Roger lachte.
«Halten Sie den kleinen Scherz unter Verschluß«, bat ich, und Dart sagte, er könne sich vielleicht dazu durchringen.
Mark, Marjories Chauffeur, stieß zu uns und erklärte uns mißbilligend, ich ließe Mrs. Binsham warten. Sie sitze im Büro und wippe mit dem Fuß.
«Sagen Sie ihr, ich bin unterwegs«, sagte ich, und Mark ging, um es auszurichten.
«Dieser wackere Mann verdient das Viktoriakreuz«, grinste Dart,»für hervorragende Tapferkeit. «Ich ging hinter Mark her.»Genau wie Sie«, rief Dart mir nach.
Marjorie mit ihrem steifen Rücken war in der Tat verärgert, aber wie sich herausstellte, nicht über Mark oder mich. Der Chauffeur war auf einen Spaziergang geschickt worden. Ich wurde aufgefordert, Platz zu nehmen.
«Ich möchte eigentlich lieber stehen.«
«Ach ja, ich vergaß. «Sie musterte mich kurz vom Hemd bis zu den Jeans, als wüßte sie mich wegen meiner wechselnden Erscheinung nicht recht einzuordnen.
«Sie sind, glaube ich, Bauunternehmer«, begann sie.
«Ja.«
«Nun, nachdem Sie sich den Schaden an der Tribüne jetzt näher angeschaut haben — was sagt der Bauunternehmer dazu?«
«Zur Wiederherstellung in der alten Form?«
«Natürlich.«
Ich sagte:»So sehr ich Ihren Wunsch verstehe, ich hielte das offen gestanden für einen Fehler.«
Sie war eigensinnig.»Aber es ließe sich machen?«
Ich sagte:»Der ganze Bau könnte sich als unstabil erweisen. Das Gebäude ist alt, wenn auch, zugegeben, gut gearbeitet. Es könnten aber Risse entstanden sein, die man noch nicht sieht, und zweifellos haben sich neue Belastungen ergeben. Sind die Trümmer erst entfernt, könnten weitere Gebäudeteile einstürzen. Man müßte alles abstützen. Es tut mir wirklich leid, aber ich würde Ihnen raten, alles abzureißen und ganz neu zu bauen.«
«Das möchte ich nicht hören.«»Ich weiß.«
«Ließe es sich denn wieder so aufbauen, wie es war?«
«Natürlich. Die Pläne und Zeichnungen sind ja alle noch hier im Büro. «Ich hielt inne.»Aber es wäre eine verpaßte Gelegenheit.«
«Sagen Sie bloß, Sie halten es mit Conrad?«
«Ich halte es mit niemandem. Ich sage Ihnen nur ehrlich, daß Sie die alte Tribüne im Hinblick auf moderne Ansprüche enorm verbessern könnten, wenn Sie sie neu entwerfen ließen.«
«Mir gefällt aber der Architekt nicht, den Conrad uns aufzwingen will. Ich verstehe ihn nur zur Hälfte, und Sie werden es nicht glauben, aber der Mann benimmt sich herablassend.«
Und ob ich das glaubte.»Er wird schon noch einsehen, daß das ein Fehler ist«, sagte ich lächelnd.»Falls Sie sich übrigens doch für einen Umbau der Tribüne entscheiden sollten, wäre es ratsam, in Architekturzeitschriften einen Wettbewerb auszuschreiben und die eingehenden Pläne einer Jury vorzulegen, die Sie bestimmen könnten. Dann hätten Sie eine Auswahl. Sie wären nicht an Wilson Yarrow gebunden, der vom Rennsport, wie der Colonel mir versichert, keinen Schimmer hat. Man würde noch nicht einmal einen Sessel kaufen, ohne sich probehalber reinzusetzen. Die Tribünen müssen bequem sein und gut aussehen.«
Sie nickte nachdenklich.»Sie wollten sich mal über diesen Yarrow informieren. Haben Sie das getan?«
«Bin dabei.«
«Und Keiths Schulden?«
«Ich arbeite dran.«
Sie schnaubte ungläubig, nicht ganz zu Unrecht.»Ich nehme an«, setzte sie, um Fairneß bemüht, hinzu,»daß es Ihnen schwerfällt herumzulaufen.«
Ich zuckte die Achseln.»Auch die Feiertage sind ein Problem. «Ich überlegte kurz.»Wo wohnt Keith?«
«Über seinem Wert.«
Ich lachte. Marjorie schmunzelte über ihre eigene Schlagfertigkeit.
Sie sagte:»Er wohnt im Wittibhaus auf dem Gut. Es wurde für die Witwe des ersten Barons gebaut, und da sie gern geprotzt hat, ist es ziemlich groß. Keith tut, als ob es ihm gehört, aber er wohnt da zur Miete. Jetzt, wo mein Bruder tot ist, fällt es natürlich an Conrad.«
Ich fragte zögernd:»Und. welche Einkünfte hat Keith?«
Marjorie mißbilligte die Frage, antwortete aber nach einiger Überlegung; schließlich hatte sie mir die Rolle in dem Spiel selbst zugeteilt.
«Seine Mutter hat ihn sichergestellt. Sie war vernarrt in ihn; er war ein hübsches Kind, und auch als junger Mann sah er gut aus. Sie ließ ihm alles durchgehen. Conrad und Ivan waren immer plump und ungeschickt und haben ihr nie Freude gemacht. Sie starb vor ungefähr zehn Jahren. Damals hat Keith sein Geld geerbt, und ich würde meinen, er hat es verbraten.«
Ich überlegte ein wenig und fragte:»Wer ist der Vater von Jack?«
«Das geht Sie nichts an.«
«Es tut nichts zur Sache?«
«Natürlich nicht.«
«Wettet Keith auf Pferde? Was spielt er? Karten? Backgammon?«
«Vielleicht finden Sie das ja raus. Mir erzählt er selbstverständlich nichts davon.«
Ich wußte nur eine Möglichkeit, mir Einblick in Keiths Angelegenheiten zu verschaffen, und auch die war problematisch. Als erstes würde ich mir einen Wagen leihen und ihn fahren müssen, wo mir doch schon das Gehen schwerfiel. Laß dir zwei, drei Tage Zeit, dachte ich. So bis Dienstag.
«Was fängt Keith mit seiner Zeit an?«fragte ich.
«Er sagt, er hat einen Job in der Londoner City. Den hatte er vielleicht mal, aber jetzt ist das bestimmt gelogen. Er lügt ja dauernd. Im übrigen ist er fünfundsechzig. Rentenalter, wie man sagt. «Sie rümpfte mehr oder weniger die Nase.»Wer Verpflichtungen hat, pflegte mein Bruder zu sagen, der geht nie in Rente.«
Ob man sich zur Ruhe setzte, blieb einem zwar nicht immer selbst überlassen, aber wozu streiten? Nicht jeder war ein Baron mit ererbtem Titel, abhängigen Geschwistern und väterlicher Einstellung. Nicht jeder besaß Geld genug, um Karren zu schmieren und Wogen zu glätten. Mein Nichtgroßvater, dachte ich, mußte bei all seinen Schwächen ein netter Mensch gewesen sein; meine Mutter hatte ihn ja auch gemocht, und Dart ebenfalls.
«Wie steht’s mit Ivan?«fragte ich.
«Ivan. «Ihre Brauen hoben sich.»Wie meinen Sie?«
«Er hat ein Gartencenter?«
Sie nickte.»Mein Bruder hat ihm fünfzig Morgen Land geschenkt. Vor Jahren schon, als Ivan noch jung war. Er versteht sich aufs Pflanzen, Säen, Aufziehen. «Nach einer Pause fuhr sie fort:»Man braucht nicht hochintelligent zu sein, um ein zufriedenes, redliches Leben zu führen.«
«Aber Glück braucht man dazu.«
Sie musterte mich und nickte.
Da sie keine Fragen mehr an mich zu haben schien, fragte ich sie, ob sie die Gehaltsschecks für Roger und Oliver unterschreiben könne.
«Was? Ja, das habe ich ihm doch gesagt. Der Colonel soll mich bei Gelegenheit noch mal daran erinnern.«
«Ich hab sie hier«, sagte ich und zog den Umschlag aus meiner immer noch über dem Stuhl hängenden Jacke.»Haben Sie was zum Schreiben?«
Resigniert kramte sie einen Stift aus ihrer großen Handtasche, nahm die Schecks aus dem Umschlag und setzte ihren Namenszug exakt, ohne Schnörkel auf die dafür vorgesehene Linie.
Ich sagte schüchtern:»Um Ihnen die Mühe künftig zu ersparen, könnte der Vorstand doch auch Conrad, Ivan oder Dart die Zeichnungsbefugnis für Schecks geben. Dazu müßten sie nur ihre Unterschrift bei der Bank hinterlegen. Es kommen bestimmt noch eine Menge Sachen — und nicht nur Gehaltsschecks — auf Sie zu, die unterschrieben werden müssen. Der Colonel braucht Vollmachten, wenn er verantwortlich handeln soll.«
«Sie scheinen sich ja gut auszukennen!«
«Ich kenne mich mit Geschäften aus. Ich habe eine GmbH.«
Sie runzelte die Stirn.»Also gut. Alle drei dann. Genügt das?«
«Am besten unterschreiben je zwei aus dem Vierervorstand. Dann sind Sie abgesichert, und die Ehrlichkeit des Colonels kann von Keith oder Rebecca nicht mehr ange-zweifelt werden.«
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