Miles’ Worte machten Wirkung auf Metzov, er hatte angebissen, Miles konnte es daran sehen, wie das rote Glühen in den zusammengekniffenen Augen nachließ, wie sich dieser so überaus starre Nacken leicht beugte. Miles mußte nur noch mehr Angelschnur geben, durfte nur nicht daran rucken und damit Metzovs Kampfeswut wieder wecken, warten …
Metzov trat näher, eine dunkle Gestalt in dem Halblicht, von seinem Atemdampf wie von einem Heiligenschein umgeben. Er sprach leiser, nur für Miles’ Ohren hörbar: »Eine schlappe Antwort, typisch Vorkosigan. Ihr Vater war schlapp mit dem Abschaum von Komarr. Das kostete uns Tote. Der kleine Sohn des Admirals vor dem Kriegsgericht — das könnte diesen scheinheiligen Scheißkerl fertigmachen, was?«
Miles schluckte eisige Spucke. Die ihre Geschichte nicht kennen, purzelten seine Gedanken, sind dazu verurteilt, sie fortzusetzen. Leider waren dazu auch die verurteilt, die sie kannten, so schien es.
»Verbrennen Sie das verdammte Fetain«, flüsterte er heiser, »und gehen Sie dann.«
»Ihr steht alle unter Arrest«, brüllte Metzov plötzlich und zog seine Schultern zusammen, »zieht euch an!«
Die anderen blickten ganz überwältigt vor Erleichterung drein. Nach einem letzten unsicheren Blick auf die Nervendisruptoren stürzten sie sich auf ihre Kleider und zogen sie hastig mit kältestarren Händen an. Aber Miles hatte das Ende sechzig Sekunden früher in Metzovs Augen gesehen. Es erinnerte ihn an jene Definition seines Vaters: Eine Waffe ist ein Gerät, mit dem du deinen Feind dazu bringst, sich anders zu besinnen. Der Geist war das erste und letzte Schlachtfeld, alles dazwischen war nur Getöse.
Leutnant Yaski hatte die Gelegenheit ergriffen, die Miles’ aufmerksamkeitheischender nackter Auftritt auf der Szene geboten hatte, um still ins Verwaltungsgebäude zu verschwinden und ein paar hektische Anrufe zu machen. Als Ergebnis davon trafen der Kommandant der Rekruten, der Sanitätsoffizier und Metzovs Stellvertreter ein, darauf vorbereitet, Metzov zu überreden oder vielleicht zu sedieren und einzusperren. Aber zu diesem Zeitpunkt waren Miles, Bonn und die Techniker schon wieder angezogen und marschierten stolpernd unter den Argusaugen der Nervendisruptoren zum Arrestbunker.
»S-soll ich Ihnen d-dafür d-danken?«, fragte Bonn Miles mit klappernden Zähnen. Ihre Hände und Füße waren wie gelähmte Klumpen. Bonn stützte sich auf Miles, Miles hängte sich an ihn hin, und zusammen humpelten sie die Straße entlang.
»Wir haben bekommen, was wir wollten, oder? Er wird das Fetain mit Plasma an Ort und Stelle vernichten lassen, bevor sich der Wind am Morgen dreht. Niemand stirbt. Niemand bekommt seine Eier aufgedröselt. Wir gewinnen. Glaube ich.«
Miles lachte krächzend mit tauben Lippen.
»Ich hatte nie geglaubt«, keuchte Bonn, »daß ich mal jemanden treffen würde, der noch verrückter ist als Metzov.«
»Ich habe nichts anderes getan als Sie«, protestierte Miles, »außer daß ich es zum Funktionieren gebracht habe. Sozusagen. Am Morgen wird sowieso alles anders aussehen.«
»Ja. Schlimmer«, prophezeite Bonn düster.
Miles ruckte auf seiner Pritsche aus einem unruhigen Schlummer hoch, als die Tür sich quietschend öffnete. Man brachte Bonn zurück.
Miles rieb sein unrasiertes Gesicht. »Wie spät ist es da draußen, Leutnant?«
»Morgendämmerung.« Bonn sah genauso bleich, stoppelbärtig und kriminell elend aus, wie Miles sich fühlte. Er ließ sich mit einem gequälten Grunzen auf seiner Pritsche nieder.
»Was geht da draußen vor sich?«
»Leute von der Sicherheitsabteilung der Streitkräfte sind überall. Sie haben einen Hauptmann vom Festland eingeflogen. Er ist gerade eingetroffen und hat anscheinend die Leitung. Metzov wird ihm die Ohren vollquatschen, glaube ich. Bisher sammeln sie nur Aussagen.«
»Kümmert man sich um das Fetain?«
»Ja.« Bonn kicherte grimmig. »Man hatte mich gerade geholt, um es zu überprüfen und die Sache als erledigt abzuhaken. Aus dem Bunker wurde ein hübscher kleiner Backofen, na ja.«
»Fähnrich Vorkosigan, Sie werden verlangt«, sagte der Sicherheitsmann, der Bonn abgeliefert hatte. »Kommen Sie jetzt mit.«
Miles stand auf und hinkte zur Zellentür.
»Bis später, Leutnant.«
»In Ordnung. Wenn Sie dort draußen irgend jemanden mit einem Frühstück treffen, dann benutzen Sie Ihren politischen Einfluß und schicken Sie ihn zu mir, ja?«
Miles grinste trübe. »Ich werde es versuchen.«
Er folgte dem Wächter durch den kurzen Korridor des Gefängnisses.
Das Militärgefängnis von Basis Lazkowski war nicht genau das, was man eine Hochsicherheitseinrichtung nennen würde, sondern eher ein Unterkunftsbunker mit Türen, die man nur von außen absperren konnte, und ohne Fenster. Das Wetter stellte gewöhnlich eine bessere Wache dar als eine Abschirmung durch eine Mannschaft, nicht zu vergessen der 500 km breite Eiswassergraben rings um die Insel.
Im Sicherheitsbüro der Basis herrschte an diesem Morgen Hochbetrieb. Zwei grimmig aussehende Fremde standen wartend vor der Tür, ein Leutnant und ein großer Sergeant mit dem Horusauge, dem Abzeichen des Kaiserlichen Sicherheitsdienstes, auf ihren gepflegten Uniformen.
Kaiserlicher Sicherheitsdienst, nicht Sicherheitsabteilung der Streitkräfte. Miles’ höchst persönlicher Sicherheitsdienst, der seine Familie durch das ganze politische Leben seines Vaters hindurch bewacht hatte. Miles betrachtete die Männer mit besitzergreifender Freude.
Der Schreiber des Sicherheitsbüros sah besorgt aus, seine Schreibtischkonsole war beleuchtet und blinkte.
»Fähnrich Vorkosigan, Sir, ich brauche Ihren Händeabdruck hier drauf.«
»In Ordnung. Was unterzeichne ich denn da?«
»Nur den Reisebefehl, Sir.«
»Was? Aha …« Miles stockte und hielt seine Hände hoch, die in Plastikhandschuhen steckten. »Welche?«
»Die rechte dürfte genügen, Sir.«
Mit einer gewissen Schwierigkeit schalte Miles mit seiner unbeholfenen linken Hand den rechten Handschuh herunter. Auf seiner Hand schimmerte das medizinische Gel, das die Erfrierungen heilen sollte. Seine Hand war geschwollen, rot gefleckt und sah entstellt aus, aber es mußte gehen. Alle seine Finger krümmten sich jetzt. Er mußte dreimal seine Handfläche auf das Identifikationsfeld drücken, bis der Computer ihn erkannte.
»Jetzt die Ihre, Sir«, der Schreiber nickte dem Leutnant vom Kaiserlichen Sicherheitsdienst zu. Der legte seine Hand auf das Feld, und der Computer piepste zustimmend. Der Leutnant hob seine Hand, blickte verwirrt auf die klebrige Schicht und sah sich vergeblich nach einem Handtuch um. Schließlich wischte er die Hand verstohlen an seiner Hosennaht ab, direkt hinter seinem Halfter mit dem Betäuber.
Der Schreiber tupfte mit seinem Uniformärmel nervös auf das Identifikationsfeld und drückte einen Knopf auf seiner Gegensprechanlage.
»Bin ich froh, euch zu sehen«, sagte Miles zu dem Sicherheitsoffizier. »Ich wünschte, ihr wäret schon gestern abend hier gewesen.«
Der Leutnant erwiderte das Lächeln nicht. »Ich bin nur ein Kurier, Fähnrich. Ich darf Ihren Fall nicht erörtern.«
General Metzov kam durch die Tür aus dem inneren Büro, ein Bündel Plastikfolien in der Hand und einen Hauptmann der Sicherheitsabteilung neben sich, der seinem Kollegen von der kaiserlichen Seite bedächtig zunickte.
Der General lächelte fast. »Guten Morgen, Fähnrich Vorkosigan.« Sein Blick nahm die Leute von Kaiserlichen Sicherheitsdienst ohne Entsetzen zur Kenntnis.
Verdammt, die Sicherheitsleute müßten eigentlich diesen Beinahemörder in seinen Kampfstiefeln erzittern lassen.
»Es sieht so aus, als sei da eine Wendung in diesem Fall, die nicht einmal ich vorhergesehen habe. Wenn ein Vor-Lord sich in eine militärische Meuterei verwickeln läßt, dann folgt automatisch eine Anklage wegen Hochverrats.«
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