Die drei Männer blickten einander an.
»Jetzt versteh’ ich überhaupt nichts mehr«, sagte der Sheriff. Vorsichtig nahm er das Schlachtermesser und den Ring und ging ins Wohnzimmer. »Miss Patterson«, sagte er und hielt ihr das Messer hin, »gehört Ihnen dieses Messer?«
Ashley betrachtete es. »Ich -ja. Schon möglich. Wieso?«
Sheriff Dowling hielt ihr den Ring hin. »Haben Sie diesen Ring schon mal gesehen?«
Ashley schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Wir haben ihn in Ihrem Schmuckkasten gefunden.«
Sie achteten auf ihre Miene. Sie wirkte völlig verdutzt.
»Ich - jemand muß ihn da hineingelegt haben ...«, flüsterte sie.
»Wer sollte denn so etwas tun?«
Sie war kreidebleich. »Ich weiß es nicht.«
Ein Kriminalpolizist kam zur Wohnungstür herein. »Sheriff?«
»Ja, Baker?« Er winkte den Sheriff in die andere Ecke. »Was haben Sie entdeckt?«
»Wir haben Blutflecken auf dem Läufer im Flur und im Fahrstuhl gefunden. Sieht so aus, als ob die Leiche auf ein Laken gelegt, in den Fahrstuhl geschleppt und in die Gasse geschafft wurde.«
»Verfluchte Scheiße!« Sheriff Dowling wandte sich an Ash-ley. »Miss Patterson, Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen oder tun, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, sich einen Anwalt zu nehmen. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird das Gericht einen für Sie bestellen.«
»Nehmt ihre Fingerabdrücke und buchtet sie ein«, sagte Sheriff Dowling, als sie in die Dienststelle kamen.
Ashley ließ alles wie versteinert über sich ergehen. Als die Prozdeur erledigt war, sagte Sheriff Dowling: »Sie haben das Recht, einen Anruf zu tätigen.«
Ashley blickte zu ihm auf. »Es gibt niemanden, den ich anrufen könnte«, sagte sie tonlos. Meinen Vater kann ich nicht anrufen.
Sheriff Dowling blickte Ashley nach, als man sie in eine Zelle führte. »Verdammt noch mal, das kapiere ich nicht. Haben Sie den Lügendetektortest gesehen? Ich würde schwören, daß sie unschuldig ist.«
Detective Kostoff kam herein. »Sam hatte kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr. Wir haben seine Leiche und das Laken, in das er gewickelt war, mit ultraviolettem Licht untersucht und eindeutig Samenspuren und Vaginalsekret gefunden. Wir -«
Sheriff Dowling stöhnte auf. »Moment mal!« Bislang hatte er sich darum gedrückt, seiner Schwester die traurige Nachricht zu überbringen. Aber jetzt konnte er es nicht länger aufschieben. Er seufzte. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er.
Eine halbe Stunde später war er in Sams Haus und redete mit Serena.
»Na, wenn das keine Überraschung ist«, sagte Serena. »Ist Sam auch dabei?«
»Nein, Serena. Aber ich muß dich etwas fragen.« Leicht würde das bestimmt nicht werden.
Sie schaute ihn neugierig an. »Und zwar?«
»Hast - hast du innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden mit Sam geschlafen?«
Ihre Stimmung schlug um. »Nein. Wieso willst du das -? Sam kommt nicht zurück, was?«
»Es ist mir furchtbar, dir das zu erzählen, aber er -«
»Er hat mich sitzengelassen, was? Ich hab’ gewußt, daß es dazu kommt. Ich kann’s ihm nicht verübeln. Ich hab’ mich ihm gegenüber fürchterlich aufgeführt. Ich -«
»Serena, Sam ist tot.«
»Ich hab ihn ständig angebrüllt. Ich hab’s wirklich nicht gewollt. Ich weiß noch -«
Er ergriff ihre Arme. »Serena, Sam ist tot.«
»Wir sind mal raus zum Strand gefahren und -«
Er schüttelte sie. »Hör mir zu. Sam ist tot.«
»- und wollten dort picknicken.«
Als er ihr in die Augen schaute, stellte er fest, daß sie ihn sehr wohl verstanden hatte.
»Und wir sitzen also am Strand, und ein Mann kommt daher und sagt: >Raus mit eurem Geld.< Und Sam sagt: >Zeig mir erst mal deine Waffe.<���«
Sheriff Dowling ließ sie weiterreden. Sie stand unter Schock und sperrte sich einfach dagegen.
»... so einer war Sam. Erzähl mir was über die Frau, mit der er abgehauen ist. Ist sie wenigstens hübsch? Sam sagt mir ständig, wie hübsch ich wäre, aber ich weiß, daß ich es nicht bin. Er sagt das bloß, damit ich mir wer weiß wie vorkomme, weil er mich nämlich liebt. Der würde mich nie verlassen. Der kommt wieder. Er liebt mich nämlich.« Sie redete immer weiter.
Sheriff Dowling ging zum Telefon und wählte eine Nummer. »Schicken Sie eine Pflegerin vorbei.« Dann kehrte er zu seiner Schwester zurück und nahm sie in die Arme. »Alles wird wieder gut.« »Hab ich dir schon mal erzählt, wie Sam und ich -?«
Eine Viertelstunde später traf die Pflegerin ein.
»Passen Sie gut auf sie auf«, sagte Sheriff Dowling.
In Sheriff Dowlings Büro fand gerade eine Besprechung statt, als sich die Telefonzentrale meldete. »Ein Anruf für Sie. Auf Apparat eins.«
Sheriff Dowling nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Sheriff, hier spricht Special Agent Ramirez von der FBI-Zentrale in Washington. Wir haben neue Erkenntnisse zu diesen Mordfällen vorliegen. Wir konnten die Fingerabdrücke nicht vergleichen, weil wir kein Vorstrafenregister über eine Ashley Patterson vorliegen haben, und weil die kalifornische Verkehrszulassungsbehörde erst seit 1988 einen Daumenabdruck verlangt, wenn man einen Führerschein erwerben will.«
»Fahren Sie fort.«
»Zunächst dachten wir, der Computer spinnt, aber dann haben wir es überprüft und .«
Fünf Minuten lang saß Sheriff Dowling da und hörte mit ungläubiger Miene zu. »Sind Sie sicher, daß kein Irrtum vorliegt?« sagte er schließlich. »Das kommt mir ... Alle fünf .? Verstehe ... Herzlichen Dank.«
Er legte den Hörer auf und saß eine ganze Weile schweigend da. Dann blickte er auf. »Das war jemand vom FBI-Labor in Washington. Die haben gerade den Vergleich der Fingerabdrücke und der DNS-Codes abgeschlossen. Jean Claude Parent aus Quebec wurde kurz vor seinem Tod mit einer Engländerin namens Toni Prescott gesehen.«
»Ja.«
»Richard Melton aus San Francisco traf sich, kurz bevor er ermordet wurde, mit einer Italienerin namens Alette Peters.«
Die anderen nickten.
»Und letzte Nacht war Sam Blake bei Ashley Patterson.«
»Richtig.«
Sheriff Dowling atmete tief durch. »Ashley Patterson ...« »Ja?«
»Toni Prescott .«
»Ja?«
»Alette Peters ...«
»Ja?«
»Das ist ein und dieselbe Person.«
Robert Crowther von der Immobilienmaklerfirma Bryant & Crowther riß schwungvoll die Tür auf. »Und das ist die Terrasse«, rief er. »Von dort aus haben Sie freien Blick auf den Coit Tower.«
Er musterte das junge Paar, das ihm nach draußen folgte und sich über die Brüstung beugte. Man hatte einen großartigen Ausblick auf ganz San Fransisco, das sich tief unten nach allen Seiten ausbreitete. Robert Crowther sah den kurzen Blick, den sich die beiden zuwarfen, und das verstohlene Lächeln, und er mußte insgeheim grinsen. Sie versuchten sich ihre Begeisterung nicht anmerken zu lassen. Es lief immer wieder aufs gleiche hinaus. Die Kunden meinten immer, sie trieben nur den Preis hoch, wenn sie allzu großes Interesse bekundeten.
Diese Penthouse-Maisonette, dachte Crowther verschmitzt, ist sowieso schon teuer genug. Er hatte eher Bedenken, ob sich das Pärchen so was überhaupt leisten konnte. Der Mann war Anwalt, und junge Anwälte verdienen nicht besonders gut.
Aber die beiden machten was her, und offensichtlich waren sie schwer ineinander verliebt. David Singer war Anfang Dreißig, blond, sah intelligent aus, und wirkte entwaffnend jungenhaft. Sandra, seine Frau, sah warmherzig und bezaubernd aus.
Robert Crowther hatte ihr Bäuchlein sehr wohl bemerkt und prompt auf das zweite Gästezimmer verwiesen, das sich sehr gut als Kinderzimmer eignen würde. »Außerdem gibt es eine Straße weiter einen Spielplatz, und ganz in der Nähe sind zwei Schulen.« Er sah, wie sie sich wieder verstohlen zulächelten.
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