»Ich bin die einzige Person, die dazu imstande ist«, sagte Mavra sofort.»Keiner von euch kann den Antrieb von der Frachtkapsel unterscheiden, und keiner könnte erkennen, ob er beschädigt oder zerstört ist.«
»Das ist uns klar. Wir hätten gern mehr Zeit gehabt, um bessere Begleiter für Sie zu finden, aber wir können nur dafür sorgen, daß ein erfahrener Dillianer Sie an der Grenze zu Gedemondas trifft. Sie sind Nachbarn, vertragen kaltes Wetter und wissen von den Gedemondas so viel wie nur irgend jemand. Jedenfalls spricht einiges dafür, daß die Gedemondas Ihnen nichts tun, wenn Sie von einer nicht bedrohlichen Lebensform begleitet werden, die sie wenigstens kennen.«
»Ich gehe auch mit«, sagte Renard.»Doma kann Mavra und mich tragen, dann geht es schneller.«
Der Botschafter nickte.
»Darauf haben wir gezählt. Wir trauen Ihnen nicht ganz, Agitar, aber wir sind überzeugt davon, daß Sie an Mavra hängen. Das genügt. Vistaru und Hosuru, ebenfalls ein Neuzugang von früher und ehemaliger Pilot, kommen auch mit.«
»Noch ein Neuzugang?«sagte Mavra.»Ich dachte, sie sind so selten, und Vistaru hier sei die einzige meiner Art.«
»Das ist wahr, Hosuru war nicht von Ihrer Art.«
Es mochte Chauvinismus oder Rassenstolz sein, aber Renard und Mavra hatten vorher gar nicht an die Möglichkeit einer anderen raumfahrenden Rasse gedacht.
»Was war diese Hosuru?«fragte Mavra.»Und wie viele andere raumfahrende Rassen gibt es, von denen hier jemand gelandet ist?«
»Nach der letzten Zählung im Süden einundsechzig. Über den Norden wissen wir nichts. Gewiß auch so viele. Sie gehörte früher zu den Wesen, die wir Ghlmonen nennen. Jemand von Ihrer Rasse hat sie früher als kleine, grüne, feuerspeiende Dinosaurier bezeichnet, was immer das bedeuten soll.«
Hosuru war kein feuerspeiender Dinosaurier mehr. Immer noch im weiblichen Zustand, sah sie genauso aus wie Vistaru, nur war sie dunkelbraun im Gegensatz zum Rosarot der anderen Lata.
Der Botschafter faltete eine Karte auseinander.
»Wir sind hier«, sagte er und zeigte auf ein Hexagon.»östlich von uns befindet sich das Meer der Stürme. Wie Sie sehen können, verliefe der beste Weg über Tuliga und Galidon nach Palim, das früher oder später durchquert werden muß. Die Galidon sind aber wilde Fleischfresser, und die Atmosphäre über dem Gewässer taugt für das Fliegen nicht, also kommt das nicht in Betracht. Tuliga muß also bis hier durchquert werden, mit einer Landung in Olborn. Die Tuliga sind ziemlich abscheuliche Meerschnecken, aber sie sollten Sie nicht belästigen, wenn Sie ihnen nichts tun.«
»Doma schafft unter Druck ungefähr vierhundert Kilometer«, erklärte Renard,»aber das ist viel weiter.«
»Allerdings«, sagte der Botschafter.»Unterwegs gibt es jedoch einige Inseln, so daß Sie landen und rasten können. Auf keinen Fall dürfen Sie ins Wasser. Es ist brackig und nicht zum Trinken geeignet, aber die Inseln sind vulkanischen Ursprungs und sollten über kleine Kraterseen verfügen. Suchen Sie sich den Lagerplatz sorgfältig aus. Lebewesen gibt es außer Vögeln und ein paar Krustentieren dort keine. Das Problem taucht erst auf, wenn Sie wieder Land erreichen — da die Porigol die Yaxa unterstützen, führt einfach kein Weg um Olborn herum.«
»Aber ist Olborn nicht das nächste Ziel der Makiem, Cebu und Agitar?«fragte Renard besorgt.»Wird man uns nicht mit den Feinden verwechseln?«
»Wir haben keine Ahnung, ganz ehrlich gesagt«, erwiderte der Botschafter.»Sie sind fast so unbekannt wie die Gedemondas. Katzenartige Wesen, soviel ich weiß, mit halbtechnologischen Fähigkeiten und, wie in den Hinweisen steht, begrenzter Magie, obwohl ich nicht recht weiß, was das heißt. Auf jeden Fall brauchen Sie das Hex nur zu überfliegen. Die Attacke der Zhonzorp ganz im Süden könnte Ihnen sogar zu Hilfe kommen.«
»Hoffentlich«, sagte Renard seufzend.»Und dann?«
»In der Luft durch Palim, so nah an der Grenze, wie Sie können, um möglichst zu vermeiden, daß Sie der Yaxa-Allianz begegnen, die durchaus zur selben Zeit durchmarschieren könnte. Gehen Sie aber auf keinen Fall nach Süden, hinein nach Alestol! Da gibt es sehr bewegliche Pflanzen, die giftige Gase ausströmen können, mit Wirkungen, die manchmal tödlich und immer unangenehm sind. Es handelt sich um Fleischfresser, die jeden von Ihnen verschlingen könnten. Überlassen Sie den Makiem und ihren Kohorten, sich damit abzugeben. Sie müssen um jeden Preis vor allen anderen bei den Gedemondas sein! Unsere einzige Hoffnung ruht auf Ihnen. Können Sie das schaffen?«
»Mit ein wenig Glück und gelegentlicher Hilfe habe ich noch nie einen Mißerfolg verbuchen müssen«, sagte Mavra Tschang zuversichtlich.»Auf ein solches Unternehmen habe ich gewartet.«
Der Botschafter sah sie prüfend an.
»Wir sind nicht auf einer Kom-Welt«, sagte er mahnend.»Die Regeln ändern sich hier sehr rasch.«
Dreieck Tuliga — Galidon — Olborn, Dämmerung
Die Durchquerung dauerte, wiewohl ohne Zwischenfälle, drei kostbare Tage. Sie flogen über rauhe See in Tuliga und hatten den Wind fast ständig gegen sich.
Sie blieben in sicherer Höhe, um nicht das Risiko einzugehen, daß irgendeiner der dunkeln Umrisse im Wasser hochfuhr und sie packte. Es wurde friedlicher, als sie die Grenze von Galidon erreichten, aber die Atmosphäre wirkte dort ein wenig sonderbar, und sie hielten auf die Landspitze zu, die eine von Olborns sechs Spitzen auf der Seite Tuligas bezeichnete.
Olborn selbst schien eine willkommene Erleichterung zu bieten — solide aussehend, zumeist Küstenebenen, ein wenig kalt, aber sie hatten warme Kleidung mitgebracht.
Sie warteten, bis es dunkel wurde, bevor sie am Strand landeten. Sie hatten beschlossen, dort zu kampieren, mit der Möglichkeit zur schnellen Flucht. Die mächtige Doma versteckten sie so gut, wie es ging.
Keine Straßen führten zur Küste hinab. Bei Meeresnachbarn wie Galidon kam ihnen das nicht merkwürdig vor.
Es war eine klare Nacht; über ihnen zeigte sich der spektakuläre Himmel der Sechseckwelt in seiner ganzen Pracht, und im Norden bedeckte eine silberne Scheibe einen Teil des Horizonts.
Es war das erstemal, daß sie im richtigen Augenblick beim richtigen Wetter in der richtigen Position waren, um Neu-Pompeii zu sehen. Sie starrten den Asteroiden stumm und nachdenklich an.
»So nah, so verdammt nah«, murmelte Mavra schließlich. Man hatte beinahe das Gefühl, hingreifen und ihn berühren zu können. Sie dachte an die armen Menschen, die dort inzwischen wohl hatten sterben müssen, und an den freundlichen, fast menschlichen Computer Obie, der ihr zur Flucht verholfen hatte. Sie wollte dorthin zurück und schwor sich, das eines Tages auch zu bewerkstelligen.
Sie legten sich schlafen. Obwohl die Lata Nachtwesen waren, schliefen sie ebenfalls, denn die Reise war lang und anstrengend gewesen. Natürlich wechselten sich Wachen ab.
Mavra hatte die zweite Wache. Sie saß da, schaute hinaus auf die ein wenig rauhe See, hörte das Rauschen der Brandung und betrachtete den Himmel. Ab und zu blickte sie zu den Schlafenden hinüber.
Sie dachte darüber nach, was die Sechseckwelt für sie bedeutete. Sie war ein Abenteuer, eine Herausforderung, aber nicht ihr Element. Eines Tages durch den Schacht zu gehen und als ein anderes Wesen herauszukommen — es würde keine Rolle spielen. Der Schacht veränderte einen nicht innerlich, nur physiologisch. Sie wollte wieder hinaus zu den Sternen.
Ihre Gedanken wurden durch schwache Geräusche in nicht sehr weiter Entfernung unterbrochen. Sie lauschte aufmerksam. Es schien sich etwas zu nähern.
Sie überlegte, ob sie die anderen wecken sollte, verzichtete aber darauf. Die Geräusche hatten aufgehört. Trotzdem wollte sie ihnen nachgehen. Ein Schrei von ihr würde die anderen ohnehin sofort aus dem Schlaf reißen.
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