«Was!«rief der Professor aus. Er ließ die Schultern hängen, für ihn mit seinen hochgesteckten Erwartungen sah es jetzt aus, als hätte ich ihm nur eine weitere Sackgasse, einen weiteren Irrweg anzubieten.
Ich stellte das richtig.»Mein vierter Angreifer, Maske Nummer vier, war nur ein gedungener Helfer, und ich bin mir nicht sicher, ob er eigentlich wußte, was er suchte.«
Aber, dachte ich, wie meine Handgelenke am besten kaputtzumachen waren, das wußte er genau.»Jedenfalls versteht er gut mit Baseballschlägern und Narkosegas umzugehen.«
«Wer um Gottes willen ist es denn?«Der Professor hatte Mühe, seine Ungeduld zu zügeln, und ebenso der Hauptkommissar, aber mir fiel diese Enthüllung ganz und gar nicht leicht. Dennoch…
«Wer war der vierte Mann, Hickory?«fragte ich.
Hickory, der noch immer am Boden kniete und sich Verbandmull an das Ohr hielt, blickte zu mir auf.
«Was fragen Sie mich?«sagte er.
«Sie haben meine Finger festgehalten.«
«Aber natürlich nicht!«
«Leider doch«, sagte ich.»Mit einem Baseballschläger sollte mir das Handgelenk zertrümmert werden, und dafür haben Sie meine Hand gegen eine Wand gehalten.«
«Sie müssen verrückt sein. Warum sollte ich Sie überfallen? Ausgerechnet Sie?«
Eine gute Frage, und die Antwort darauf war komplex. Er erklärte es nicht, aber wir wußten beide, daß er mitgemacht hatte.
«Haben Sie es wegen des Geldes getan?«fragte ich.
Ich nahm an, seine Gründe waren komplizierter. Wahrscheinlich hatten sie etwas mit meinen Glasbläserkünsten zu tun, an die er nicht heranreichte. Neid war ein starkes Gefühl, und es konnte nicht allzu schwer gewesen sein, Hickory gegen mich aufzubringen.
Er gab es noch immer nicht zu.»Sie sind ja verrückt«, sagte er, und damit stand er auf und sah sich um, als wäre er am liebsten verschwunden.
«Die grünweißen Schnürsenkel«, sagte ich.
Er blieb abrupt stehen und drehte sich wieder um.
«Die haben Sie hier an dem Tag getragen, als Martin Stukely starb, und auch am Tag danach, als Sie die Kassetten aus seinem Haus gestohlen und mir eins mit der orangen Gasflasche übergezogen haben.«
Hickory kam ein paar Schritte heran, offensichtlich mit starken Schmerzen am Ohr. Er verlor die Contenance.
«Sie sind ja so scheißklug«, sagte er.»Hätten wir Ihnen die Handgelenke bloß gebrochen!«
Der Hauptkommissar stieß sich von der Zwischenwand, an der er lehnte, ab und richtete sich auf.
Aber Hickory hatte gerade erst angefangen.
«Sie und Ihre Allüren und wie gönnerhaft Sie immer über meine Arbeit reden. Ich hasse Sie und Ihre Werkstatt. Ich bin ein verdammt guter Glasmacher, und ich habe mehr Anerkennung verdient. «Er reckte das Kinn vor und lächelte höhnisch.
«Eines Tages«, fuhr er fort,»wird John Hickory ein Name sein, auf den man schwört, und die Leute werden Lo-ganglas zerschlagen, um an meines zu kommen.«
Jammerschade, dachte ich. Er hatte durchaus Talent, aber das würde sich wohl nie so entfalten können, wie es sollte. Arroganz und Selbstüberschätzung würden die guten Anlagen, die er besaß, zerstören.
«Und Rose?«fragte ich.
«Das dumme Stück«, erwiderte er und hielt sich den schmerzenden Kopf,»die hat sie doch nicht alle. Wir sollten Sie fesseln, sagte sie. Wir sollten Sie als Geisel nehmen. Mir das Ohr zu rösten, davon war keine Rede. Ich hoffe, sie schmort in der Hölle.«
Ich hoffte, sie verrottete auf Erden.
«Sie hat mir einen eigenen Laden versprochen«, sagte Hickory.»Hat behauptet, sie würde Sie aus dem Geschäft drängen. In Teamarbeit mit ihrem blöden Vater. «Er merkte, daß er sich immer tiefer hineinritt.»Die haben mich angestiftet. Das war deren Schuld, nicht meine.«
Unglücklich sah er in die gebannten Gesichter ringsum.
«Es war nicht meine Schuld. Die Idee kam von denen.«
Niemand glaubte ihm. Hickory war es, der Rose auf dem laufenden gehalten hatte. Hickory war der Beobachter am Ort gewesen.
«Wo ist denn nun die Kassette?«fragte George Lawson-Young.
«Ich weiß es nicht«, erwiderte Hickory.»Rose sagte, sie müsse entweder bei Stukely oder bei Logan daheim gewesen sein, aber ich habe stundenlang Videos über Pferderennen und Glasbläserei gesichtet, und glauben Sie mir, eine Kassette mit Medizinischem war nicht dabei.«
Ich glaubte ihm. Sonst wären mir wohl einige Prügel erspart geblieben, dachte ich traurig, und Paul Federfuchser würde noch in Einkaufszoneneingängen herumlungern.
Ein Sanitäter erschien und sagte, es sei Zeit, Hickory zur Behandlung seiner Brandwunde ins Krankenhaus zu bringen. Daraufhin nahm der Hauptkommissar Hickory fest:
«Sie haben das Recht zu schweigen.«»Dazu ist es ein bißchen spät«, gab Hickory zurück, als ein Polizist im weißen Overall und der Sanitäter ihn zum Krankenwagen führten.
Der Hauptkommissar wandte seine Aufmerksamkeit Dr. Rubinrotbart Force zu, der die ganze Zeit schweigend zugehört hatte.
In vorbildlicher Beamtensprache wie immer fragte er:
«Nun, Dr. Force, können Sie uns sagen, wo die Kassette mit den medizinischen Forschungsresultaten geblieben ist, die dem Professor hier gestohlen wurden?«
Force sagte nichts. Offenbar hatte er zumindest eines aus unserem Gespräch unter den Fichten in Lynton gelernt.
«Kommen Sie, Adam, reden Sie. «Der Professor, sah ich, brachte dem Mann, von dessen Bart Blut auf meinen blanken Steinboden tropfte, doch noch ein wenig Freundschaft entgegen.
Force sah ihn verächtlich an und schwieg.
Auch er wurde festgenommen und zur Wundenversorgung und erkennungsdienstlichen Behandlung abgeführt.
«Sie haben das Recht zu schweigen…«Er nutzte es.
Nach und nach leerten sich die Galerie, der Verkaufsraum und die Werkstatt. Ein richterlicher Beamter erschien, um Pauls Überführung in das städtische Leichenschauhaus zu überwachen. Die Spurensicherer unterbrachen ihre Arbeit und schauten zu, wie die Bahre mit dem hochangesehenen und geschätzten Kollegen durch die Galerie hinausgetragen wurde. Ich hatte ebenso Tränen in den Augen wie sie. Er war nicht nur ein guter Polizist, sondern auch ein guter Mensch gewesen.
Noch ein paar Fotos wurden gemacht und noch ein paar Beweisstücke gesammelt. Blauweißes Absperrband wurde gespannt, Türen verschlossen, Wachen aufgestellt und der
Professor und ich sanft hinauskomplimentiert auf die Straße, in den zur Stimmung passenden grauen Nieselregen.
Noch einmal bat mich der Hauptkommissar, ihn zur Aufnahme meiner Aussage zur Polizeistation zu begleiten, doch fand er diesmal freundlichere Worte. Ich willigte ein, schlug aber vor, wir sollten alle erst einmal in den Wychwood Dragon gehen, da ich durstig sei und eine Tasse Tee gebrauchen könne. Ich sah auf die Billiguhr an meinem Handgelenk. Meinem Gefühl nach hätte die Teezeit vorbei sein können, doch erstaunlicherweise war es noch Vormittag.
Sie saßen unten im Gästesalon. Bon-Bon und ihre vier teilten sich das breite Sofa in absteigender Größe von links nach rechts. Sie hatten Cola getrunken, und auf dem Couchtisch vor ihnen stand eine Reihe leerer Flaschen mit Strohhalmen. Marigold saß in einem tiefen Knautschsessel, und Worthington hockte neben ihr auf der Armlehne. Die Art und Weise, wie Marigold Worthingtons Hand umklammert hielt, erinnerte mich an seine Warnung vor der Venusfliegenfalle. Ihm schien es nicht unrecht zu sein.
Der Drachen servierte Tee in großen Millenniumsbechern und erzählte uns, daß die immer noch unter Schock stehende Pamela Jane vom Polizeiarzt ein Beruhigungsmittel bekommen habe und nach oben ins Bett verfrachtet worden sei.
Victor stand am Fenster und starrte auf die andere Straßenseite, als könnte er die Augen nicht von Logan Glas abwenden. Ich nahm meinen Tee und ging zu ihm hinüber.
Читать дальше