Am anderen Ende wurde aufgelegt.
Man schrieb 1974, ein Jahr großer Ereignisse in aller Welt. Präsident Nixon trat zurück, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen, und Gerald Ford folgte ihm ins Weiße Haus nach. Die OPEC beendete ihr Ölembargo, und Isabel Peron wurde Präsidentin Argentiniens. Und in Chicago legte Lara Cameron den Grundstein für ihr zweites Hotel, das Chicago Cameron Plaza. Es wurde nach achtzehn Monaten Bauzeit eingeweiht und erwies sich als noch erfolgreicher als das Cameron Palace.
Danach war Lara nicht mehr aufzuhalten. Später schrieb das MagazinForbes ganz richtig: »Lara Cameron ist ein Phänomen. Ihre Innovationen haben unsere Auffassung von Luxushotels erheblich verändert. Miss Cameron hat sich in der traditionell von Männern beherrschten Baubranche durchgesetzt und so den Beweis geführt, daß Frauen auch dort mindestens soviel leisten können wie Männer.«
Lara bekam einen Anruf von Charles Cohn.
»Meinen Glückwunsch!« sagte Cohn. »Ich bin stolz auf Sie. Ich hatte vor Ihnen noch nie einen Schützling gehabt.«
»Und ich hatte nur einen Mentor. Ohne Sie wäre das alles nicht passiert.«
»Sie hätten Ihren Weg auch ohne mich gemacht«, antwortete Cohn.
Im Jahr 1975 war der Film »Der weiße Hai« ein Kassenschlager, und viele Amerikaner trauten sich nicht mehr, im Ozean zu baden. Die Weltbevölkerung überschritt die Viermilliardengrenze und verringerte sich um einen Menschen, als der amerikanische Gewerkschaftsführer James Hoffa auf rätselhafte Weise verschwand. Als Lara von vier Milliarden Menschen hörte, fragte sie Keller: »Kannst du dir vorstellen, wieviel Wohnraum die brauchen werden?« Er war nicht ganz sicher, ob das als Scherz gemeint war.
In den folgenden drei Jahren wurden zwei Apartmentgebäude und eine Eigentumsanlage fertiggestellt. »Als nächstes möchte ich ein Bürogebäude errichten«, erklärte Lara Keller. »In bester Innenstadtlage.«
»Wie ich gehört habe, kommt ein interessantes Grundstück auf den Markt«, sagte Keller. »Wenn es dir gefällt, übernehmen wir die Finanzierung.«
Nachmittags fuhren sie los, um das Grundstück in Bestlage am Lake Michigan zu besichtigen.
»Was soll es kosten?« fragte Lara.
»Ich habe mich inzwischen erkundigt. Hundertzwanzig Millionen Dollar.«
Lara schluckte trocken. »Das macht mir angst.«
»Lara, im Immobiliengeschäft kommt es nur darauf an, mit fremdem Geld zu arbeiten.«
Anderer Leute Geld, dachte Lara. Das hatte Bill Rogers ihr in Glace Bay gepredigt. Alles das schien Ewigkeiten zurückzuliegen, und seitdem hatte sich unglaublich viel ereignet.
Und das ist erst der Anfang, sagte sie sich. Das ist erst der Anfang.
»Manche Bauträger stellen ihre Gebäude praktisch ohne Eigenkapital hin.«
»Klingt verlockend.«
»Es ist wichtig, das Gebäude so teuer zu vermieten oder zu verkaufen, daß nach der Schuldentilgung Geld übrigbleibt, mit dem das nächste Grundstück erworben werden kann, das sich wiederum beleihen läßt. Das Ganze gleicht einer auf der Spitze stehenden Pyramide, die sich mit sehr wenig Eigenkapital errichten läßt.«
»Ja, ich verstehe«, sagte Lara.
»Natürlich mußt du dabei vorsichtig sein. Die Pyramide ist auf Papier errichtet - auf Hypotheken. Geht irgend etwas schief, reichen die Gewinne aus einem Projekt nicht mehr aus, um die Kosten des nächsten zu decken, kann deine Pyramide einstürzen und dich unter sich begraben.«
»Richtig. Wie kann ich dieses Grundstück finanzieren?«
»Wir suchen dir einen Partner. Darüber muß ich mit Vance reden. Sollte das Kreditvolumen für unsere Bank zu hoch sein, gehen wir zu einer Versicherungsgesellschaft oder einer Sparbank. Du nimmst ein Hypothekendarlehen über fünfzig Millionen Dollar zu Vorzugsbedingungen auf: fünf Millionen Disagio, zehn Prozent Gewinnbeteiligung und natürlich die Tilgung. In der Praxis heißt das, daß du zehn Prozent deines Gewinns abgeben mußt, aber dafür bekommst du dein Projekt voll finanziert. Du kannst dein Eigenkapital wieder entnehmen und die Abschreibung zu hundert Prozent selbst beanspruchen, weil institutionelle Anleger keine Verwendung für steuerliche Verluste haben.«
Lara hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu.
»Bis hierher alles klar?«
»Alles klar, Howard.«
»Nach fünf, sechs Jahren verkaufst du das inzwischen voll vermietete Gebäude. Bekommst du fünfundsiebzig Millionen dafür, bleibt dir nach Zurückzahlung der Hypothek ein Reingewinn von zwölfeinhalb Millionen Dollar. Außerdem stehen dir Abschreibungen von acht Millionen Dollar zu, die sich steuermindernd auswirken. Und das alles bei einem Eigenkapital von zehn Millionen!«
»Phantastisch!« sagte Lara.
Keller nickte grinsend. »Der Staat will, daß seine Bürger Geld verdienen.«
»Möchtest du nicht auch Geld verdienen, Howard? Massenhaft Geld?«
»Wie meinst du das?«
»Ich möchte, daß du in Zukunft für mich arbeitest.«
Keller antwortete nicht gleich. Er wußte, daß er vor einer der wichtigsten Entscheidungen seines Lebens stand, aber sie nichts mit Geld zu tun hatte. Es ging um Lara. Er hatte sich in sie verliebt ...
Noch jetzt war ihm der Augenblick peinlich, in dem er versucht hatte, ihr das zu sagen. Er hatte seinen Heiratsantrag die ganze Nacht lang geprobt, war am nächsten Morgen zu ihr gegangen und hatte gestammelt: »Lara, ich liebe dich.« Aber bevor er hatte weitersprechen können, hatte sie ihn auf die Wange geküßt und dabei gesagt: »Ich liebe dich auch, Howard. Hier, sieh dir mal die neue Produktionsplanung an.« Er hatte nie den Mut zu einem zweiten Versuch gehabt.
Jetzt bot sie ihm an, ihr Partner zu werden. Er würde jeden Tag in ihrer Nähe arbeiten, ohne sie auch nur berühren zu dürfen, ohne sie .
»Glaubst du an meinen Erfolg, Howard?«
»Ich wäre verrückt, wenn ich es nicht täte.«
»Ich verdopple dein jetziges Gehalt und beteilige dich mit fünf Prozent an meinem Unternehmen.«
»Kann ich . kann ich mir das noch überlegen?«
»Was gibt's da viel zu überlegen?«
Sein Entschluß stand fest. »Eigentlich nichts ... Partnerin.«
Lara umarmte ihn impulsiv. »Wunderbar! Du wirst sehen, gemeinsam bauen wir die schönsten Sachen! Es gibt so viele häßliche Gebäude, die gar nicht sein müßten. Jedes Gebäude sollte dieser Stadt Tribut zollen.«
Howard legte ihr eine Hand auf den Arm. »Bleib' immer, wie
du bist, Lara.« Sie starrte ihn an.
»Darauf kannst du dich verlassen!«
Die späten siebziger Jahre waren eine Zeit des Wachstums, der aufregenden Veränderungen. Im Jahre 1976 fand ein erfolgreiches israelisches Kommandounternehmen in Entebbe statt, Mao Tsetung starb, und James Earl Carter wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.
Lara baute ein weiteres Bürogebäude.
Im Jahre 1977 starb Charlie Chaplin, die erste amerikanische Raumfähre startete auf dem Rücken einer Boeing 747 zum Probeflug, und Elvis Presley starb, auch wenn seine Fans das nicht wahrhaben wollten.
Lara baute das größte Einkaufszentrum Chicagos.
Im Jahre 1978 begingen der Reverend Jim Jones und 911 seiner Anhänger in Guyana Massenselbstmord. Die Vereinigten Staaten erkannten China an, und der Vertrag über den Panamakanal wurde ratifiziert.
Lara baute in Rogers Park eine Kette von Hochhäusern mit Eigentumswohnungen.
Im Jahre 1979 unterzeichneten Israel und Ägypten in Camp David den Friedensvertrag, im Kernkraftwerk Three Mile Island ereignete sich ein Unfall, und iranische Fundamentalisten besetzten die amerikanische Botschaft in Teheran.
Lara baute einen Wolkenkratzer und in Deerfield, nördlich von Chicago, eine Freizeitanlage mit einem luxuriösen Country Club.
Lara Cameron ging selten zu ihrem Vergnügen aus - und wenn, dann meistens in einen Club, in dem guter Jazz gespielt wurde. Am besten gefiel ihr Andy's, wo wirkliche Stars auftra-ten. Dort spielte der große Saxophonist von Freeman, der Schlagzeuger Eric Schneider, der Klarinettist Anthony Braxton und der Pianist Art Hodes.
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