So war es. Plötzlich stürmte ein ganzer Haufen aus dem Wald, bewaffnet mit gefährlich aussehenden Energiegewehren. Als Veteran von Djukasis bemerkte er auch sofort die hübschen, aber auffälligen Stacheln.
Feen! dachte er verblüfft. Kleine, fliegende Mädchen. Ein hochtechnologisches Hex; die Gewehre schienen überaus wirkungsvoll zu sein.
Sie versammelten sich um ihn, staunten Doma an und gaben ihm mit Gesten zu verstehen, daß er mitkommen solle. Er sah, daß sie alle Schutzbrillen trugen und sich nicht wohl zu fühlen schienen. Sie führten ihn zu einer Lichtung, die ungefähr tausend Meter entfernt war. Dort verständigte sich eine mit Zeichensprache so, daß keine Zweifel blieben. Er sollte dort bleiben und nichts tun.
Das paßte ihm. Das Warten war er inzwischen gewöhnt. Doma weidete das saftige Gras ab, und er legte sich hin und schlief.
* * *
Vistaru eilte in Mavra Tschangs Unterkunft.
»Mavra?«
Sie hatte auf einem eigens für sie gebauten Bett gelegen und Karten und Geographiebücher studiert, meist für Kinder gedachte Werke. In wenigen Wochen konnte man eine komplizierte Sprache nicht lernen.
»Ja, Vistaru?«sagte sie müde.
»Mavra, eines von den Wesen, das am Krieg beteiligt ist, kam vor einigen Minuten über die Grenze von Djukasis. Wir haben gerade die Funknachricht erhalten.«
»Und?«
»Es kam mit einem riesigen fliegenden Pferd! Sie würden das nicht glauben. Gigantisch und hellgrün. Und, Mavra — es hat immer wieder nach Ihnen gerufen. Immer wieder.«
Sie sprang auf.
»Wie sah das Wesen aus?«
»Ein Agitar, heißt es. Größer als Lata, kleiner als Sie. Ganz dunkelblau und dicht behaart am Unterkörper.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das ist mir neu. Glauben Sie, daß das ein Manöver ist?«
»Wenn ja, dann ist es schiefgegangen. Wenn es irgend etwas unternimmt, kommt es nicht lebend aus Lata heraus. Man möchte wissen, ob Sie mit ihm reden.«
»Wenn ich kann«, gab sie zurück und ging hinaus.
Es war kein Problem, sie schnell hinzuschaffen. Mavra Tschang und dreitausend Kisten Äpfel flogen mit einem Hubschrauber, der über einen Doppelrotor verfügte, nach Süden. Der Flug dauerte etwa drei Stunden, und die Sonne stand tief, als sie ankamen. Durch die senkrechte Achse bekamen alle Hexagons gleich viel Tageslicht, knapp über vierzehn Stunden lang.
Der Pegasus war wirklich so prächtig und eindrucksvoll, wie berichtet worden war, der Reiter klein, gedrungen und häßlich.
»Hübscher Kerl«, murmelte Mavra vor sich hin. Er sah aus wie ein Teufel, mit blauschwarzer Haut und schwarzen Haaren. Das Wesen war wach geworden, als es den Hubschrauber gehört hatte.
Wachen mit Energiepistolen umzingelten es. Renard fragte sich, was für ein hohes Tier eingetroffen sein mochte, aber dann sah er noch einmal hin und hatte keine Zweifel mehr.
»Mavra!«rief er und wollte auf sie zueilen. Die Bewacher waren blitzschnell, kein Zweifel. Er blieb stehen. Er deutete auf sich.»Renard, Mavra! Renard!«
Sie war mehr als überrascht. Obwohl sie das System der Sechseckwelt kannte, das man ihr ausführlich erklärt hatte, kam ihr die Wirklichkeit zum erstenmal voll zum Bewußtsein. Sie lachte.
»Renard!«rief sie.»Sind das wirklich Sie?«
Er strahlte sie an.
»Ich bin es wirklich! Ein bißchen verändert, aber innerlich derselbe. Ich habe Schwamm gegen Ziegenbock getauscht.«
Sie lachte. Wunderbar, dieser Übersetzungskristall, dachte sie.
»Sind Sie sicher, daß es wirklich Renard ist?«fragte eine der Bewacherinnen.»In der letzten Zeit behaupten viele, jemand ganz anderer zu sein.«
Sie nickte und dachte nach, dann rief sie:»Renard! Sie brauchen Beweise, daß wirklich Sie es sind. Und ich auch, wenn ich ehrlich sein soll. Und es gibt nur eine Frage, die mir einfällt, die nur unsere Seite wissen kann.«Er nickte.»Renard, wer war das letzte auch äußerlich menschliche Wesen, mit dem Sie Liebe gemacht haben?«
Er runzelte die Stirn über die peinliche Frage, sah aber die Logik ein. Nur Mavra, er und die betroffene Person konnten die Antwort wissen.
»Nikki Zinder«, sagte er.
Sie nickte.
»Es ist Renard. Nicht nur die Antwort überzeugt mich, sondern auch, wie er das gesagt hat.«
Sie ging auf ihn zu, obwohl die Wachen immer noch unsicher zu sein schienen.
Sie war jetzt größer als er — vielleicht zehn Zentimeter mit den dünnen Stiefeln, drei oder vier ohne sie. Er war häßlich wie die Sünde und stank, aber sie umarmte ihn und küßte ihn lachend auf die Stirn.
»Renard! Lassen Sie sich ansehen! Man hat mir gesagt, daß das passieren würde, aber ich konnte es nicht glauben!«
Er war ein wenig verlegen, weil er jetzt erst ganz begriff, wie sehr er sich verändert hatte.
Mavra wandte sich Doma zu.
»Er ist wunderschön!«sagte sie staunend.»Darf ich ihn berühren? Macht es ihm etwas aus?«
»Sie«, verbesserte Renard.»Sie heißt Doma. Lassen Sie sich erst von ihr ansehen, dann, wenn sie den Kopf senkt, reiben Sie die Stelle zwischen ihren Ohren. Das mag sie.«
Mavra tat es und fand den großen Pegasus freundlich, neugierig und zugänglich.
Sie ging um das Tier herum und betrachtete den Sattel mit Höhenmesser, Fahrtmesser und anderen Instrumenten.
»Sie müssen mich einmal mit ihr hinaufnehmen«, sagte sie zu Renard.»Ich möchte sie fliegen sehen. Aber zuerst müssen Sie mir alles erzählen.«
»Wenn Sie mir etwas zu essen besorgen — Obst oder Fleisch, was Sie essen können«, sagte er.»Ich bin halb verhungert.«
Sie saßen im Wald, bis die Sonne unterging und die Lata massenweise herauskamen. Er schilderte seine Erlebnisse und fragte schließlich:»Was ist mit Nikki? Wissen Sie, wo sie hingekommen ist? Ich denke immer noch an sie. Sie ist so jung und naiv. Es wird schwer sein für sie, das weiß ich.«
Mavra warf einen Blick auf Vistaru, die den Kopf schüttelte.»Nichts über beide Zinder. Das ist seltsam. Es ist natürlich nicht unmöglich, hier unentdeckt zu bleiben, aber es kommt sehr selten vor. Daß die Spur von allen beiden verlorengegangen ist, läßt sich kaum erklären.«Mavra übersetzte ihre Worte.»Es ist, als hätte der Schacht sie verschluckt.«
* * *
Mehrere Tage vergingen, glückliche für Renard, unterhaltsame für Mavra, die es vor Langeweile vorher kaum ausgehalten hatte. Er brachte ihr bei, Doma zu fliegen, was ihr leichter fiel, als sie geglaubt hatte.
Dann erreichte die Süd-Allianz Olborn, einige Tage früher als vorgesehen; Zhonzorp, dessen Bewohner den Unterlagen nach wie aufrecht stehende Krokodile aussahen und Turbane, Umhänge und allerlei exotische Dinge trugen, war von unschätzbarem Wert gewesen.
Vistaru brachte ihnen einen Besucher, einen älteren männlichen Lata.
»Das ist Botschafter Siuthur«, sagte sie. Auf Mavras Betreiben hatte man Renard mit einem Übersetzer-Kristall ausgestattet, was für ihn überaus wichtig war.
Mavra und Renard nickten höflich.
»Wie Sie wissen, verlaufen beide Kriege gut«, begann Siuthur,»was bedeutet, daß sie für uns schlecht verlaufen. Unsere Freunde in anderen Hexagons sagen mir, daß das eine oder andere Bündnis auf jeden Fall Erfolg haben wird, daß man das Schiff tatsächlich wieder zusammenbauen kann, und daß wir es wenn nichts unternommen wird, mit einer raumfahrenden Sechseckwelt-Allianz zu tun bekommen werden, die Kontrolle über den Satelliten und seinen Computer erlangen könnte. Wir können nicht länger zusehen.«
Endlich! dachte Mavra, aber sie schwieg, als der Botschafter weitersprach.
»Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist die Hoffnung, die Gedemondas können dazu überredet werden, den Antrieb entweder uns zu überlassen oder ihn zu zerstören.«Er berichtete von der abweisenden Art der Gedemondas.»Sie sehen also, daß wir jemanden dort einschleusen müssen, der versucht, den Gedemondas die Lage zu erklären, ihre Zusammenarbeit zu erreichen oder, wenn das nicht möglich ist, dafür zu sorgen, daß der Antrieb zerstört wird, wenn wir ihn nicht bekommen.«
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