»Ja und nein. Jemand sollte eigentlich der Leitung der Truppe Bescheid sagen, daß ich kündigte.« Dieser verdammte Capitan Torres hat mich angelogen, dachte er, und nichts unternommen.
»Wie kommen Sie dazu, einfach auszusteigen, sagen Sie mal? Und mir haben Sie vorgejammert, wie dringend Sie die Rolle brauchten!«
»Ich habe eine andere angeboten bekommen.«
»In Amador?«
»Richtig.«
»Was können Sie denn in Amador anfangen?«
Lieber Freund, wenn du wüßtest, dachte Eddie. Ich regiere ja bloß das ganze Land. Aber er sagte lieber doch nichts davon. »Ach, da gibt es schon das eine oder andere, was ich hier anfangen kann«, antwortete er statt dessen.
»Na, jedenfalls war die Theaterleitung ziemlich verschnupft. Ich mußte mir irgendeine Ausrede einfallen lassen und habe gesagt, daß Sie krank geworden und heimgereist seien. Damit Sie nicht gleich auf die Schwarze Liste kommen.«
»Vielen Dank«, sagte Eddie. »Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
»Wann wollen Sie zurückkommen, Eddie?«
»Spätestens in zehn Tagen«, sagte Eddie. Wie, das wußte er allerdings noch nicht. Er wußte lediglich, daß er einfach da sein mußte, wenn das Baby kam.
»Vielleicht habe ich dann etwas für Sie«, sagte Johnson. »Es ist zwar eine kleine Rolle, aber für die Miete reicht es.«
Eddie hätte jetzt fast laut aufgelacht. Eine winzige Rolle, und das für einen Mann, der hunderttausend Dollar in bar besaß! Ein Mann, der dabei war, ein Theaterstück zu schreiben, das ein Welterfolg werden würde!
»Vielen Dank«, sagte er noch einmal. »Wir reden darüber, wenn ich zurück bin.«
»Okay. Und passen Sie gut auf sich auf.« »Mache ich. Wiederhören.«
Als er aufgelegt hatte und hochsah, stand Capitan Torres an der Tür.
»Wer war das?« fragte der Capitan.
»Mein Agent in New York.«
»Sie haben ihm doch hoffentlich nicht etwa von Ihrer Rolle hier erzählt?«
»Nein, nein«, sagte Eddie.
Capitan Torres kam näher. »Weil nämlich«, sagte er, »verstehen Sie, wenn auch nur ein Mensch etwas davon erfährt, ich gezwungen bin, Sie zu beseitigen.«
Eddie sah ihn groß an und begriff, daß dies ernst gemeint war.
Er sagte nervös: »Ja, ja, gewiß, ich verstehe.«
»Gut.«
Als Capitan Torres in sein Büro zurückkam, klingelte das Telefon. Es war der Arzt aus der Klinik.
»Ich habe gute Nachrichten«, sagte er. »Colonel Bolivar erwacht gerade aus dem Koma. Er ist schon bei Bewußtsein.«
Capitan Torres war freudig erregt. »Ich komme sofort.« Er wandte sich an seinen Adjutanten Gomez. »Unser Colonel«, sagte er, »wird wieder gesund. Sobald es nur geht, bringe ich ihn hierher in den Palast zurück, und wir entledigen uns des Schauspielers.«
Den ganzen Weg zum Krankenhaus freute er sich, daß Colonel Bolivar wieder bei Bewußtsein war. Allerdings machte ihn ein bestimmter Umstand besorgt. Manchmal kam es ja vor, daß Leute, die aus einem Koma erwachten, einen Gehirnschaden davongetragen hatten. Wenn irgend so etwas dem Colonel widerfahren, er also nicht mehr imstande war, das Land wirklich zu regieren, gab es ein Chaos.
Er betrat das Büro des leitenden Arztes. »Und? Ist er immer noch bei Bewußtsein?« fragte er als erstes.
»Ja.«
»Führen Sie mich zu ihm.«
Der Doktor führte ihn in das Privatzimmer des Diktators ganz am Ende des langen Klinikflurs.
Der Capitan holte tief Luft, bevor er die Tür öffnete und eintrat. Würde ihn der Colonel überhaupt erkennen? War er wirklich ganz im Besitz seiner Geisteskräfte? Würde er derselbe sein wie zuvor?
Er öffnete entschlossen die Tür und ging hinein.
Colonel Bolivar blickte hoch und begann, sobald er ihn nur erkannte, zu schreien:
»Idiot! Sie Idiot! Sie Idiot!«
Da wußte der Capitan bereits, daß alles gut wurde.
»Guten Tag, Colonel!«
»Guten Tag? Sie wagen es auch noch, mir Ihr häßliches Gesicht zu zeigen, nach allem, was Sie getan haben?«
Capitan Torres war verdutzt. »Wieso, was habe ich denn getan?«
»Mein Land haben Sie mir kaputtgemacht, das ist alles!«
»Ich? Ganz im -«
»Sie mit Ihrem verdammten Schauspieler! Wenn nur die Hälfte von den ganzen Gerüchten stimmt, die ich da so höre, werfe ich Sie alle beide in siedendes Öl!«
»Wieso, was haben Sie denn gehört, Colonel?« Capitan Tor-res war jetzt doch einigermaßen nervös.
»Stimmt es vielleicht nicht, daß er neue Verordnungen über die Waisenkinder erlassen hat?«
»Doch, Colonel, schon.«
»Und stimmt es, daß er alle meine Villen dem schmutzigen, ungewaschenen Obdachlosenpack überlassen hat?«
»Ja, Colonel.«
»Und hat er meinem Schwager eröffnet, daß er drucken kann, was ihm nur paßt?«
»Ja, Colonel.«
»Und da fragen Sie noch scheinheilig, was Sie getan haben? Wollen Sie mal wissen, warum ich nach dieser Herzoperation nicht gestorben bin? Weil ich zuvor unbedingt noch Sie alle beide aus der Welt schaffen wollte. Und ich dachte, Sie seien mein Freund! Ich habe Ihnen vertraut! Wie konnten Sie das alles zulassen?«
»Colonel, ich hatte doch überhaupt keine Möglichkeit einzuschreiten! Er hat diese Anordnungen alle vor der gesamten anwesenden Menge erlassen. Was hätte ich denn da machen sollen, ohne zuzugeben, daß er gar nicht Sie ist? Schließlich haben wir ihn dazu geholt, daß er Ihre Rolle spielt!«
»Niemand hat ich zu sein! Es gibt nur einen Ich, und das bin ich! Kapiert?«
»Gewiß, normalerweise gibt es nur einen Sie, aber im Augenblick eben doch zwei.« Torres kam näher an das Bett seines Diktators. »Sehen Sie mal, Colonel, so schlimm, wie es vielleicht aussieht, ist es im Grunde nicht. Sicher, dieser Malefizschauspieler hat alle diese Anordnungen erlassen. Aber das bedeutet doch in Wirklichkeit nichts weiter. Sobald Sie wieder zurück im Palast sind, werden sie einfach sofort wieder aufgehoben, und alles ist wieder wie zuvor.«
Colonel Bolivar wurde nachdenklich. »Stimmt eigentlich«, sagte er schließlich. »Nur«, und er erhob seine Stimme, »werde ich diesmal nicht so gnädig mit dem Volk umspringen. Die sind doch alle nur Dauer- und Berufsjammerer. Zum Hals heraus hängen sie mir.«
»Ich kann es Ihnen nicht verdenken, Colonel«, beeilte sich Capitan Torres beizupflichten. »Wie bald, sagt der Doktor, dürfen Sie raus?«
»Anfang nächster Woche. Mein Herz ist besser denn je.«
»Nächste Woche?« Der Capitan freute sich sichtlich. »Sehr gut. Wundervoll!« Er stellte sich bereits lebhaft vor, wie er Eddie Davis umbringen wollte. Es gab ja so viele schöne Möglichkeiten. In Öl sieden klang gar nicht schlecht. Oder vielleicht sollte man ihn von zwei Pferden auseinanderreißen lassen? O doch, er würde noch viel Spaß mit dem Ende dieses Schauspielers haben!
»Tatsache ist«, erklärte Colonel Bolivar, »daß ich mich schon sehr viel besser fühle. Schicken Sie mir eine meiner Mätressen oder zur Not auch eines von den Zimmermädchen vom Palast herüber.«
»Oh, das ist aber keine besonders gute Idee«, wandte der Capitan ein.
»Was soll denn das heißen?«
»Überlegen Sie, Colonel! Wenn Sie zur gleichen Zeit im Palast und hier in der Klinik gesehen werden, fangen die Leute doch an, Fragen zu stellen und zu reden! Sie dürfen hier nicht gesehen werden, oder unser ganzes Spiel ist ruiniert.«
»Haben Sie auch wieder recht«, knurrte Colonel Bolivar mißmutig. »Na ja, bis nächste Woche werde ich es schon noch aushalten. Aber tun Sie mir inzwischen wenigstens den Gefallen, Capitan, diesen Schauspieler keinen Augenblick mehr aus den Augen zu lassen.«
»Bestimmt nicht, Colonel. Darauf können Sie sich verlassen.«
Als Capitan Torres ging, schritt er aus wie auf Wolken und pfiff sich ein Liedlein. Alles kam wieder in Ordnung. Sobald der Colonel seine Amtsgeschäfte wieder selbst übernahm, würde es keinerlei Probleme mehr geben.
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