Illyan starrte ausdruckslos brütend auf seine Komkonsole, dann blickte er plötzlich auf. »Miles, wie hast du von General Metzovs fragwürdigen Aktionen während der Komarr-Revolte erfahren? Dieser Fall war geheim.«
»Ach … hat Ivan Ihnen nichts über die kleine undichte Stelle in den Dateien des Sicherheitsdienstes erzählt?«
»Was?«
Zum Teufel mit Ivan. »Darf ich mich setzen, Sir?«, sagte er schwach.
Der Raum schwankte, in seinem Kopf hämmerte es. Ohne auf Erlaubnis zu warten, setzte er sich mit überkreuzten Beinen auf den Boden und blinzelte. Sein Vater machte eine besorgte Bewegung in seine Richtung, hielt sich dann aber zurück.
»Ich überprüfte Metzovs Hintergrund wegen einer Sache, die Leutnant Ahn angedeutet hatte. Übrigens, wenn Sie sich mit Metzov befassen, dann empfehle ich nachdrücklich, als erstes Ahn unter Schnell-Penta zu verhören. Er weiß mehr, als er gesagt hat. Sie werden ihn irgendwo am Äquator finden, nehme ich an.«
»Meine Dateien, Miles.«
»Ach ja, nun gut, es stellte sich heraus, wenn man eine gesicherte Konsole mit einer nach draußen gehenden Konsole konfrontiert, dann kann man von überall im Vidnetz Sicherheitsdateien lesen. Natürlich braucht man jemanden im Hauptquartier, der die Konsolen ausrichten kann und will und der die Dateien aufruft. Und man kann dabei nicht Daten direkt übertragen. Aber ich dachte, das sollten Sie wissen, Sir.«
»Perfekte Sicherheit«, sagte Graf Vorkosigan mit erstickter Stimme.
Glucksend, wie Miles verblüfft erkannte.
Illyan schaute drein, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.
»Wie hast du das«, begann Illyan, hielt dann inne und warf einen wütenden Blick auf den Grafen, dann begann er erneut: »Wie hast du das herausgefunden? «
»Es war offensichtlich.«
»Hermetische Sicherheit, haben Sie gesagt«, murmelte Graf Vorkosigan, der erfolglos ein kicherndes Lachen zu unterdrükken suchte. »Das teuerste System, das je entworfen wurde. Gesichert gegen die cleversten Viren, gegen die raffiniertesten Abhörgeräte. Und zwei Fähnriche knacken es ganz einfach?«
Pikiert versetzte Illyan: »Ich habe nicht versprochen, daß es idiotensicher ist!«
Graf Vorkosigan wischte seine Augen und seufzte. »Ach, der menschliche Faktor. Wir werden den Defekt korrigieren, Miles. Danke!«
»Du bist eine verdammt lockere Kanone, Junge, und feuerst in alle Richtungen«, knurrte Illyan und reckte seinen Hals, um über seinen Schreibtisch hinweg Miles anzusehen, der als Häufchen Elend auf dem Boden saß. »Dafür, zusätzlich zu deiner früheren Eskapade mit diesen verdammten Söldnern, zusätzlich zu all dem anderen … — Hausarrest reicht da nicht aus. Ich werde nicht ruhig schlafen können, solange du nicht in einer Zelle eingesperrt bist, mit den Händen hinter dem Rücken gefesselt.«
Miles, der dachte, er könnte jetzt für eine anständige Stunde Schlaf einen Mord begehen, war nur zu einem Achselzucken fähig. Vielleicht konnte man Illyan dazu überreden, daß er ihn bald in diese nette ruhige Zelle gehen ließ.
Graf Vorkosigan war in Schweigen verfallen, seine Augen begannen seltsam und nachdenklich zu glimmen. Auch Illyan bemerkte dies und machte eine Pause.
»Simon«, sagte Graf Vorkosigan, »es gibt keinen Zweifel, der Sicherheitsdienst wird Miles auch weiterhin zu beobachten haben. Um seinetwillen ebenso wie um meinetwillen.«
»Und um den Kaisers willen«, warf Illyan mürrisch ein. »Und um Barrayars willen. Und um der unschuldigen Zuschauer willen.«
»Aber welche bessere, direktere und effektivere Methode gibt es für den Sicherheitsdienst, ihn zu überwachen, als wenn man ihn zum Sicherheitsdienst versetzt?«
»Was?«, sagten Illyan und Miles gleichzeitig, im gleichen scharfen, entsetzten Ton.
»Sie meinen das nicht im Ernst«, fuhr Illyan fort, und Miles fügte hinzu: »Der Sicherheitsdienst stand nie auf meiner Wunschliste der zehn liebsten Aufgaben.«
»Es geht nicht um Wunsch, sondern um Eignung. Major Cecil hat es einmal mit mir diskutiert, wie ich mich erinnere. Aber wie Miles sagt, hat er das nicht auf seine Liste gesetzt.«
Wetterbeobachtung in der Arktis hatte er auch nicht auf seine Liste gesetzt, erinnerte sich Miles.
»Sie hatten vorhin recht«, sagte Illyan. »Kein Kommandant in den Streitkräften wird ihn jetzt wollen. Dabei schließe ich mich nicht aus.«
»Es gibt keinen, auf den ich moralischen Druck ausüben könnte, ihn zu übernehmen. Außer Sie selbst. Ich habe mich immer« — auf Graf Vorkosigans Gesicht erschien ein eigenartiges Grinsen — »auf Sie verlassen, Simon.«
Illyan sah leicht verwirrt drein, wie ein Spitzentaktiker, der einzusehen beginnt, daß er sich selbst ausmanövriert hat.
»Das läuft auf verschiedenen Ebenen«, fuhr Graf Vorkosigan mit derselben sanften, überredenden Stimme fort. »Wir können das Gerücht verbreiten, daß es sich um eine inoffizielle interne Verbannung handelt, um unehrenhafte Degradierung. Das wird meine politischen Feinde befriedigen, die sonst versuchen würden, Profit aus dem Schlamassel zu ziehen. Es wird den Eindruck mildern, daß wir eine Meuterei durchgehen lassen, was sich kein Militär leisten kann.«
»Echte Verbannung also«, sagte Miles, »wenn auch inoffiziell und intern.«
»O ja«, stimmte Graf Vorkosigan sanft zu. »Aber … tja — keine echte Ungnade.«
»Kann man sich auf ihn verlassen?«, sagte Illyan zweifelnd.
»Anscheinend.« Das Lächeln des Grafen war wie das Aufblitzen einer Messerklinge. »Der Sicherheitsdienst kann seine Talente nutzen. Mehr als alle anderen Bereiche braucht der Sicherheitsdienst seine Talente.«
»Um zu sehen, was offensichtlich ist?«
»Und was weniger offensichtlich ist. Vielen Offizieren kann man das Leben des Kaisers anvertrauen. Ziemlich wenigen seine Ehre.«
Illyan machte widerstrebend eine vage Geste der Einwilligung.
Graf Vorkosigan bemühte sich — vielleicht klugerweise — zu diesem Zeitpunkt nicht, mehr Begeisterung in seinem Sicherheitschef zu wecken, sondern wandte sich an Miles und sagte: »Du siehst aus, als müßtest du auf die Krankenstation.«
»Ich brauche ein Bett.«
»Was hältst du von einem Bett auf einer Krankenstation?«
Miles hustete und blinzelte mit trüben Augen. »Ja, geht in Ordnung.«
»Los, suchen wir eins.«
Miles stand auf und wankte an seines Vaters Arm hinaus, wobei seine Füße in ihren Plastikumhüllungen patschten.
»Von alldem abgesehen, wie war es auf Kyril, Fähnrich Vorkosigan?«, forschte der Graf. »Du hast nicht viele Vidbotschaften nach Hause geschickt, wie deine Mutter feststellte.«
»Ich war beschäftigt. Laß mal sehen. Das Klima war hart, der Boden war lebensgefährlich, ein Drittel der Mannschaft, mein unmittelbarer Vorgesetzter eingeschlossen, war die meiste Zeit besoffen. Der durchschnittliche Intelligenzquotient entsprach der mittleren Temperatur in Grad Celsius, es gab keine Frau im Umkreis von fünfhundert Kilometern, und der Kommandant der Basis war ein mörderischer Psychopath. Von alldem abgesehen war es — nett.«
»Hört sich nicht an, als hätte es sich seit fünfundzwanzig Jahren auch nur im geringsten verändert.«
»Bist du schon einmal dort gewesen?« Miles schielte zu seinem Vater. »Und doch hast du mich dorthin schicken lassen?«
»Ich war einmal fünf Monate lang Kommandant von Basis Lazkowski, als ich darauf wartete, Kapitän des Raumkreuzers General Vorkraft zu werden. Während jener Zeit war meine Karriere politisch sozusagen im Niedergang begriffen.«
Sozusagen. »Wie hat es dir gefallen?«
»Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Ich war die meiste Zeit betrunken. Jeder findet seine eigene Methode, um mit Camp Permafrost fertigzuwerden. Ich möchte meinen, dir ist es besser gelungen als mir.«
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