Ein Sprecher der First Mercantile American gab heute zu, Kenntnis von den Gerüchten zu haben, lehnte aber jede Stellungnahme ab. Er sagte lediglich: »Zu angemessener Zeit werden wir eine Erklärung abgeben.« Als Teil des geplanten Forum East-Projekts sind einige Wohngebiete im Stadtkern bereits modernisiert oder neu erbaut worden. Ein Hochhaus-Komplex mit Billigwohnungen ist fertiggestellt, ein zweiter befindet sich im Bau.
Der auf zehn Jahre projizierte Generalplan sieht Programme für Ausbau und Verbesserung der Schulen, Unterstützung für Geschäfte und Unternehmen im Besitz von Minderheiten, berufliche Fortbildungsstätten, ein Programm für die Arbeitsplatzbeschaffung sowie die Errichtung von Kultur- und Freizeitstätten vor. Sämtliche Großbauarbeiten, die vor zweieinhalb Jahren begonnen wurden, sind bisher pünktlich nach Terminplan ausgeführt worden.
Alex las die Meldung beim Frühstück in seinem Apartment. Er war allein; Margot war seit einer Woche in Rechtsangelegenheiten verreist.
In der Zentrale eingetroffen, bat er sofort Dick French zu sich. French, Vizepräsident für Public Relations, verstand als ehemaliger Wirtschafts-Ressortchef einer Tageszeitung eine Menge von seinem Job; der stämmige, untersetzte Mann nahm nie gern ein Blatt vor den Mund.
»Erstens«, sagte Alex, »wer war dieser Sprecher der Bank?«
»Das war ich«, sagte French. »Und ich will Ihnen gleich von vornherein sigen, daß mir diese >Erklärung zu angemessener Zeit< verdammt gegen den Strich gegangen ist. Aber Mr. Patterton hat diese Formulierung wörtlich verlangt. Ich durfte auch kein Wort mehr dazu sagen.«
»Was gibt's denn noch mehr zu sagen?«
»Das würde ich gern von Ihnen wissen, Alex. Offensichtlich ist da was im Busch, und ganz gleich, ob's gut oder schlecht ist, würde ich dringend empfehlen, die Katze aus dem Sack zu lassen, je früher, desto besser.«
Alex unterdrückte seinen aufsteigenden Zorn. »Und warum bin ich in der ganzen Angelegenheit überhaupt nicht gefragt worden?«
Der PR-Chef schien überrascht zu sein. »Ja, wußten Sie denn nichts davon? Als ich gestern mit Mr. Patterton telephonierte, warRoscoe bei ihm; ich konnte seine Stimme hören. Ich dachte, Sie wären auch dabei.«
»Nächstes Mal«, sagte Alex, »denken Sie lieber gar nichts.«
Er entließ French und wies seine Sekretärin an nachzufragen, ob Jerome Patterton Zeit für ihn habe. Er erfuhr, daß der Präsident noch nicht in der Bank eingetroffen, aber auf dem Wege dorthin sei, und Alex könne ihn um 11.00 Uhr sprechen. Er grunzte ungeduldig und machte sich wieder an die Arbeit mit seinem Spar-Expansionsprogramm.
Um 11.00 Uhr ging Alex die paar Schritte zur Präsidentensuite - zwei Eckräume, und jeder mit einem Blick über die Stadt. Seit der neue Präsident sein Amt übernommen hatte, blieb die Tür zum zweiten Raum gewöhnlich geschlossen, und Besucher wurden nicht hineingebeten. Über die Sekretärinnen war nach außen gedrungen, daß Patterton in diesem Raum Golfschläge zu üben pflegte.
An diesem Tag strahlte heller Sonnenschein von einem wolkenlosen Himmel durch die wandbreiten Fenster auf Jerome Pattertons rosigen, nahezu haarlosen Kopf. Er saß am Schreibtisch, ausnahmsweise in einem leicht gemusterten Anzug statt in dem gewohnten Tweed. Eine vor ihm liegende Zeitung war so gefaltet, daß der Artikel sichtbar wurde, der Alex hergeführt hatte.
Auf einem Sofa, im Schatten, saß Roscoe Heyward.
Die drei begrüßten sich.
»Ich habe Roscoe gebeten, noch zu bleiben, weil ich ahne, was Sie zu mir führt.« Patterton legte eine Hand auf die Zeitung. »Sie haben das da natürlich gelesen.«
»Das habe ich«, sagte Alex. »Ich habe mir auch schon Dick French kommen lassen. Er sagte, daß Sie und Roscoe gestern über die Presse-Anfragen gesprochen haben. Meine erste Frage lautet deshalb, warum bin ich nicht informiert worden? Ich habe mit Forum East mehr zu tun als jeder andere.«
»Sie hätten informiert werden sollen, Alex.« Jerome Patterton schien die Sache peinlich zu sein. »Es war wohl so, glaube ich, daß wir ein bißchen nervös geworden sind, als wir aus den Anfragen der Presse schließen mußten, daß etwas durchgesickert ist.«
»Durchgesickert - worüber?«
Jetzt antwortete Heyward. »Es gibt einen Vorschlag, den ich dem finanzpolitischen Ausschuß am Montag vortragen werde -daß wir unsere Beteiligung an der Forum East-Finanzierung um annähernd fünfzig Prozent kürzen sollten.«
Eingedenk der Gerüchte, die in den letzten Tagen umgegangen waren, konnte ihn die Bestätigung eigentlich nicht mehr überraschen. Erstaunt war Alex nur über das Ausmaß der vorgeschlagenen Kürzung.
Er wandte sich an Patterton. »Jerome, verstehe ich recht, daß Sie diesen unglaublich törichten Vorschlag unterstützen?«
Röte breitete sich über das Gesicht des Präsidenten und seinen eiförmigen Schädel aus. »Bisher habe ich mich weder positiv noch negativ geäußert. Ich behalte mir meine Entscheidung bis Montag vor. Roscoe hat hier - gestern und heute - nichts anderes getan, als im voraus um Stimmen zu werben.«
»Stimmt«, sagte Roscoe Heyward und fügte ungerührt hinzu: »Eine durchaus legitime Taktik, Alex. Falls Sie was dagegen einzuwenden haben, darf ich Sie daran erinnern, daß Sie sehr oft mit Ihren eigenen Ideen zu Ben gezogen sind, bevor wir eine finanzpolitische Sitzung abhielten.«
»Mag sein«, sagte Alex, »aber dann waren meine Ideen auch verdammt viel vernünftiger als diese.«
»Das ist Ihre Privatmeinung.«
»Nicht ganz. Sie wird auch von anderen geteilt.«
Heyward blieb ganz unbewegt. »Meiner Meinung nach können wir die Gelder der Bank sehr viel besser nutzen.« Er wandte sich Patterton zu. »Was ich noch sagen wollte, Jerome, die Gerüchte, die da jetzt im Umlauf sind, könnten uns sogar nützlich sein, wenn der Vorschlag für eine Verringerung gebilligt wird. Dann kommt die Entscheidung doch wenigstens nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel.«
»Wenn Sie es so sehen«, sagte Alex, »dann haben Sie die Sache vielleicht selbst nach außen durchsickern lassen.«
»Ich versichere Ihnen, daß das nicht der Fall ist.«
»Wie erklären Sie es sich dann?«
Heyward zuckte die Achseln. »Reiner Zufall, vielleicht.«
Konnte das wirklich Zufall sein, überlegte Alex, oder hatte jemand aus Roscoe Heywards Umgebung einen Versuchsballon an seine, Alex', Adresse losgelassen? Harold Austin, der als Inhaber einer Werbeagentur schließlich die besten Verbindungen zur Presse hatte, wäre das durchaus zuzutrauen. Aber die Wahrheit würde man wohl nie erfahren.
Jerome Patterton hob die Hände. »Heben Sie doch beide Ihre Argumente bitte bis Montag auf. Wir werden sie dann Stück für Stück besprechen.«
»Wir wollen uns doch nichts vormachen«, sagte Alex Vandervoort mit Nachdruck. »Was heute zur Entscheidung ansteht, ist die Frage, wieviel Profit vernünftig, wieviel Profit exzessiv ist.«
Roscoe Heyward lächelte. »Offen gesagt, Alex, ich habe noch keinen Profit je für exzessiv gehalten.«
»Ich auch nicht«, warf Tom Straughan ein. »Ich gebe aber zu, daß es zu Schwierigkeiten Anlaß geben kann, wenn man einen exzeptionell hohen Gewinn einstreicht. So etwas gibt den Leuten Grund zur Kritik. Am Ende des Finanzjahres müssen wir es schließlich veröffentlichen.«
»Was ein weiterer Grund für uns sein sollte«, sagte Alex, »ein Gleichgewicht zwischen Gewinnsucht und Bereitschaft zum Dienst an der Allgemeinheit anzustreben.«
»Gewinn erzielen heißt, unseren Aktionären einen Dienst erweisen«, sagte Heyward. »Das ist der Dienst, dem ich den Vorrang gebe.«
Der finanzpolitische Ausschuß der Bank tagte in einem Direktions-Konferenzzimmer. Der aus vier Personen bestehende Ausschuß versammelte sich jeden zweiten Montag unter Roscoe Heywards Vorsitz. Die anderen Mitglieder waren Alex und zwei leitende Vizepräsidenten - Straughan und Orville Young.
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