick kommt der Sicherheitsdienst auch ohne ihn aus.«
»Wer sollte es denn tun? Igan und Boumour sind nicht mehr bei uns.«
»Was hält Nourse so lange auf?«
»Enzymschwierigkeiten«, erklärte Schruille, und das klang ganz nach Schadenfreude.
»Nourse kann den Doppelgänger erwecken«, meinte sie eigensinnig. Warum brauchte sie eigentlich einen Doppelgänger? Ach ja, Max war weg.
»Die neuen Doppelgänger sind aber nicht so gut wie die alten«, wandte Schruille ein. »Außerdem muß der neue Max erst für seine Rolle geschult und vorsichtig darauf eingestellt werden. Das kann Monate, sogar Jahre dauern.«
»Solange kann einer von uns den Sicherheitsdienst leiten«, meinte sie.
»Glaubst du, das bringen wir fertig?« zweifelte Schruille.
»Es ist ziemlich aufregend, Entscheidungen zu fällen«, antwortete sie. »Ich muß schon sagen, die letzten paar hundert Jahre haben mich entsetzlich gelangweilt. Jetzt fühle ich mich wieder lebendig, tatkräftig, fasziniert.« Sie warf einen Blick zu den Spionen hinauf. »Und dabei bin ich nicht allein.«
»Lebendig …«, murmelte Schruille. »Aber Max ist… tot.«
»Jeder Max kann ersetzt werden.« Sie sah Schruille an. »Du sprichst heute aber außerordentlich roh«, tadelte sie. »Soviel ich mich erinnere, hast du heute schon zweimal vom Tod gesprochen.«
»Roh?« meinte er erstaunt. »Ich habe doch Max nicht ausradiert?«
Sie lachte laut. »Meine eigenen Reaktionen erregen mich, Schruille.«
»Und hat sich dein Enzymbedarf geändert?«
»Ein wenig. Und wenn schon, die Zeiten ändern sich auch. Das gehört zum Dasein. Es verlangt Anpassung.«
»Ja, wirklich«, pflichtete er ihr bei.
»Wo bekamen sie nur den Ersatz für den Durantembryo her?«
»Vielleicht kann das der neue Max entdecken … Oder … willst du einen ganz neuen Max schaffen?«
»Spotte nicht über mich, Schruille.«
»Das würde ich nicht wagen … Vielleicht haben sie einen eigenen Ersatzembryo gezeugt.«
»Wie denn, bei allem, was uns heilig ist?«
»Man kann das empfängnisverhütende Gas aus der Luft filtern«, schlug er vor.
»Du bist einfach ekelhaft, Schruille.«
»Wirklich? Ich überlege mir die ganze Zeit, was Potter verborgen hielt. Er widmete sein ganzes Leben der Erhaltung des Lebens. Aber was hat er in sich verschlossen gehalten?«
»Potter ist nicht mehr … Meinst du, er kannte die Quelle des … der Einwirkung von außen her?«
»Vielleicht. Und er wüßte auch, wo ein neuer Embryo zu finden wäre.«
»Dann läßt sich auch die Quelle feststellen.«
»Ich überlege gerade …«
»Nicht möglich«, sagte sie und sah in ihr Prisma.
»Daß ich überlege?«
»Nein, das, was du denkst. Du weißt, was ich meine.«
»Es ist aber möglich, Cal. Du als weibliches Wesen solltest eine solche Möglichkeit nicht so starrköpfig abstreiten.«
»Du bist wirklich widerlich.«
»Wir wissen, wo Potter einen lebensfähigen Keimling fand. Dort muß es viele davon geben, männlich und weiblich. Aus der Geschichte kennen wir die Kapazitäten eines solchen rohen Zusammenschlusses. Das ist ein Teil unserer natürlichen und wirklichen Herkunft.«
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