»Wie bitte?«
»Bourbon, Scotch, Wodka oder Wein?«
»Bedaure, ich habe keinen Alkohol. Als Moslem trinke ich keinen. Vielleicht hätten Sie lieber Kaffee statt Tee, oder vielleicht Saft.«
»Nein.« Es war sinnlos. »Ganz und gar nicht. Der Tee ist schon gut.« Ich nippte daran, und er schmeckte wirklich köstlich. »Würden Sie mir jetzt eine andere Frage beantworten, Mr. Raschid?«
»Gewiß.«
»In was für eine Sache ist Mr. Treadwell da verstrickt?« Sein Lächeln wurde etwas kühler. »Es tut mir leid, Miss Harris, aber das ist vertraulich, und ich kann nicht.«
»Lassen Sie es mich anders formulieren.« Ich stellte meine Tasse ab und straffte meine Schultern. »Was ist das für eine Sache, in die John Treadwell verwickelt ist, in die meine
Schwester Adele hineingezogen wurde und in die ich jetzt ebenfalls verstrickt bin?«
»Miss Harris, ich habe aufrichtiges Verständnis für Ihre Gefühle, aber ich bin nicht berechtigt, darüber zu reden. Ja, Sie sind nun darin verwickelt, ebenso wie Sie glauben, daß Ihre Schwester darin verwickelt ist. Auch wenn sie vielleicht keine Schuld trägt.«
»Woran?« beharrte ich.
»Das kann ich nicht sagen.« Seine Stimme blieb ruhig und unverändert. »Bitte glauben Sie mir, es ist besser so. Je weniger Sie von der ganzen Angelegenheit wissen, desto sicherer ist es für Sie.«
»Jetzt hören Sie mir gut zu, Mr. Raschid, es ist mir völlig egal, ob Sie das Oberhaupt des ägyptischen CIA sind. Eine solche Behandlung muß ich mir nicht gefallen lassen. Wir haben eine Botschaft in diesem Land, an die ich mich sofort wenden kann. Sie werden es dort nicht sehr schätzen, daß eine amerikanische Staatsangehörige gegen ihren Willen von der ägyptischen Polizei festgehalten wird.«
»Miss Harris.«
». und man ihr nicht einmal sagt, warum.«
»Miss Harris, bitte. Ich verstehe ja Ihre Gefühle. Nun lassen Sie mich erklären. Ja? Zunächst einmal hält Sie die ägyptische Polizei, wie Sie es bezeichnen, nicht gegen Ihren Willen fest. Ich bin nicht die ägyptische Polizei, und Sie werden nicht festgehalten. Ich habe Sie nur zu Ihrer Sicherheit hierher gebracht.«
»Warum? Weil John und sein beleibter Freund einen Boxkampf miteinander hatten? Vielleicht haben sie sich darüber gestritten, wer die Hotelrechnung bezahlen soll. Ich weiß nicht. Aber ich war sicher in dem Hotel, dessen bin ich gewiß. Das Domus Aurea war anders. Ich weiß es zu schätzen, daß Sie mich vom Boden aufhoben und mir den Staub abklopften, aber es war nicht nötig, mich in irgendein Versteck von Ali Baba zu schaffen.«
Achmed Raschid versuchte, seine Belustigung zu verbergen, und mir fiel plötzlich auf, wie wirklichkeitsfremd ich geworden war. Das sah mir gar nicht ähnlich.
»Und außerdem«, fuhr ich in einem würdigeren, gefaßteren Ton fort, »würde ich gerne einmal wissen, was es mit diesem verdammten Schakal überhaupt auf sich hat und warum jedermann so bestrebt ist, ihn an sich zu bringen.«
»Leider, Miss Harris.«
»Ja, ja, ich weiß schon. Sie sind wieder mal nicht berechtigt, mir Auskunft zu geben. Sind Sie wenigstens dazu berechtigt, mich jetzt ins Hotel zurückzubringen?« Seine Miene verdüsterte sich schlagartig. »Dann werde ich also doch gegen meinen Willen festgehalten.«
»Nein, so ist es nicht richtig. Sehen Sie, was Sie vorhin gesagt haben, daß Sie keinen Schutz brauchten und im Hotel sicher seien. Die Sache ist gefährlicher, als Sie annehmen. Sie sind jetzt nicht mehr sicher in Ihrem Hotel, Miss Harris. Und Sie können nicht zurückgehen.«
»Aber warum?«
Schließlich schaute er zu mir auf und blickte mir so fest in die Augen, daß ich meinte, er hielte meine Handgelenke umklammert. Ich konnte mich nicht bewegen. »Was ist geschehen? Sprechen Sie doch«, flüsterte ich. »John Treadwell war nicht bewußtlos. Er war tot.«
Ich nahm das Zimmer nur noch undeutlich, wie aus großer Entfernung wahr, und der Ägypter schien vollends zu verschwinden. Mein Körper fühlte sich weich wie Pudding an, und mein Magen schien sich zu drehen. Bilder zogen an meinem inneren Auge vorbei. Vage Erinnerungen und bruchstückhafte Szenen. Hatte ich es wirklich gesehen, oder hatte ich alles nur geträumt? Der Weg aus dem Shepheard’s Hotel, meine Faust, die sich gegen meine Stirn preßte, Mr. Raschid, der seinen Arm um meine Hüfte gelegt hatte. und am Ausgang ein heilloses Durcheinander, blitzende Rangabzeichen, jemand, der rief: »Aywa! Aywa!«, grelle Lichter und Polizeiuniformen. »Jetzt erinnere ich mich«, murmelte ich. »Die Polizei war im Hotel.«
»Ein Zimmermädchen fand Sie beide in Johns Zimmer auf dem Boden. Ich bekam zufällig mit, als sie es an der Rezeption meldete, und beschloß, selbst nach oben zu gehen und nachzusehen. Sie, Miss Harris, versuchten gerade, aufzustehen. So half ich Ihnen. Wir brauchten einige Minuten, um die Empfangshalle zu erreichen, und als wir unten ankamen, war die Polizei auch schon da. Die allgemeine Verwirrung erleichterte unser Fortkommen. Dank meiner Papiere wurden wir durchgelassen.«
Ich starrte Mr. Raschid wie benommen an, wobei mein Kopf auf der Couchlehne ruhte.
Er berichtete weiter: »Das Zimmermädchen gab nur eine dürftige Beschreibung von Ihnen ab. Alles, was sie sagen konnte, war: > Amerikanische Frau, amerikanische Frau.< Es gibt viele Amerikanerinnen in dieser Stadt. Sie haben keine Beschreibung von Ihnen.«
»Aber mein Paß.« Bei allem, was er durchgemacht hatte, funktionierte mein Kopf noch immer. »Mein Paß ist doch noch an der Rezeption.«
»Ich habe ihn für Sie mitgenommen, zusammen mir Ihrem Koffer und Ihrer Handtasche. Zum Glück hatten Sie in Ihrem Zimmer noch nicht ausgepackt. Ich teilte meinem Freund am Empfang mit, daß Sie abreisen würden. Offenbar hatte John Treadwell Sie unter seinem Namen angemeldet, so daß Sie für das Zimmer nicht bezahlen mußten. Auf alle Fälle hat im
Moment niemand irgendwelche Anhaltspunkte, um nach Ihnen zu suchen. Die Polizei hat weder Namen noch Beschreibung.« Er versuchte sein Bestes, um zu lächeln. Mein Mund war ganz trocken, und ich konnte kaum die Zunge bewegen. »Was meinen Sie mit >im Moment