Es war ein gut ausgedachter Plan, dem Alex nur schwer etwas entgegenzusetzen haben würde.
»Etwas habe ich noch nicht erwähnt«, sagte Heyward. »Nicht einmal Ihnen gegenüber, Jerome. Es könnte von Bedeutung sein für die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben.«
Die anderen sahen ihn mit neu erwachtem Interesse an.
»Ich hoffe, ja, die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß wir in Kürze substantiell mit Supranational Corporation ins Geschäft kommen. Das ist ein weiterer Grund, warum ich zögere, Gelder anderswo festzulegen.«
»Das ist ja eine phantastische Nachricht«, sagte Orville Young.
Selbst Tom Straughan reagierte überrascht und beifällig.
Die Supranational - oder SuNatCo, wie die weltweit bekannte Kurzform lautete - war ein multinationaler Riese, ein General Motors der globalen Kommunikation. Außerdem besaß oder kontrollierte SuNatCo Dutzende anderer Gesellschaften, die etwas mit ihrer ursprünglichen Aufgabe zu tun haben mochten oder auch nicht; ihr vielfältiger Einfluß auf Regierungen aller Schattierungen, von Demokratien bis hin zu Diktaturen, war angeblich größer als der irgendeines anderen Unternehmens in der Geschichte. Gelegentlich wurde behauptet, daß die SuNatCo mehr reale Macht besäße als die meisten souveränen Staaten, in denen sie operierte.
Bis jetzt hatte die SuNatCo sich in ihren amerikanischen Bankgeschäften auf die großen Drei beschränkt - die Bank of America, die First National City und die Chase Manhattan. Sich diesem exklusiven Trio zugesellen zu dürfen, das würde den Status der First Mercantile American unermeßlich steigern.
»Das sind aufregende Aussichten, Roscoe«, sagte Patterton.
»Weitere Einzelheiten hoffe ich auf unserer nächsten finanzpolitischen Sitzung bekanntgeben zu können«, fügte Heyward hinzu. »Allem Anschein nach wünscht die Supranational, daß wir eine bedeutende Kreditlinie eröffnen.«
Tom Straughan erinnerte sie: »Wir brauchen noch eine Abstimmung über Forum East.«
»Richtig«, bestätigte Heyward. Er lächelte zuversichtlich. Nach dieser Eröffnung bestand für ihn kein Zweifel mehr, wie die Forum East-Entscheidung ausfallen würde.
Erwartungsgemäß sprachen sich Alex Vandervoort und Tom Straughan gegen die Verringerung der Mittel aus, Roscoe Heyward und Orville Young dafür.
Alle Köpfe wandten sich Jerome Patterton zu, dessen Votum den Ausschlag geben mußte.
Der Bankpräsident zögerte nur ganz kurz, dann sagte er: »Alex, in dieser Sache gehe ich mit Roscoe.«
»Hier herumzusitzen und Trübsal zu blasen, nützt überhaupt nichts«, erklärte Margot. »Wir müssen uns von unseren versammelten Hintern erheben und zur Tat schreiten.«
»Zum Beispiel die gottverdammte Bank in die Luft sprengen?« fragte einer.
»Nix da! Ich habe Freunde in dem Bau. Außerdem ist das Sprengen von Banken absolut ungesetzlich.«
»Wer sagt denn, daß wir nichts Ungesetzliches tun dürfen?«
»Ich zum Beispiel«, erklärte Margot mit Schärfe. »Und wenn irgendein neunmalkluger Kläffer hier was anderes meint, dann kann er sich einen anderen Sprecher suchen und eine andere Bude.«
Margot Brackens Anwaltskanzlei war an diesem Donnerstagabend der Schauplatz einer Sitzung des Exekutivausschusses des Mieterverbandes von Forum East. Der Verband war einer von vielen Gruppen der Innenstadt, denen Margot als Rechtsberaterin zur Seite stand und die ihre Kanzlei als Versammlungslokal benutzten, wofür sie manchmal Geld bekam, meistens aber nicht.
Glücklicherweise war ihre Kanzlei bescheiden - zwei Räume, die einmal einen Kramladen beherbergt hatten. Ein paar übernommene alte Regale waren jetzt mit ihren juristischen Büchern gefüllt. Im übrigen bestand das Mobiliar, das nicht recht zueinander paßte, aus allerlei Gerümpel, das sie irgendwo billig erstanden hatte.
Es war typisch für die Gegend, daß zwei andere ehemalige Läden zu beiden Seiten ihrer Kanzlei verlassen und mit Brettern vernagelt waren. Mit Glück und einiger Initiative der Anwohner würde die Sanierungsflut von Forum East auch diesen Winkel erreichen. Bisher war das noch nicht der Fall.
Aber die Neuigkeiten über Forum East hatten sie hier zusammengeführt.
Vor zwei Tagen hatte die First Mercantile American in einer öffentlichen Erklärung bestätigt, was bisher nur ein Gerücht gewesen war. Die Finanzierungsmittel künftiger Forum East-Projekte sollten mit sofortiger Wirkung auf die Hälfte reduziert werden.
Die Erklärung der Bank war in offiziellem Jargon abgefaßt und strotzte von euphemistischen Phrasen - es herrsche eine »befristete Knappheit von langfristig verfügbarem Kapital«, und man werde das Thema »periodisch überprüfen und gegebenenfalls die Summen variieren«. Jeder, ob Angestellter der Bank oder nicht, wußte genau, was die Sache bedeutete -man zog sich langsam aus den Verpflichtungen zurück.
Zweck der jetzigen Versammlung war es zu untersuchen, ob man etwas dagegen tun könne, und wenn ja, was.
Das Wort »Mieter« im Namen des Verbandes war mehr allgemein zu verstehen. Ein großer Teil der Verbandsmitglieder war tatsächlich Mieter in Forum East; viele andere waren es nicht, hofften aber, es möglichst bald zu werden. Deacon Euphrates, ein baumlanger Stahlarbeiter, hatte es vorhin so formuliert: »'ne Masse Leute wollen da rein, aber da können sie lange drauf warten, wenn die da oben die Piepen nicht lockermachen.«
Margot wußte, daß Deacon mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in einer Bruchbude von Mietskaserne, in der es von Ratten wimmelte und die vor Jahren hätte abgerissen werden müssen, eine winzige und hoffnungslos überfüllte Wohnung hatte; ein paar Mal hatte sie versucht, ihm bei der Suche nach einer anderen Bleibe zu helfen, aber ohne Erfolg. Deacon Euphrates lebte von der Hoffnung, eines Tages mit seiner Familie in eine der neuen Forum East-Wohnungen einziehen zu können, aber der Name der Euphrates stand in der Mitte einer sehr langen Warteliste, und eine Verzögerung der Bauarbeiten mußte bedeuten, daß er da auch noch sehr lange bleiben würde.
Die FMA-Bekanntmachung war auch für Margot ein Schock gewesen. Alex, das wußte sie, hatte gewiß gegen jeden Vorschlag einer Reduzierung gekämpft, war aber offensichtlich überstimmt worden. Aus diesem Grunde hatte sie noch nicht mit ihm darüber gesprochen. Außerdem - je weniger Alex von einigen noch nicht ganz ausgereiften Plänen Margots wußte, um so besser war es für sie beide.
»Ich sehe das so«, sagte Seth Orinda, ebenfalls Mitglied des Komitees. »Was wir aufstellen, ob legal oder nicht, es gibt keine Möglichkeit, auch nicht die geringste, den Banken das Geld aus der Nase zu ziehen. Nicht, wenn die es sich erst mal in den Kopf gesetzt haben, das Portemonnaie zuzumachen.«
Seth Orinda war ein schwarzer Oberschullehrer, der schon in Forum East wohnte. Er verfügte über einen stark ausgeprägten Gemeinschaftssinn, und die Tausende, die draußen voller Hoffnung darauf warteten, endlich auch einziehen zu können, waren ihm nicht gleichgültig. Seine Verläßlichkeit und Hilfsbereitschaft waren Margot schon oft eine große Stütze gewesen.
»Da würde ich nicht so sicher sein, Seth«, erwiderte sie. »Auch Banken haben ihre empfindlichen Stellen. Eine Harpune in so eine Stelle gepiekt - und es können die überraschendsten Dinge passieren.«
»Was für 'ne Harpune denn?« fragte Orinda. »Ein Umzug? Ein Sit-in? Eine Demonstration?«
»Nein«, sagte Margot. »Schlagen Sie sich das alles aus dem Kopf. Das ist alter Schnee. Konventionelle Demonstrationen locken keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Man empfindet sie höchstens noch als Belästigung. Damit erreicht man nichts.«
Ihr Blick schweifte über die Gruppe, die vor ihr in dem unordentlichen, verqualmten Büro hockte. Es waren ungefähr ein Dutzend Leute, schwarz und weiß gemischt, alle Formen, Größen und Physiognomien waren vertreten. Einige hockten unbequem auf wackligen Stühlen und auf Kisten, andere hatten sich auf dem Fußboden niedergelassen. »Hört mal gut zu, alle. Ich sagte, wir brauchen Taten. Ich glaube, es gibt da was, das könnte funktionieren.«
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