Die Frauen sprachen kaum und hatten die Augen die meiste Zeit fest auf ihren Teller gerichtet. Condons Gattin war eine kleine, korpulente Frau mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck. Sorleys Frau war beinahe so stattlich wie er selbst und ließ ihrem Lächeln freien Lauf, als das Essen gelobt wurde. McIsaacs Frau sah kaum älter als achtzehn aus, während er sein verdrießliches Gesicht sicherlich schon über vierzig Jahre trug. Keine der Frauen sprach mich direkt an und keine von ihnen wurde mir mit ihrem eigenen Namen vorgestellt. Diane war ein Diamant unter diesen Zirkonen, das war augenfällig — und erklärte wohl auch ihr äußerst zurückhaltendes Benehmen.
Die Familien waren allesamt Versprengte aus der Jordan-Tabernacle-Gemeinde. Sie seien durchaus nicht die radikalsten Gemeindemitglieder, erläuterte Onkel Dan, nicht so radikal wie diese wilden Dispensationalisten, die sich letztes Jahr nach Saskatchewan abgesetzt hatten, aber sie seien auch nicht lau in ihrem Glauben, so wie Pastor Bob Kobel und seine Truppe von Kompromisslern. Die Familien seien auf die Ranch — Condons Ranch — gezogen, um einige Meilen zwischen sich und die Versuchungen der Stadt zu legen und den letzten Aufruf in klösterlichem Frieden zu erwarten. Bisher, sagte er, sei der Plan aufgegangen.
Ansonsten konzentrierte sich die Unterhaltung auf einen Lastwagen mit ausgelaugter Batterie, eine noch nicht abgeschlossene Dachreparatur und eine drohende Klärbehälterkrise, und als die Mahlzeit beendet war, war ich genauso erleichtert wie die Kinder (Condon warf einem der Sorley-Mädchen, das allzu freudig aufgeseufzt hatte, einen äußerst strengen Blick zu).
Sobald das Geschirr abgetragen war — Frauenarbeit auf der Condon-Ranch —, verkündete Simon, dass ich mich nun verabschieden müsse.
»Macht es Ihnen nichts aus zu fahren, Dr. Dupree?«, fragte Condon. »Es gibt jetzt fast jede Nacht Raubüberfälle.«
»Ich werde die Fenster geschlossen lassen und das Gaspedal immer schön durchtreten.«
»Das ist wahrscheinlich das Beste.«
»Wenn du nichts dagegen hast, Tyler«, sagte Simon, »fahr ich noch bis zum Zaun mit dir mit. An so einem warmen Abend ist es schön, zu Fuß zurückzugehen.«
Dem konnte ich nur zustimmen.
Dann stellten sich alle zum herzlichen Abschiednehmen auf. Die Kinder wanden sich, bis ich ihnen die Hand schüttelte und sie entlassen waren. Als Diane an der Reihe war, nickte sie mir zu, schlug aber die Augen nieder, und als ich ihr die Hand gab, nahm sie sie, ohne mich anzusehen.
Simon fuhr etwa einen halben Kilometer hügelaufwärts mit und zappelte dabei wie jemand, der etwas sagen will, aber doch den Mund hält. Ich ermunterte ihn nicht. Die Abendluft war voller Düfte und relativ kühl. Ich hielt an der Stelle an, die er mir zeigte, vor einem zerbrochenen Zaun und einer Ocatillahecke. »Danke fürs Mitnehmen«, sagte er.
Als er ausstieg, verharrte er einen Moment an der offenen Tür.
»Wolltest du noch was sagen?«, fragte ich.
Er räusperte sich. »Weißt du« — die Stimme kaum lauter als der Wind —, »ich liebe Diane ebenso sehr, wie ich Gott liebe. Ich gebe zu, das klingt blasphemisch, für mich hat es jedenfalls immer so geklungen. Aber ich glaube, dass Gott sie auf die Welt gesetzt hat, damit sie meine Frau wird, und dass das ihr ganzer Daseinszweck ist. Also bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es die zwei Seiten derselben Medaille sind: Sie zu lieben, ist meine Art, Gott zu lieben. Glaubst du, dass das möglich ist, Tyler Dupree?«
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern machte die Tür zu und schaltete seine Taschenlampe ein. Ich beobachtete im Spiegel, wie er in die Dunkelheit und das Gezirpe der Grillen hinein verschwand.
In dieser Nacht traf ich auf keine Banditen oder Straßenräuber.
Die Abwesenheit der Sterne und des Mondes hatte die Nacht seit den frühen Jahren des Spins zu einer dunklen, gefährlichen Angelegenheit gemacht. Kriminelle hatten ausgefeilte Strategien für Überfälle aus dem Hinterhalt entwickelt. Bei Nacht zu reisen hieß, die Wahrscheinlichkeit, ausgeraubt oder ermordet zu werden, um ein Vielfaches zu erhöhen.
Es herrschte daher nicht viel Verkehr auf der Rückfahrt nach Phoenix, hauptsächlich waren Trucker in ihren gut gesicherten Riesenlastern unterwegs. Meistens war ich ganz allein auf der Straße, bohrte Lichtkeile in die Dunkelheit und lauschte dem Knirschen der Reifen und dem Rauschen des Windes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein einsameres Geräusch gibt. Vermutlich ist das der Grund, warum man Radios in die Autos einbaut.
Aber es waren keine Diebe oder Mörder auf der Straße.
Nicht in dieser Nacht.
Ich übernachtete in einem Motel außerhalb von Flagstaff und traf am nächsten Morgen am Flughafen wieder mit Wun Ngo Wen und seiner Wachmannschaft zusammen.
Während des Fluges nach Orlando war Wun ziemlich gesprächig. Er hatte die Geologie der südwestlichen Wüste studiert und war besonders angetan von einem Stein, den er auf der Rückfahrt nach Phoenix in einem Souvenirladen gekauft hatte — sein ganzer Tross hatte am Straßenrand halten und warten müssen, während er sich durch das Fossilienregal wühlte. Er zeigte mir seine Ausbeute: eine kreideartige, spiralförmige Höhlung in einem Stück Bright-Angel-Schiefer, gerade zwei, drei Zentimeter im Durchmesser. Der Abdruck eines Trilobiten, sagte er, vor zehn Millionen Jahren gestorben, geborgen aus dem steinig sandigen Ödland unter uns, das einst der Boden eines uralten Meeres gewesen war.
Er hatte noch nie ein Fossil gesehen. Es gebe keine Fossilien auf dem Mars, sagte er. Keine Fossilien im gesamten Sonnensystem, nur hier, auf der uralten Erde.
In Orlando wurden wir auf die Rückbank eines weiteren Wagens in einem weiteren Konvoi gesetzt, der uns zum Perihelion-Gelände bringen sollte. Wir fuhren bei Sonnenuntergang los, nachdem eine großflächige Durchsuchungsaktion uns eine Stunde lang aufgehalten hatte. Als wir den Highway erreichten, entschuldigte sich Wun für sein wiederholtes Gähnen. »Ich bin so viel körperliche Aktivität nicht gewöhnt.«
»Na, ich habe Sie bei Perihelion doch schon öfter auf dem Heimtrainer gesehen.«
»Ein Heimtrainer ist kein Canyon.«
»Das ist wohl wahr.«
»Ich bin erschöpft, aber glücklich. Es war eine wundervolle Expedition. Ich hoffe, Sie haben Ihre Zeit ähnlich angenehm verbracht.«
Ich erzählte ihm, dass ich Diane aufgespürt hatte und dass sie bei guter Gesundheit war.
»Das ist schön. Ich bedaure, dass ich sie nicht kennen lernen konnte. Wenn sie ihrem Bruder auch nur von ferne ähnelt, muss sie eine bemerkenswerte Person sein.«
»Das ist sie.«
»Aber der Besuch hat Ihre Hoffnungen nicht vollständig erfüllt?«
»Vielleicht hab ich mir das Falsche erhofft.« Vielleicht erhoffte ich mir schon seit langem etwas ganz und gar Falsches.
»Nun ja.« Wun gähnte wieder, die Augen halb geschlossen. »Die Frage… wie immer ist doch die Frage, wie man die Sonne anblickt, ohne geblendet zu werden.«
Ich wollte ihn fragen, wie er das meinte, aber sein Kopf war schon gegen das Sitzpolster gesunken und ich hielt es für rücksichtsvoller, ihn schlafen zu lassen.
Unser Konvoi bestand aus fünf Autos plus einem Transportfahrzeug mit einer kleinen Einsatztruppe von Infanteristen, abgestellt für den Fall, dass es Probleme geben sollte. Der Mannschaftswagen war kastenförmig, etwa so groß wie die gepanzerten Fahrzeuge, die zum Transport von Bargeld zwischen den Regionalbanken verwendet wurden, und leicht mit einem solchen zu verwechseln.
Und tatsächlich war zufällig, etwa zehn Minuten vor uns, ein Konvoi der Firma Brink’s unterwegs, der dann jedoch den Highway verließ und Richtung Palm Bay fuhr. Kundschafter, die hinter den Hauptzufahrten Posten bezogen hatten und telefonisch miteinander verbunden waren, verwechselten uns mit dem Geldtransport und wiesen uns als Zielobjekt für eine Bande von Straßenräubern aus, die weiter vorn im Hinterhalt lag.
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