Keller sieht sich noch mal nach den Runners um . er holt aus . und jetzt kommt der Ball! Wieder sein Kurvenball . Mantle verfehlt ihn, obwohl er mitten über die Home Plate segelt. Strike threewird gegeben!« Die Stimme des Stadionsprechers überschlug sich beinahe. »Mantle hat diesen Ball falsch berechnet! Der große Mick ist geschlagen, meine Damen und Herren! Der junge Howard Keller bleibt Sieger gegen Mickey Mantle! Damit ist die Entscheidung gefallen: Die Chicago Cubs gewinnen die World Series! Und die Fans sind aufgesprungen und jubeln wie verrückt!«
Howard Kellers Mannschaftskameraden stürmten übers Feld, hoben den siegreichen Pitcher auf ihre Schultern und trugen ihn im Triumph über die .
»Howard, was um Himmels willen machst du da?«
»Meine Hausaufgaben, Mom.« Schuldbewußt stellte der fünfzehnjährige Howard Keller den Fernseher ab.
Baseball war Howards große Leidenschaft. Er wußte, daß er eines Tages in der Nationalliga spielen würde. Als Sechsjähriger hatte er Stickball gespielt mit Jungens, die doppelt so alt waren wie er, und mit zwölf Jahren war er schon Pitcher in einem Schülerteam. Als er fünfzehn war, wurde ein Trainer auf den Jungen aufmerksam, dessen Wurf in höchsten Tönen gelobt wurde.
Der Trainer war skeptisch. »Gut, ich seh' ihn mir mal an«, sagte er widerstrebend. Er ging zum nächsten Spiel der Schülerliga, für das Howard Keller aufgestellt war, und war begeistert. Nach dem Spiel sprach er mit dem Jungen. »Was hast du später mal vor, mein Sohn?«
»Baseball spielen«, antwortete Keller prompt.
»Freut mich, daß du das sagst. Wir bieten dir einen Vertrag für unser Zweitligateam.«
Howard konnte es kaum erwarten, seinen Eltern diese aufregende Nachricht zu erzählen.
Die Kellers waren eine katholische Familie mit starkem Zusammenhalt. Die Eltern gingen jeden Sonntag in die Messe und sorgten dafür, daß ihr Sohn mitkam. Als Vertreter für eine Schreibmaschinenfirma mußte Howard Keller senior viel reisen, aber wenn er daheim war, verbrachte er möglichst viel Zeit mit seinem Sohn. Howards Mutter ging zu jedem Baseballspiel, für das er aufgestellt war, und jubelte ihm zu. Den ersten Baseballhandschuh und die Spielkleidung hatte er zum sechsten Geburtstag bekommen.
Baseball war Howard Kellers große Leidenschaft. Er hatte ein unglaubliches Gedächtnis für Spiele, die teilweise lange vor seiner Geburt stattgefunden hatten. Seine Spezialität waren die Statistiken der siegreichen Pitcher - ihre Strikes, Outs, Saves und Home Runs. Howard behauptete, die Starting Pitchers sämtlicher Mannschaften bei den World Series zu benennen -und gewann Wetten gegen seine Klassenkameraden.
»Neunzehnhundertneunundvierzig?«
»Das ist einfach«, sagte Howard. »Newcombe, Roe und Branca bei den Dodgers. Reynolds, Raschi, Byrne und Lopat bei den Yankees.«
»Jetzt mal was anderes«, schlug einer seiner Mannschaftskameraden vor. »Wer hat in den Big Leagues die meisten Spiele nacheinander bestritten?« Der Fragesteller hatte das
Guiness Buch der Rekorde aufgeschlagen vor sich liegen.
Howard Keller brauchte nicht mal nachzudenken. »Lou Gehrig - zweitausendeinhundertdreißig.«
»Wer hält den Rekord für die meisten Shut Outs?«
»Walter Johnson - hundertdreizehn.«
»Wer hat die meisten Home Runs geschlagen?«
»Babe Ruth - siebenhundertvierzehn.«
Die Nachricht von den Fähigkeiten des jungen Spielers machte die Runde, und professionelle Talentsucher kamen, um sich das junge Phänomen anzusehen, das jetzt im Zweitligateam der Chicago Cubs spielte. Sie waren begeistert. Als Siebzehnjähriger hatte Keller bereits Angebote von den St. Louis Cardinais, den Baltimore Orioles und den New York Yankees.
Howards Vater war stolz auf ihn. »Das hat er bestimmt von mir«, prahlte er. »Ich hab' als Junge auch viel Baseball gespielt.«
Im Sommer vor seinem letzten Jahr in der High-School arbeitete Howard Keller als Aushilfe in einer Bank, die einem der Sponsoren seines ehemaligen Schülerteams gehörte.
Howard hatte eine feste Freundin: seine hübsche Mitschülerin Betty Quinlan. Die beiden waren sich darüber einig, daß sie nach dem College heiraten würden. Er erzählte ihr stundenlang von Baseball, und da Betty ihn liebte, hörte sie geduldig zu.
Der junge Keller wußte, daß er bald in die Ruhmeshalle der Baseball-Größen aufsteigen würde. Aber die Götter hatten ihm ein anderes Schicksal bestimmt.
Eines Tages, als Howard mit seinem besten Freund Jesse, der in ihrer Mannschaft Shortstop spielte, aus der Schule heimkam, lagen dort zwei Briefe für ihn. Einer bot ihm ein BaseballStipendium in Princeton an, der andere bot ihm ein BaseballStipendium in Harvard an.
»He, das ist großartig!« rief Jesse aus. »Meinen Glück-wunsch!« Und das meinte er ernst, denn Howard Keller war sein Vorbild.
»Welches willst du nehmen?« fragte Howards Vater.
»Wozu soll ich überhaupt studieren?« überlegte der Junge laut. »Ich könnte sofort bei einer guten Profimannschaft anfangen.«
»Das hat Zeit bis später, mein Junge«, sagte seine Mutter energisch. »Erst brauchst du eine vernünftige Ausbildung, mit der dir alle Möglichkeiten offen stehen, wenn du mal nicht mehr Baseball spielst.«
»Gut, dann Harvard«, entschied Howard. »Betty studiert in Wellesley, und dort bin ich in ihrer Nähe.«
Betty Quinlan war begeistert, als Howard ihr erzählte, wofür er sich entschieden hatte.
»Dann können wir uns jedes Wochenende sehen!« sagte sie.
Howards Freund Jesse sagte: »Du wirst mir verdammt fehlen.«
Am Tag vor Howard Kellers Abreise nach Harvard brannte sein Vater mit der Sekretärin eines seiner Kunden durch.
Der Junge war wie vor den Kopf geschlagen. »Wie hat er uns das bloß antun können?«
Seine Mutter stand unter Schock. »Er ... er macht offenbar eine Krise durch«, stammelte sie. »Ich weiß, daß er mich sehr liebt. Er ... er kommt bestimmt zurück. Du wirst sehen ...«
Am nächsten Tag erhielt Howards Mutter ein Schreiben eines Rechtsanwalts, der ihr förmlich mitteilte, daß sein Mandant, Howard Keller senior, sich scheiden lassen wolle und bereit sei, ihr das kleine Haus zu überlassen, da er kein Geld für Alimente habe.
Howard umarmte seine Mutter. »Keine Angst, Mom, ich bleibe hier und kümmere mich um dich.«
»Nein! Ich will nicht, daß du meinetwegen das Studium aufgibst. Dein Vater und ich hatten uns von Anfang an vorge-nommen, dich studieren zu lassen.« Nach kurzer Pause fügte sie leiser hinzu: »Darüber können wir morgen reden. Ich bin sehr müde.«
Howard tat die ganze Nacht kein Auge zu, weil er über die Möglichkeiten nachdachte, die sich ihm boten. Er konnte mit dem Baseball-Stipendium nach Harvard gehen oder eines der Angebote aus der Nationalliga annehmen. In beiden Fällen blieb seine Mutter allein zurück. Es war eine schwierige Entscheidung.
Als seine Mutter morgens nicht zum Frühstück kam, sah Howard in ihrem Schlafzimmer nach. Sie saß im Bett, konnte sich nicht bewegen und hatte ein halbseitig gelähmtes schiefes Gesicht. Sie hatte einen Schlaganfall erlitten.
Da Howard kein Geld für die Arzt- und Krankenhausrechnungen hatte, arbeitete er jetzt wieder ganz in der Bank. Jeden Nachmittag hastete er nach Büroschluß heim, um seine Mutter zu versorgen.
Zum Glück war der Schlaganfall nicht schwer gewesen, und der Arzt versicherte Howard, daß seine Mutter sich davon erholen werde. »Sie hat einen schlimmen Schock erlitten, aber sie kommt bestimmt wieder auf die Beine.«
Howard bekam noch immer Anrufe von Talentsuchern aus der Nationalliga, aber er war sich darüber im klaren, daß er seine Mutter nicht verlassen durfte. Später, wenn's ihr wieder besser geht, nahm er sich vor.
Die Arztrechnungen stapelten sich.
Anfangs telefonierte er jede Woche mit Betty Quinlan, aber nach ein paar Monaten wurden ihre Anrufe immer seltener.
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