Sichtlich unbeeindruckt und nicht im Geringsten verängstigt, trat die Alchimistin einen Schritt vor und sagte gelassen: »Verschwindet sofort, dann geschieht euch kein Leid.«
Die beiden Schergen lachten lauthals, schienen sich aber doch etwas unwohl in ihrer Haut zu fühlen und sahen zu ihrem Anführer hinüber.
»Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet uns mit Euren Hexenkünsten erschrecken?«, sagte Guido Arlotti verächtlich. Dann ging er entschlossen auf Mondino zu.
Statt einer Antwort stieß Adia einen langen Pfiff aus und rief etwas auf Arabisch. Die drei schauten sich verblüfft an, aber ihre Verwirrung währte nur kurz, denn hinter ihnen drängten sich die zwei grauen Molosser nebeneinander durch die Tür. Ohne ein Jaulen oder ein Knurren stürzten sie sich auf die Männer und packten sie mit ihren Zähnen an den Schultern.
In einem Augenblick füllte sich der Raum mit Schreien und Lärm. Guido Arlotti, der vor seinen Komplizen stand, drehte sich um, um zu sehen, was da vorging. Mondino nutzte diese Gelegenheit, um sich auf ihn zu stürzen und seinen Arm, mit dem er die Waffe hielt, festzuhalten. Der andere führte einen Hieb gegen ihn, aber Mondino gelang es, Guido ein Knie in den Unterleib zu rammen, so dass diesem der Dolch entglitt. Beide gingen zu Boden und rollten ineinander verschlungen durch den Raum.
Mondino wusste weder, was um ihn herum geschah, noch, wo Adia war. Ob die Hunde oder die Männer die Oberhand behalten hatten, vermochte er nicht zu sagen. Er sah nur die großen Hände von Guido, die versuchten, ihn zu schlagen, ihm ein Auge auszukratzen oder ihn an der Kehle zu packen, und er konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit darauf, ihn daran zu hindern. Es gelang ihm, seinen Gegner mit dem Ellenbogen unterhalb des Wangenknochens zu treffen und ihm ein wütendes Knurren zu entlocken. Doch Mondinos Triumph währte nur kurz, da Guido ihm einen heftigen Kopfstoß versetzte, durch den er beinahe die Besinnung verlor, doch seltsamerweise war es Arlotti, der nun vor Schmerz schrie und von ihm abließ. Während er keuchend auf dem Boden lag und versuchte aufzustehen, spürte Mondino die Klinge des Dolchs unter seiner Hand. Er packte ihn und setzte sich auf, benommen, aber bereit, sich zu verteidigen.
Mit grimmig zusammengepressten Kiefern und dem Dolch in der Hand sah er sich um. Guido Arlottis Spießgesellen lagen blutend und verletzt auf dem Boden. Ihre Kleidung war zerfetzt, und sie hatten auch ihre Dolche nicht mehr, die nun auf dem Tisch hinter Adia lagen. Die beiden Molosser bewachten sie lautlos mit ihren roten Augen und dem traurig hängenden Maul. Sie schienen bereit, bei der kleinsten Bewegung von ihnen sofort loszuspringen. Guido Arlotti saß auf dem Boden und massierte sich zitternd vor Wut den Nacken. Adia Bintaba hatte ihm einen Stock über den Kopf gezogen und sah ihn nun herausfordernd an.
Trotz ihrer Lage konnte Mondino nicht umhin, sie in dieser kriegerischen Pose wunderschön zu finden. Er stand mühsam auf, klopfte sich den Staub vom Gewand und ging zu Guido. »Werdet Ihr uns jetzt sagen, wer Euch schickt und warum?«, sagte er drohend.
Der Mann spuckte ihm vor die Füße. »Zur Hölle mit Euch und dieser Hure!«
Mondino beugte sich hinunter und wollte ihn am Hals packen, doch Adia hielt ihn auf, indem sie mit dem Stock seine Brust berührte.
»Das reicht«, sagte sie. »Ihr habt schon genügend Unruhe in mein Haus gebracht.«
Mondino hatte nicht die Absicht, in dieser angespannten Situation Befehle von ihr entgegenzunehmen. »Verzeiht«, sagte er und beherrschte sich nur mühsam. »Ich muss aber unter allen Umständen wissen, warum mir dieser Mann seit gestern Abend wie ein Schatten folgt. Es ist außerordentlich wichtig.«
»Was in meinem Hause wichtig ist, entscheide ich«, erwiderte Adia. »Ihr drei, raus mit euch. Sonst sage ich meinen Mastinos, sie sollen euch angreifen.«
Sie hob gebieterisch den Stock, worauf die beiden Männer auf der anderen Seite des Zimmers vorsichtig und unter Schmerzen aufstanden. Einem war der halbe Arm zerfleischt worden, der andere verlor Blut aus dem Oberschenkel. Guido Arlotti hatte als einziger keine Bisswunden, dafür jedoch zahllose Blutergüsse im Gesicht und auf den Armen. Mondino konnte sich denken, dass er selbst keinen Deut besser aussah.
»Madonna«, sagte er etwas höflicher. »Die Informationen, über die dieser Mann verfügt, sind überaus wichtig für mich. Es kann sogar eine Frage von Leben und Tod sein.«
Adia sagte zwei Worte auf Arabisch, daraufhin kamen die Hunde zu ihr und legten sich zu ihren Füßen hin. »Geht«, sagte sie dann zu den drei Angreifern. »Und zwar schnell, bevor ich es mir anders überlege.«
Die drei schwankten hastig zur Tür, und im Nu waren sie unter den wachsamen Blicken Adias und der Hunde draußen. Als sie so weit entfernt waren, dass sie sich sicher fühlte, schrie Guido Arlotti: »Wir sehen uns wieder, Hexe! Du wirst auf dem Scheiterhaufen brennen mitsamt deinen Höllenhunden!«
Dann drehte er sich um und schloss zu den anderen auf, die zu übel zugerichtet waren, um laut Rache zu schwören.
»Es war ein Fehler, sie gehen zu lassen«, sagte Mondino, während er die drei Männer beobachtete, wie sie sich entfernten. »Jetzt seid Ihr ebenfalls in Gefahr.«
»Und was hätte ich Eurer Meinung nach tun sollen?«, erwiderte Adia. Sie legte den Stock auf den Boden und beugte sich über ihre beiden Mastinos, um sie auf Verletzungen zu untersuchen. »Sie töten?«
»Nein, aber …«
»Was aber? Wie hätte ich sie sonst daran hindern können, dem Inquisitor von mir zu erzählen? Die korrekte Anwendung von Alchimie sieht keine Morde vor, Magister. Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt.«
»Und was werdet Ihr nun tun?«
Adia schaute sich traurig im Zimmer um. Zahlreiche Bücher waren zu Boden gefallen und die Bank war umgeworfen, doch die seltsame Ordnung, die Mondino bei seiner Ankunft aufgefallen war, schien durch den Angriff der Fremden nicht weiter gestört worden zu sein.
»Ich habe mich hier wohl gefühlt«, sagte sie mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme. »Aber jetzt ist der Moment gekommen, unverzüglich von hier wegzugehen.«
»Ihr wollt sofort gehen?«, fragte Mondino überrascht. »Für immer?«
»Ein Mann, der offenbar im Dienste der Inquisition steht, hat mich gerade beschuldigt, eine Hexe zu sein. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen, meint Ihr nicht auch?«
Sie hatte Recht, obwohl die Gefahr vielleicht nicht so unmittelbar bevorstand, wie sie zu glauben schien. Uberto da Rimini hatte im Augenblick nichts als den Prozess gegen die Tempelritter im Kopf, und bevor er Lust haben würde, sich mit einer Frau vom Land zu beschäftigen, die er für eine einfache Kräuterhexe halten musste, würde einige Zeit vergehen.
»Und Ihr lasst alles hier zurück? All dieses … Wissen.« Mondino hatte kein besseres Wort gefunden, um das zu beschreiben, was er sah.
Adia lächelte. »Ich werde so viel wie möglich mit mir nehmen. Das Übrige hinterlasse ich den Besitzern des Hauses zum Ausgleich für das, was ich ihnen noch schulde. Mir bleibt keine Zeit, zu ihnen zu gehen und abzurechnen.«
»Und wohin wollt Ihr jetzt?«
»Zum Hafen von Corticella. Jemand, dem ich vertraue, wird mich dort aufnehmen, bis ich einen Platz auf einem Schiff nach Venedig gefunden habe. Und was ist mit Euch?«
»Wie meint Ihr das?«
»Der Rückweg nach Bologna ist nicht sicher. Diese Männer schienen zwar zu übel zugerichtet, um etwas zu unternehmen, aber sie könnten Euch dennoch an einer einsamen Stelle auflauern. Und Ihr allein hättet nur geringe Chancen gegen sie, selbst wenn sie unbewaffnet sind.«
Mondino hatte eine seltsame Traurigkeit bei der Nachricht beschlichen, dass Adia für immer fortgehen würde. Doch bei diesen Worten flammte seine Wut erneut auf.
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