Kioto Yokohata hatte jetzt alle Funksprüche gelesen. Nun, als seine Neugier befriedigt war, spürte er auf einmal seine Müdigkeit. Schnell verließ er den zentralen Steuerraum und eilte durch den Hauptgang in seine Kabine.
Der Pilot versank, kaum daß er sich auf seinem Bett ausgestreckt hatte, in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Zwölf Stunden später flog eine Gruppe von Raumfahrern zum Asteroiden hinüber. Die Astronautic war tatsächlich sanft auf dem Planetoiden gestrandet. Sie verankerten das Wrack mit Seilen an stahlharten Kunststoffpflöcken, die in den Fels getrieben worden waren.
Dann drangen die Astronauten in das Schiff ein. Die Notbeleuchtung brannte immer noch. Die Raumfahrer begaben sich in die Sektion der Laboratorien. Sie öffneten dort gewaltsam die Schottentür, hinter der Bacos das Licht entdeckt hatte.
Man fand tatsächlich einen Teil der Besatzung der Astronautic tot in diesen Räumen. Sie hatten sich jedoch mehrere Monate am Leben erhalten können.
Man fand außerdem verschiedene Aufzeichnungen. In einem dieser Schriftstücke hieß es: „Wir wissen, daß unser steuerloses Schiff im Bereich des Sonnensystems kreist und daß man uns einmal finden könnte. Deshalb haben wir uns in diesen Räumen mit all unserer Kraft und allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Lebensbedingungen für einige Monate geschaffen. Dadurch werden wir in die Lage versetzt, unsere Forschungsergebnisse zu einem gewissen vorläufigen Abschluß zu bringen. Wir wollen bis zu unserem Tode arbeiten, denn diese Forschungsergebnisse werden von weittragender Bedeutung sein.“
Eine andere Aufzeichnung lautete: „Wir versuchen Hilfe herbeizurufen. Aber niemand hört uns. Offenbar sind unsere selbstgebauten Notsender zu leistungsschwach. Die großen Sendeanlagen des Funk- und Radarpultes können wir nicht mehr benutzen. Sie sind bei dem Zusammenstoß mit dem Meteoriten völlig zerstört worden.“
Aus weiteren Aufzeichnungen fügte sich nach und nach ein erschütterndes Bild über den Untergang der Astronautic und über die hervorragende moralische Haltung dieser tapferen und opferbereiten Besatzung. Da das Logbuch der Forschungsrakete trotz eifrigen Suchens nicht zu finden war, war man auf die persönlichen Aufzeichnungen der einzelnen Besatzungsmitglieder angewiesen.
In einer solchen persönlichen Notiz stand geschrieben: „Unsere Sendung zum Stern Epsilon Eridanus hat alle im Reaktor vorhandenen Energien verbraucht. Die Uranstäbe mußten deshalb erneuert werden. Die Mechanik dazu war jedoch defekt geworden. Die Stäbe mußten von Hand in den Reaktor eingesetzt werden. Als diese Arbeit fast getan war, überraschte uns der Meteorit. Ein Versuch, dem Meteoriten mit dem Flüssigkeitstriebwerk der Erkundungsrakete auszuweichen, schlug fehl. Die kinetische Energie unseres Raumschiffes war zu groß. Uns gelang es lediglich, unsere Flugbahn um eine Winzigkeit zu beeinflussen. Dadurch konnten wir wenigstens der völligen Vernichtung entgehen. So verblieb uns noch eine Frist, die wir nutzten, um die Botschaft zu entziffern und zu übersetzen.“
Kerulen und Mirsanow, die die“ Aufzeichnungen durchsahen, grübelten lange über die Bedeutung dieser Notiz, über die „Sendung zum Stern Epsilon Eridanus“
und „die Botschaft“ nach. Sie kamen“ dabei über Vermutungen nicht hinaus. Schließlich zogen sie Norbert Franken hinzu, der, wie sie seit dem Auftauchen des vermeintlichen V-Schiffes wußten, sich insgeheim auf dem Forschungsgebiet galaktischer Linguistik, galaktischer Sprach- und Verständigungsforschung, betätigte. Gemeinsam wurden weitere Notizen durchgesehen.
Zwei Tage dauerte diese mühsame Arbeit. Die drei zogen sich sogar in die Kabine des Kommandanten zurück. Sie waren für niemand zu sprechen.
Mittlerweile nahmen alle anderen Arbeiten ihren Fortgang. Das Funkwarnfeuer und die Anti-Falle konnten fertiggestellt werden. Das Wrack der gestrandeten Rakete wurde als Notunterkunft hergerichtet.
Am Ende des zweiten Tages nach dem Auftauchen der zu einem V geknickten Astronautic fand man noch eine unscheinbare Notiz. Sie gab Aufklärung über die mysteriöse Botschaft aus dem All und über die Radiosendung der Astronautic zu dem Stern Epsilon Eridanus. „Uns quält Luftmangel. Doch wir können ruhig sterben. Unsere Aufgabe ist erfüllt. Unsere Anstrengungen waren nicht vergebens. Wir haben einen kostbaren Schätz enträtselt. Wir verstehen und kennen jetzt die Botschaft vom Epsilon Eridanus. Die Botschaft befindet sich in der Raumboje Nummer 20.“
Sofort wurden Kioto Yokohata, Norbert Franken, Oulu Nikeria und der Navigator zum Asteroiden hinübergeschickt. Sie durchsuchten noch einmal die Astronautic nach dieser Raumboje. Nach längerem Suchen fand man sie schließlich in einer Schleusenkammer. Man öffnete sie und brachte eine Kassette zum Vorschein. Sie wurde sofort zu AJ-408 gebracht. Kerulen und Mirsanow untersuchten die Kassette. Sie fanden ein wichtiges Schriftstück.
Die Kunde von der gefundenen Kassette breitete sich in Windeseile im Raumschiff aus. Die Nachricht davon flog von Mund zu Mund. Einer sagte es dem anderen. So kam es ganz von selbst, daß sich die Besatzung von AJ-408 im Raum der Ethik zusammenfand. Die verschiedensten Vermutungen über die Botschaft vom Epsilon Eridanus wurden laut. Der Pilot sagte: „Vielleicht haben irgendwelche Lebewesen einen Hilferuf ausgesandt. Vielleicht ist ihre Sonne am Erlöschen.“
In diesem Augenblick traten Kerulen, Mirsanow, Norbert Franken und Paro Bacos ein. Man sah es dem Kommandanten an, daß er eine wichtige Mitteilung machen wollte. Alle verstummten. Kerulen stellte sich in die Mitte des Raumes.
„Astronauten“, begann er. „Das Bild vom Untergang der Astronautic rundet sich. Auf Grund unserer Untersuchungen kann ich euch jetzt Genaues über die tapferen Kameraden des Forschungsschiffes berichten. Ihr wißt alle, daß Tatendrang und Wissensdurst schon immer der Menschheit innegewohnt haben. Dem nie verharrenden Geist, der Schöpferkraft und der Arbeitsfreudigkeit des Menschen ist es zu verdanken, daß das Leben schön geworden ist und daß die Bevölkerung unseres Heimatplaneten Erde einen beachtlichen Kulturstand erreicht hat. Tatendrang und Wissensdurst trieben den Menschen auch über die Grenzen seiner Lebenssphäre hinaus in den freien Weltraum. Viele neue Erkenntnisse und größeres, nutzbringendes Wissen waren der Lohn. Jedes Stückchen neues Wissen war mit Entbehrungen und Anstrengungen verbunden. Nicht selten mußten Opfer gebracht werden, nicht selten gaben Menschen ihr Leben zum Wohle der Gemeinschaft.
Auch unsere Kameraden von der Astronautic strebten nach neuem Wissen. Sie waren mit ihrem Forschungsschiff zu den Randgebieten unseres Sonnensystems unterwegs, um die Ausstrahlungen unsichtbarer Radiosterne zu studieren. Ihnen wurde ein schöner Lohn zuteil. Unvermutet gelang es ihnen, als erste Menschen der Welt eine Funksendung geistig hochentwickelter Wesen eines anderen Sternensystems klar zu empfangen, zu entziffern und in unsere Erdensprache zu übersetzen. Diese Worte ferner Brüder kamen von einem Planeten aus dem elf Lichtjahre entfernten Sternensystem der Sonne Epsilon Eridanus. Diese Worte waren an uns, an die Menschheit gerichtet.“
Ein leises Murmeln und Raunen lief durch die Reihen der Versammelten. Die anwesenden Astronauten waren von dieser Nachricht zutiefst bewegt.
Kerulen mußte eine Weile warten, bevor er weitersprechen konnte: „Die Kosmosfahrer der Astronautic vermochten die Sendung vom Epsilon Eridanus nicht sofort zu entziffern. Nach Wochen angestrengter Arbeit hatten sie aber den Ort der Ausstrahlung dieser Sendung errechnet und die Anschrift ermittelt. Sie lautet: An die Bewohner des Lebensplaneten nahe dem gelben Stern.
Die Freude auf der Astronautic war so groß, daß man beschloß, eine Empfangsbestätigung zurückzustrahlen. Sie bauten in aller Eile einen großen Richtstrahler hoher Leistung. Als er fertig war, wurde die gesamte Energie des Raumschiffes — viele, viele Megawatt — dem Richtstrahler zugeleitet. Man funkte zunächst die empfangene Sendung, so wie man sie aufgenommen hatte, zum Planetensystem der Sonne Epsilon Eridanus zurück.
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