Sie rechnete eifrig. Ein Bankdarlehen für die Renovierung war sicher zu bekommen. Das Problem bestand darin, daß sie sechs Millionen Eigenkapital brauchte, aber nur drei Millionen hatte. Diamonds Preis war zu hoch, aber sie wollte dieses Hotel. Sie wollte es mehr als irgend etwas anderes in ihrem bisherigen Leben.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte Lara.
Er hörte aufmerksam zu. »Yeah?«
»Sie bekommen, was Sie verlangen ...«
Diamond grinste zufrieden. »Das läßt sich hören.«
»Und ich gebe Ihnen als Anzahlung drei Millionen in bar.«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts zu machen. Ich brauche die sechs Millionen Dollar in bar.«
»Die bekommen Sie auch.«
»Yeah? Von wem kommen die anderen drei?«
»Von Ihnen.«
»Was?«
»Sie geben mir eine zweite Hypothek über drei Millionen.«
»Sie wollen sich vonmir Geld leihen, um mein Hotel zu kaufen?«
Das hatte Sean MacAllister sie schon damals in Glace Bay
gefragt.
»Sie müssen die Sache folgendermaßen sehen«, erklärte Lara ihm. »Tatsächlich leihen Sie sich dieses Geld selbst. Das Hotel bleibt zumindest teilweise Ihr Eigentum, bis ich meine Schulden bezahlt habe. Sicherer können Sie Ihr Geld gar nicht anlegen!«
Er dachte darüber nach. Dann grinste er plötzlich. »Lady, ab sofort gehört Ihnen ein Hotel.«
Howard Kellers Büro in der Bank war nur ein Glaskasten in einem Großraumbüro mit seinem Namen an der Tür. Als Lara hereinkam, war sein Anzug noch verknitterter als bei ihrem ersten Besuch.
»Schon wieder da?«
»Sie haben gesagt, ich sollte kommen, sobald ich ein Hotel gefunden habe. Ich habe eines gefunden.«
Keller lehnte sich in seinen Sessel zurück. »Schön, erzählen Sie mir davon.«
»Es ist das alte Congressional Hotel in der Delaware Street -nicht weit vom Michigan Boulevard entfernt. Es ist ziemlich heruntergekommen, aber ich möchte es kaufen und daraus das beste Hotel Chicagos machen.«
»Zu welchen Bedingungen kaufen?«
Lara berichtete, was sie mit Diamond vereinbart hatte.
Keller runzelte die Stirn. »Okay, mal sehen, was Bob Vance dazu sagt.«
Vance hörte aufmerksam zu und machte sich dabei Notizen.
»Das könnte gehen«, meinte er dann, »aber . « Er sah zu Lara hinüber. »Haben Sie schon mal ein Hotel geführt, Miss Cameron?«
Lara erinnerte sich an die vielen Jahre, in denen sie in Glace Bay Betten gemacht, Böden geschrubbt, Wäsche gewaschen, Essen serviert und Geschirr gespült hatte.
»Ich habe ein Fremdenheim voller Bergleute und Holzfäller geführt. Im Vergleich dazu ist die Führung eines Hotels ein Kinderspiel.«
Howard Keller sagte: »Ich möchte mir das Objekt mal ansehen.«
Laras Begeisterung war ansteckend. Howard Keller beobachtete ihr Gesicht, während sie gemeinsam die schäbigen Hotelzimmer besichtigten. Er sah die Räume mit ihren Augen.
»Dies wird eine Luxussuite mit Sauna«, erklärte Lara ihm aufgeregt. »Der Kamin kommt hierher, der Flügel steht dort drüben.« Sie ging im Zimmer auf und ab. »Reiche Leute, die nach Chicago kommen, wohnen in den besten Hotels - aber auch dort bekommen sie nur nüchterne, unpersönliche Zimmer. Was wir zu bieten haben, kostet vielleicht etwas mehr, aber dafür ist es dann wirklich ein >Zuhause in der Fremde<.«
»Eindrucksvoll«, murmelte Howard Keller. Lara blieb vor ihm stehen. »Glauben Sie, daß die Bank mir das Geld leiht?« »Das werden wir gleich herausbekommen.«
Eine Dreiviertelstunde später konferierte Keller bereits wieder mit Bob Vance. »Was halten Sie von ihrem Projekt?« fragte Vance. »Ich glaube, daß das Mädchen eine gute Idee gehabt hat. Ihre Vorstellung von einem Luxushotel gefällt mir.«
»Mir auch«, gab Vance zu. »Problematisch ist nur, daß sie so jung und unerfahren ist. Das macht die Sache riskanter.«
Die folgende halbe Stunde verbrachten sie damit, über Kosten und Gewinnchancen zu diskutieren.
»Ich glaube, wir sollten's mit ihr versuchen«, sagte Keller zuletzt. »Verlieren können wir dabei nicht.« Er grinste. »Schlimmstenfalls können Sie und ich ja dann selbst in das neue Hotel ziehen.«
Howard Keller rief Lara im Palmer House an. »Unser Haus hat
soeben Ihren Kredit bewilligt.«
Lara stieß einen Schrei aus. »Ist das Ihr Ernst? Oh, wie wunderbar! Danke, vielen Dank!«
»Wir müssen noch einiges besprechen«, sagte Keller. »Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«
»Gern.«
»Gut, dann hole ich Sie um halb acht ab.«
Sie aßen im Imperial House. Lara war so aufgeregt, daß sie kaum einen Bissen herunterbrachte.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, wie glücklich ich bin«, jubelte sie. »Ich baue das schönste Hotel Chicagos!«
»Vorsicht«, sagte Keller warnend, »der Weg ist noch lang.« Er zögerte. »Darf ich ganz offen sein, Miss Cameron?«
»Lara.«
»Lara. Sie sind hier völlig unbekannt. Niemand weiß, wie er Sie einzuschätzen hat.«
»In Glace Bay ...«
»Chicago ist nicht Glace Bay. Hier müssen Sie erneut zeigen, was Sie können.«
»Warum ist Ihre Bank dann bereit, mir zu helfen?« wollte Lara wissen.
»Verstehen Sie mich bitte richtig. Wir sind nicht die Wohlfahrt. Schlimmstenfalls riskieren wir, keinen Gewinn zu machen. Aber ich habe das Gefühl, daß Sie's schaffen und noch mehr Erfolg haben werden. Sie wollen sich doch nicht mit diesem einen Hotel begnügen?«
»Natürlich nicht!« sagte Lara.
»Das habe ich vermutet. Normalerweise bedeutet eine Kreditgewährung nicht, daß wir uns selbst für das jeweilige Projekt engagieren. Aber in diesem Fall möchte ich Ihnen helfen, wo immer ich kann.«
Howard Kellers Engagement hatte sehr persönliche Gründe. Er hatte sich vom ersten Augenblick an zu Lara Cameron
hingezogen gefühlt. Der Enthusiasmus und das Durchsetzungsvermögen dieser schönen Kindfrau fesselten ihn. Er wünschte sich nichts mehr, als ihr zu imponieren. Vielleicht, dachte Keller, erzähle ich ihr eines Tages, wie nah ich daran gewesen bin, berühmt zu werden ...
Es war das letzte Spiel der World Series, und Wrigley Field war mit 38960 kreischenden Fans ausverkauft. »In der zweiten Hälfte des neunten Innings führen die Cubs gegen die Yankees mit eins zu null. Die Yankees sind am Schlag und haben zwei Strike Outs. Alle Bases sind besetzt: Tony Kubek am ersten, Whitey Ford am zweiten und Yogi Berra am dritten.«
Ein Aufschrei ging durch die Menge, als Mickey Mantle an die Home Plate trat. »The Mick« hatte in dieser Saison einen Durchschnitt von .304 erzielt und im laufenden Jahr schon zweiundvierzig Home Runs geschlagen.
Jack Brickhouse, der populäre Stadionsprecher von Wrigley Field, sagte auf geregt: »Oh, oh ... anscheinend soll der Pitcher ausgewechselt werden. Moe Drabowsky wird aus dem Spiel genommen ... Bob Scheffing, der Manager der Cubs, redet mit dem Schiedsrichter ... mal sehen, wer jetzt reinkommt ... Howard Keller! Keller ist auf dem Weg zur Pitcher 's Plate, und die Fans sind aus dem Häuschen! Die gesamte Verantwortung für die World Series ruht auf den Schultern dieses jungen Mannes. Kann er das Duell gegen den großen Mickey Mantle gewinnen? Wir werden es bald wissen! Keller steht auf dem Mound . ersieht sich nach den Bases um . eratmet tief durch und holt aus. Da kommt der Ball! Mantle holt aus ... schlägt gewaltig zu ... und verfehlt den Ball! Strike one!«
Im Stadion war es still geworden. Mantle trat mit grimmiger Miene etwas weiter vor und hielt seinen Schläger bereit. Howard Keller sah erneut nach den Runners. Trotz des auf ihm lastenden Drucks wirkte er ganz gelassen. Er drehte sich nach dem Catcher um, wartete auf sein Zeichen und holte zum
nächsten Wurf aus.
»Da kommt der Ball!« rief der Stadionsprecher ins Mikrofon. »Kellers berühmter Kurvenball . Mantle schlägt zu . und verfehlt wieder! Strike two!Bleibt der junge Keller gegen >The Mick siegreich, haben die Chicago Cubs die World Series gewonnen! Wir sehen einen Kampf zwischen David und Goliath, meine Damen und Herren! Keller spielt erst seit einem Jahr in den Big Leaques, aber er hat sich in dieser Zeit einen bemerkenswerten Ruf erworben. Mickey Mantle ist Goliath ... Kann der Neuling Keller gegen ihn gewinnen? Nun hängt alles von seinem nächsten Wurf ab.
Читать дальше