Arthur Hailey - Die Bankiers

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Die First Mercantile American Bank, eine der zwanzig größter Banken der Vereinigten Staaten, auf Tradition gegründet, scheint ein Hort der Sicherheit und Stabilität. Hinter der glänzenden Fassade aber herrschen Zwietracht, Unfähigkeit und Korruption.
Roscoe Heyward, Vizepräsident der Bank, ebenso skrupellos wie intelligent, kämpft mit allen Mitteln um den Präsidentenposten. Sein Rivale ist Alex Vandervoort, der durch die tragische Krankheit seiner Frau Celia und seine Verbindung mit der politisch engagierten Anwältin Margot Bracken genug eigene Probleme hat, aber dennoch das Gewissen der Bank verkörpert. Er versucht, das der Bank drohende Unheil abzuwenden. Vergeblich.
Dem mächtigen G. G. Quartermain gelingt es, die unsauberen Kreditgeschäfte zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Er häuft Reichtümer auf, um in seiner Villa auf den Bahamas ein Leben in Luxus zu führen, umgeben von einer devoten Dienerschaft und schönen Frauen. Zu ihnen gehört die verführerische Avril, der es gelingt, Roscoe Heyward zu ihrem willfährigen Opfer zu machen. Denn für Roscoe Heyward ist es die große Chance, als ihm Quartermain ein gemeinsames »lockeres Wochenende« auf den Bahamas vorschlägt. Zwei Tage lang widersteht der Bankmann den Kreditwünschen seines Gastgebers und den schönen Augen der verführerischen Avril. Dann bewilligt Heyward den 50-Millionen-Kredit für Quartermains Firma »Supranational«. Heyward sieht sich im Kampf um den Präsidentenposten bereits als Sieger. Da bricht Quartermains betrügerisches Finanzkarussell zusammen. Die First Mercantile American Bank schlittert in eine Katastrophe.
Weiteres Unheil droht der Bank aus den eigenen Reihen. Der junge Angestellte Miles Eastin verstrickt sich tiefer und tiefer in Schuld, aus der ihn nur ein kühnes Unternehmen zu retten vermag. Der Einsatz ist hoch: Es geht um sein Leben. Kann Alex Vandervoort dieser Lawine standhalten und den Zusammenbruch des traditionsreichen Hauses verhindern?
Bestsellerautor Arthur Hailey zeigt sich in seinem neuesten Roman auf der Höhe seiner Meisterschaft. Wie keinem zweiten gelingt es ihm, seine fundierten Inside-Kenntnisse mit einer hinreißenden Romanhandlung zu verknüpfen, die den Leser bis zur letzten Seite dieses Finanzthrillers in Atem hält.
Originalausgabe: The Moneychangers
Ins Deutsche übertragen von Erwin Dunker
Buchgemeinschaft Donauland © 1976 Verlag Ullstein GmbH, Berlin
Umschlagfoto: Paramount-Television

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ERSTER TEIL

1

An diese zwei Tage in der ersten Oktoberwoche sollten sich noch lange danach viele Menschen lebhaft und mit Schaudern erinnern.

Am Dienstag dieser Woche gab der alte Ben Rosselli, Präsident der First Mercantile American Bank und Enkel des Gründers der Bank, eine persönliche Erklärung ab, die überraschend und erschreckend und deren Nachhall in jeder Abteilung der Bank und weit darüber hinaus zu vernehmen war. Am nächsten Tag, Mittwoch, entdeckte das »Flaggschiff« der Bank, die Cityfiliale, das Vorhandensein eines Diebes - und damit wurde eine Reihe von Ereignissen in Gang gesetzt, die kaum ein Mensch hätte vorhersehen können und an deren Ende finanzieller Zusammenbruch, menschliche Tragödie und Tod standen.

Die Erklärung des Bankpräsidenten kam ohne Vorwarnung; bemerkenswerterweise war auch vorher nichts durchgesickert. Früh am Morgen hatte Ben Rosselli einige seiner Direktoren angerufen; manche erreichte er zu Hause beim Frühstück, andere kurz nach ihrem Eintreffen am Arbeitsplatz. Er benachrichtigte auch noch einige, die nicht Mitglieder des Direktoriums waren, schlichte, altgediente Angestellte, die der alte Ben als seine Freunde betrachtete.

Die Nachricht lautete in jedem Fall gleich: Bitte seien Sie um 11.00 Uhr vormittags im Sitzungszimmer des Towers der Zentrale.

Außer Ben waren jetzt alle im Sitzungszimmer versammelt, an die zwanzig; sie standen in Gruppen zusammen, unterhielten sich leise und warteten. Alle standen; niemand konnte sich dazu entschließen, als erster einen Stuhl von dem spiegelblank polierten Direktoriumstisch zurückzuziehen, der länger als ein Squash Court war und Platz für vierzig Personen bot.

Eine scharfe Stimme übertönte das leise Stimmengewirr: »Wer hat das angeordnet?«

Köpfe wandten sich um. Roscoe Heyward, Vizepräsident und Finanzdirektor, hatte zu einem Kellner in weißer Jacke vom Kasino der leitenden Angestellten gesprochen. Der Mann war mit Cherry-Karaffen hereingekommen und war dabei einzuschenken.

Heyward, in der FMA Bank als streng und unnahbar bekannt, war leidenschaftlicher Abstinenzler. Sein betonter Blick auf die Uhr besagte deutlich: Trinken - und schon so früh am Tage! Mehrere, die bereits nach ihren Gläsern gegriffen hatten, zogen die Hand zurück.

»Weisung von Mr. Rosselli, Sir«, erklärte der Kellner. »Und er hat ausdrücklich den besten Sherry verlangt.«

Eine stämmige Gestalt, nach neuester Mode in Hellgrau gekleidet, wandte sich um und sagte unbefangen: »Jetzt oder später, warum etwas Gutes stehenlassen?«

Alex Vandervoort, blauäugig und blond mit einem Hauch von Grau an den Schläfen, war ebenfalls Vizepräsident und Mitglied des Direktoriums. Seine freundliche und zwanglose Art, dazu seine Aufgeschlossenheit allem Modernen gegenüber ließen nicht so schnell vermuten, daß sich ein stählerner Wille darunter verbarg. Diese beiden - Heyward und Vandervoort - bildeten die zweite Führungsebene unterhalb der Präsidentschaft; sie waren beide erfahrene Männer und zur Zusammenarbeit bereit, aber auch gleichzeitig in vieler Hinsicht Rivalen. Diese Rivalität, ihre gegensätzlichen Ansichten teilten sich der ganzen Bank mit und verschafften beiden ein Gefolge eigener Anhänger auf den unteren Ebenen.

Alex nahm jetzt zwei gefüllte Gläser und reichte eins davon Edwina D'Orsey, der brünetten, hochgewachsenen, ranghöchsten Frau in der FMA.

Edwina fing einen mißbilligenden Blick von Heyward auf. Na und, dachte sie. Roscoe wußte, daß sie zur Anhängerschaft von Vandervoort gehörte.

»Danke, Alex«, sagte sie und nahm das Glas.

Es trat ein Augenblick der Spannung ein, dann folgten andere dem Beispiel.

Man sah es Roscoe Heyward an, daß er sich ärgerte. Er schien noch etwas sagen zu wollen, besann sich dann aber anders.

An der Tür des Sitzungszimmers erhob der Vizepräsident für Sicherheitsfragen, Nolan Wainwright, ein baumlanger Othello und einer der beiden anwesenden schwarzen Direktoren, die Stimme. »Mrs. D'Orsey, meine Herren - Mr. Rosselli.«

Das Stimmengewirr erstarb.

Ben Rosselli hatte den Raum betreten. Mit einem leichten Lächeln ließ er den Blick über die Gruppe schweifen. Wie immer strahlte seine Erscheinung etwas wohlwollend Väterliches aus und dazu die beruhigende Solidität eines Mannes, dem Tausende von Mitbürgern ihr Geld zu sicherem Gewahrsam anvertrauten. Beide Rollen paßten zu ihm, und er kleidete sich entsprechend: Er trug das Schwarz der Staatsmänner und Bankiers, und über die unvermeidliche Weste schwang sich eine dünne goldene Uhrkette. Auffallend war die Ähnlichkeit dieses Mannes mit dem ersten Rosselli, jenem Giovanni Rosselli, der die Bank vor einem Jahrhundert im Keller eines Krämerladens gegründet hatte. Giovannis Patrizierhaupt mit wallendem Silberhaar und stattlichem Schnurrbart zierte die Ausweise und Traveller-Schecks der Bank als Symbol der Rechtschaffenheit, und seine Büste war der Blickfang unten auf der Rosselli Plaza.

Silberhaar und Bart des gegenwärtigen Rosselli waren fast ebenso üppig. Die Mode hatte sich im Laufe des einen Jahrhunderts einmal im Kreise gedreht. Kein Abbild aber konnte die Dynamik der Familie wiedergeben, die alle Rossellis besessen hatten und die, im Verein mit Einfallsreichtum und grenzenloser Energie, die First Mercantile American zu ihrem derzeitigen Rang erhoben hatte. Heute aber ließ Ben Rosselli die übliche Lebhaftigkeit vermissen. Er stützte sich beim Gehen auf einen Stock, was noch keiner der Anwesenden je gesehen hatte.

Jetzt streckte er die Hand aus, wie um einen der schweren Direktorenstühle zu sich heranzuziehen. Aber Nolan Wainwright, der ihm am nächsten stand, kam ihm zuvor. Der Sicherheitschef schwenkte den Stuhl herum, so daß die hohe Lehne dem Direktoriumstisch zugewandt war. Mit einem gemurmelten Dank nahm der Präsident Platz und setzte sich zurecht.

Dann machte Ben Rosselli eine einladende Handbewegung. »Keine Umstände heute. Wir machen es kurz. Wenn Sie mögen, rücken Sie sich einen Stuhl heran. Danke, wunderbar.« Die letzte Bemerkung galt dem Kellner, von dem er ein Glas Sherry angenommen hatte. Der Mann verließ das Sitzungszimmer und schloß die Tür hinter sich.

Irgend jemand bot Edwina D'Orsey einen Stuhl an; auch andere setzten sich, aber die meisten blieben stehen.

Alex Vandervoort sprach als erster. »Offenbar haben wir uns hier zum Feiern versammelt.« Er schwenkte sein Glas. »Die Frage ist nur - was feiern wir?«

Wieder lächelte Ben Rosselli flüchtig. »Ich wollte, es wäre eine Feier, Alex. Es handelt sich aber nur um einen Anlaß, bei dem vielleicht ein guter Schluck hilfreich sein könnte.« Er machte eine Pause, und plötzlich breitete sich neue Spannung über dem Raum aus. Jedem war jetzt bewußt, daß es sich hier nicht um eine gewöhnliche Sitzung handelte. Aus den Mienen sprachen Unsicherheit und Besorgnis.

»Ich werde bald sterben«, sagte Ben Rosselli. »Die Ärzte geben mir nicht mehr viel Zeit. Ich dachte, Sie hätten ein Recht, das zu erfahren.« Er hob sein Glas, betrachtete es und trank einen kleinen Schluck.

Im Sitzungssaal hatte bisher Ruhe geherrscht; jetzt war die Stille beinahe zu spüren. Niemand bewegte sich, niemand sagte ein Wort. Von draußen drangen schwache Geräusche herein; das gedämpfte Klappern einer Schreibmaschine, das Summen der Klimaanlage; irgendwo im Freien stieg ein Düsenflugzeug in den Himmel über der Stadt.

Der alte Ben beugte sich, auf den Stock gestützt, ein wenig vor. »Bitte, wollen wir doch nicht verlegen sein. Wir sind alte Freunde; deshalb habe ich Sie auch hergebeten. Ach ja, und um Ihren Fragen zuvorzukommen: Was ich Ihnen eben mitgeteilt habe, ist definitiv; würde ich auch nur die geringste Chance sehen, daß es sich anders verhält, hätte ich noch gewartet. Und das andere, was Sie jetzt vermutlich wissen möchten - es handelt sich um Lungenkrebs, und zwar, wie man mir gesagt hat, im weit fortgeschrittenen Stadium. Weihnachten werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben.« Er machte eine Pause, und plötzlich wurden Gebrechlichkeit und Erschöpfung sichtbar. Leiser fügte er hinzu: »So, jetzt wissen Sie's, und ich überlasse es Ihnen, ob und wann Sie es bekanntgeben wollen.«

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