Alette konnte es noch immer kaum fassen, daß sie von keinerlei düsteren Gedanken heimgesucht wurde, wenn sie mit Richard zusammen war. Che cosa significa?
Ein Wächter in Uniform kam auf sie zu. »Guten Tag, Richard.«
»Hallo, Brian. Das ist Alette Peters, eine Freundin. Brian Hill.«
»Gefällt’s Ihnen hier im Museum?« fragte Brian, an Alette gewandt.
»O ja. Es ist wunderbar.«
»Richard bringt mir das Malen bei.«
Alette schaute Richard an. »Wirklich?«
»Ach, ich gehe ihm doch nur ein bißchen zur Hand.«
»Das ist stark untertrieben, Miss. Ich wollte schon immer Maler werden. Deshalb hab’ ich den Job hier im Museum angenommen. Weil ich Kunst mag. Jedenfalls ist Richard ziemlich oft hergekommen und hat gemalt. Als ich seine Arbeiten gesehen habe, hab’ ich gedacht: >Genau das will ich auch machenc. Also hab’ ich ihn gefragt, ob er mir Unterricht gibt. Und er ist einfach großartig. Haben Sie mal Bilder von ihm gesehen?«
»Jawohl«, sagte Alette. »Sie sind wunderbar.«
»Ich finde das ganz reizend von Ihnen, Richard«, sagte Alet-te, als sie weitergingen.
»Ich bin gern für andere da.« Und er blickte Alette an.
»Mein Wohnungsgenosse ist heute abend auf einer Party«, sagte Richard, als sie das Museum verließen. »Wollen wir nicht zu mir gehen?« Er lächelte. »Ich möchte Ihnen ein paar Bilder zeigen.«
Alette drückte seine Hand. »Noch nicht, Richard.«
»Ganz wie Sie wollen. Sehen wir uns nächstes Wochenende wieder?«
»Ja.«
Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr sie sich darauf freute.
Richard brachte Alette zu ihrem Wagen, der auf dem Parkplatz stand. Sie winkte ihm zu, als sie wegfuhr.
Es ist das reinste Wunder, dachte Alette, als sie an diesem Abend schlafen ging. Richard hat mich befreit. In dieser Nacht träumte sie von ihm.
Um zwei Uhr morgens kam Gary, Richards Wohnungsgenosse, von einer Geburtstagsfeier nach Hause. Die Wohnung war dunkel. Er schaltete das Licht im Wohnzimmer ein. »Richard?«
Er ging nach hinten, zum Schlafzimmer. Er warf einen Blick durch die offene Tür, dann wurde ihm übel.
»Beruhigen Sie sich.« Detective Whittier musterte den zitternden jungen Mann, der vor ihm im Sessel saß. »Fangen wir noch mal von vorn an. Hatte er irgendwelche Feinde? Wer könnte einen solchen Haß auf ihn gehabt haben, daß er ihm so was antut?«
Gary schluckte. »Nein. Jeder - alle haben Richard gemocht.«
»Irgend jemand anscheinend nicht. Wie lange wohnen Sie schon zusammen?«
»Seit zwei Jahren.«
»Waren Sie ein Paar?«
»Um Himmels willen, nein«, sagte Gary indigniert. »Wir waren miteinander befreundet. Wir haben zusammengewohnt, weil’s zu zweit billiger ist.«
Detective Whittier sah sich in der kleinen Wohnung um. »Ein Einbruch war’s garantiert nicht«, sagte er. »Hier gibt’s nichts zu holen. Hatte Ihr Mitbewohner eine engere Beziehung zu jemandem?«
»Nein - das heißt, ja. Er hat ein Mädchen kennengelernt. Ich glaube, er war dabei, sich in sie zu verlieben.«
»Wissen Sie, wie sie heißt?«
»Ja. Alette. Alette Peters. Sie wohnt in Cupertino.« Detective Whittier und Detective Reynolds schauten sich an.
»In Cupertino?«
»Herrgott«, sagte Reynolds.
Eine halbe Stunde später telefonierte Detective Whittier mit Sheriff Dowling. »Sheriff, ich dachte, es interessiert Sie vielleicht, daß wir hier einen Mordfall vorliegen haben, bei dem der Täter nach dem gleichen Muster vorgegangen ist wie drunten bei euch in Cupertino - das Opfer weist zahlreiche Stichwunden auf und wurde entmannt.«
»Mein Gott!«
»Ich habe gerade mit dem FBI gesprochen. Die haben ihren Computer befragt und sind auf drei ähnlich gelagerte Mordfälle gestoßen. Immer wurde das Opfer entmannt. Der erste geschah vor rund zehn Jahren in Bedford, Pennsylvania. Das nächste Opfer war ein gewisser Dennis Tibble - das ist der Fall, an dem Sie dran sind. Danach, an Weihnachten, gab’s einen ähnlichen Mord droben in Quebec, und jetzt den hier.«
»Ich kapiere das nicht. Pennsylvania . Cupertino . Quebec ... San Francisco ... soll da irgendein Zusammenhang bestehen?«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden. Bei der Einreise nach Kanada muß man einen Paß vorlegen. Aufgrund dessen versucht das FBI gerade festzustellen, ob jemand, der um die Weihnachtszeit in Quebec gewesen ist, sich auch in den anderen Städten aufgehalten hat, als dort die Morde geschahen ...«
Als die Presse Wind von der Sache bekam, sorgte der Fall weltweit für Schlagzeilen.
Opfer kastriert - Ganz Amerika auf der Jagd nach einem Serienmörder ...
Quatre hommes brutalement tues et castres ...
Serial killer loose ...
Im Fernsehen ließen sich allerlei selbsternannte Kriminalpsychologen über die Morde aus.
». und bei allen Opfern handelt es sich um Männer. Da sie alle erstochen und entmannt wurden, haben wir es bei dem Täter ohne jeden Zweifel mit einem Homosexuellen zu tun, der .«
». und wenn die Polizei herausfindet, was all diese Männer miteinander gemein hatten, wird man vermutlich feststellen, daß dies das Werk eines verschmähten Liebhabers ist .«
». ich würde eher meinen, daß die Opfer ihrem Mörder rein zufällig über den Weg gelaufen sind und daß es sich bei dem Täter um jemanden handelt, der unter einer dominanten Mutter gelitten hat .«
Am Samstag morgen rief Detective Whittier von San Francisco bei Deputy Blake an.
»Sheriff, ich hab’ was Neues für Sie.«
»Schießen Sie los.«
»Das FBI hat grade bei mir angerufen. In Cupertino wohnt jemand, der sich zu der Zeit, als dieser Parent ermordet wurde, in Quebec aufgehalten hat.«
»Ist ja interessant. Wie heißt er?«
»Es ist eine Sie. Patterson. Ashley Patterson.«
Um sechs Uhr abends klingelte Deputy Sam Blake an Ashley Pattersons Wohnung. »Wer ist da?« hörte er sie durch die geschlossene Tür rufen.
»Deputy Blake. Ich möchte gern ein paar Worte mit Ihnen reden, Miss Patterson.«
Zunächst rührte sich lange nichts, dann wurde die Tür geöffnet. Ashley stand da und blickte ihn mißtrauisch an.
»Darf ich reinkommen?«
»Ja, natürlich.« Geht es um Vater? Ich muß vorsichtig sein. Ashley ging zur Couch. »Was kann ich für Sie tun, Deputy?«
»Haben Sie was dagegen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle?«
Ashley rutschte unbehaglich hin und her. »Ich - ich weiß nicht recht. Habe ich mir irgend etwas zuschulden kommen lassen?«
Er lächelte beruhigend. »Ganz und gar nicht, Miss Patterson. Das hier ist reine Routine. Wir untersuchen einige Mordfälle.« »Davon habe ich keine Ahnung«, erwiderte sie rasch. Zu rasch?
»Sie waren doch in Quebec, nicht wahr?«
»Ja.«
»Kennen Sie einen gewissen Jean Claude Parent?«
»Jean Claude Parent?« Sie dachte einen Moment lang nach. »Nein. Nie gehört. Wer soll das sein?«
»Ein Juwelier aus Quebec.«
Ashley schüttelte den Kopf. »Ich war in Quebec bei keinem Juwelier.«
»Sie haben doch mit Dennis Tibble zusammengearbeitet?« Allmählich bekam es Ashley wieder mit der Angst zu tun. Es ging also doch um ihren Vater. »Wir haben nicht zusammengearbeitet. Er war nur bei der gleichen Firma beschäftigt wie ich.«
»Natürlich. Sie fahren doch gelegentlich nach San Francisco, nicht wahr, Miss Patterson?«
Ashley fragte sich, worauf er jetzt hinauswollte. Vorsicht. »Ja, ab und zu.«
»Kennen Sie einen gewissen Richard Melton, einen Künstler, der dort lebt?«
»Nein. Den Namen höre ich zum ersten Mal.«
Deputy Blake saß da und musterte Ashley frustriert. »Hätten Sie was dagegen, mit aufs Revier zu kommen und sich einem Lügendetektortest zu unterziehen? Wenn Sie wollen, können Sie Ihren Anwalt anrufen und -«
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