„Um Himmels willen! Warum denn? Ich liebe Burt nicht. Oh, natürlich liebe ich ihn, weil er zu denen gehört, die mir vor einiger Zeit das Leben gerettet ha-ben. Und da habe ich ihm vorgestern nacht zu danken versucht — und er war auch ein gutes Heilmittel für mich. Ich brauchte ihn. Das ist aber kein Grund zu erwarten, daß Burt sich mir jede Nacht zuwendet — oder auch nur eine zweite Nacht.“
„Da hast du völlig recht, Freitag, aber nicht viele Frauen deines Alters können so nüchtern darüber denken.“
„Ach, ich weiß nicht; ich finde, es liegt auf der Hand. Du bist auch nicht gekränkt. Ist doch dasselbe.“
„Was meinst du?“
„Na, genau dasselbe. Vorgestern nacht schlief sie mit dir, gestern mit ihm. Scheint dich nicht weiter aufzuregen.“
„Warum sollte es das?“
„Sollte es auch nicht. Aber die Fälle liegen doch ähnlich.“ (Goldie, Schätzchen, bitte halt mich nicht für einen Dummkopf! Ich habe nicht nur dein Gesicht gesehen, sondern dich auch gerochen.) „Ehrlich gesagt, war ich ein bißchen überrascht. Ich hatte nicht gedacht, daß du dazu neigst. Bei Anna war mir das bekannt — und bei ihr war ich überrascht, daß sie Burt mit ins Bett nahm. Daß sie das tut, wußte ich nicht.
Mit Männern, meine ich. Wußte auch nicht, daß sie schon mal verheiratet war.“
„Oh. Ja, man kann es wohl so sehen. Aber bei uns liegt es etwa so ähnlich wie bei dir und Burt: Anna und ich lieben uns, seit Jahren schon — und manchmal findet das seinen Ausdruck im Bett. Aber wir ›lieben‹ uns nicht im anderen Sinne. Wir beide neigen im Grunde eher zu Männern — egal, was für einen Eindruck du neulich nacht gewonnen hast. Als Anna dirBurt praktisch aus den Armen riß, habe ich innerlich gejubelt, während ich mir gleichzeitig deinetwegen ein bißchen Sorgen machte. Aber nicht zu sehr, denn hinter dir ist ja stets ein ganzes Rudel Männer her während so etwas bei Anna in letzter Zeit selten geworden ist. Ich jubelte also. Ich rechnete natürlich nicht damit, daß es gleich zur Heirat führen würde aber es ist doch toll so! Hier ist die Goldene Orchidee — was kaufen wir?“
„Moment noch!“ Vor dem Blumenladen hielt ich sie am Arm fest. „Goldie — es gibt da einen Menschen der unter Lebensgefahr mit einer Bahre in das Schlafzimmer des Farmgebäudes stürmte. Meinetwegen.“
Goldie schaute mich gereizt an. „Da hat jemand sein Maul zu weit aufgerissen!“
„Ich hätte schon früher die Sprache darauf bringen sollen. Ich liebe dich. Mehr als Burt, denn meine Zuneigung zu dir ist älter. Ihn brauche ich nicht zu heiraten, dich kann ich nicht heiraten. Nur lieben. In Ordnung?“
Vielleicht heiratete ich Goldie doch noch, gewissermaßen. Sobald Anna und Burt formell verheiratet waren, kehrten wir ins Hotel zurück; Burt zog ins „Hochzeitsgemach“ um (kein Spiegel an der Decke die Einrichtung in Weiß und Rosa und nicht in Schwarz und Rot, doch ansonsten sehr ähnlich, nur viel teurer), während Goldie und ich das Hotel verließen und in der Nähe der Einmündung der Charleston Road in die Freemont Road ein kleines Haus mieteten. Hier wohnten wir in günstiger Nähe zu dem Rollsteig, der den Arbeitsmarkt mit der Stadt verbindet, außerdem hatte Goldie gute Verbindungen zu den Krankenhäusern, und ich konnte mühelos einkaufen. Wir hätten uns sonst einen Pferdewagen kaufen oder mieten müssen — oder Fahrräder.
Mag sein, daß die günstige Lage der einzige Vorteil war, den das Haus zu bieten hatte, für mich war es jedoch ein Flitterwochen-Häuschen wie aus einem Märchen. Natürlich war das Bild nicht komplett: es hatte keine Rosen über der Tür und war häßlich und besaß als einzige Konzession an die moderne Welt ein Terminal, das aber nur begrenzte Dienste zuließ.
Doch zum erstenmal im Leben hatte ich ein eigenes Zuhause und war „Hausfrau“. Das Haus in Christchurch war zu keiner Zeit wirklich mein Heim gewesen, und das Kommando in jenem Haushalt hatten andere geführt, und so war ich auf diese oder jene Weise immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich kein ständiges Mitglied dieser Gemeinschaft war, sondern eher nur ein Gast.Wissen Sie, wieviel Spaß es machen kann, für die eigene Küche eine Pfanne einzukaufen?
Die Hausfrauenrolle fiel mir sofort zu, da Goldie schon am ersten Tag Arbeit bekam und um dreiundzwanzighundert ihren Nachtdienst antrat, der bis null-siebenhundert dauerte. Am nächsten Tag kochte ich mein erstes Abendessen, während Goldie noch schlief — und ließ die Kartoffeln verkohlen, was mir die Tränen in die Augen trieb. Aber einer Braut steht es nun mal zu, in Tränen auszubrechen, meine ich doch sollte ich jemals wirklich heiraten (und nicht nur auf dem falschen Fuß wie in Christchurch), dann habe ich mein Quantum Tränen für den ersten Tag aufgebraucht.
Ich war eine Hausfrau, wie sie im Buche steht: ich kaufte sogar Erbsensamen und pflanzte sie ein als Ausgleich für die fehlenden Kletterrosen vor der Tür — und stellte fest, daß die Gartenarbeit nicht nur darin besteht, Samen in den Boden zu drücken; meine erste Saat ging nicht auf. Ich sprach daraufhin in der Bibliothek von Las Vegas vor und kaufte ein Buch, ein echtes Buch mit gebundenen Blättern und mit Bildern der Dinge, die ein richtiger Gärtner tun sollte. Ich vertiefte mich darin und prägte mir die wichtigsten Regeln ein.
Auf eines verzichtete ich allerdings. Obwohl ich sehr in Versuchung war, schaffte ich mir keine Katze an. Goldie konnte jeden Tag verschwinden; sie kündigte mir sogar an, daß sie vielleicht abreisen mußte ohne sich zu verabschieden, sollte ich zufällig unterwegs sein (ähnlich wie ich es bei Georges gehandhabt hatte — und so war es dann ja auch gekommen).
Wenn ich mir eine Katze zulegte, war ich ver-pflichtet, sie zu behalten. Ein Kurier kann jedoch nicht überallhin ein Tier mitnehmen; so bekommt man die Katze nicht groß. Eines Tages würde auch ich wieder aufbrechen, und ich legte mir keine Katze zu.
Abgesehen davon genoß ich die Freuden meines Hausfrauendaseins in vollen Zügen — einschließlich der Ameisen im Zucker und eines platzenden Müllbeutels, zwei Erlebnisse, die ich ungern noch einmal durchmachen möchte. Es war eine sehr glückliche Zeit. Allmählich bekam Goldie auch meine Kocherei in den Griff — ich hatte geglaubt, kochen zu können aber da war ich noch nicht durch Goldies Schule gegangen. Und ich gewöhnte es mir an, den Martini so anzurühren, wie sie ihn gern hatte: Beefeater-Gin und trockenen Noilly Prat-Wermut im Verhältnis drei Komma sechs zu eins, einmal umrühren, keine Zusätze — während ich mich für Bristol Cream auf Eis entschied. Martinis sind mir etwas zu stark, aber ich kann mir vorstellen, warum eine Krankenschwester die mit schmerzenden Füßen vom Dienst kommt förmlich danach lechzt.
Ja ehrlich, wäre Goldie ein Mann gewesen, hätte ich meine Sterilität rückgängig gemacht und Kinder Erbsen und Katzen großgezogen.
Schon kurze Zeit nach dem Beginn dieser Idylle brachen Burt und Anna nach Alabama auf, und wir sorgten gründlich dafür, daß wir den Kontakt nicht verlieren würden. Die beiden wollten dort nicht leben, Anna war aber der Meinung daß sie ihrer Tochter einen Besuch schuldig sei (und sich selbst, so meine ich, die Gelegenheit, ihren neuen Ehemann vorzuführen). Anschließend wollten die beiden sich bei ei-ner militärischen oder paramilitärischen SöldnerEinheit verdingen, und zwar so, daß sie auf einen gemeinsamen Vertrag liefen und zusammenbleiben konnten. Im Kampfeinsatz. Ja. Beide hatten die Schreibtischarbeit satt, beide waren gewillt, eine Rückstufung in Kauf zu nehmen, indem sie den Stab verließen und sich der kämpfenden Truppe anschlossen. „Lieber eine lebhafte Stunde, als ein ganzer Kontrakt hinter Papierstapeln.“ Mag sein. Es war ihr Leben.
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