«So ist es.«
«Ich verstehe. Mr. Mattiece zieht es vor, Sie nicht zu empfangen. Er möchte, dass Sie mit mir reden.«
Barr schüttelte den Kopf. Falls es hart auf hart gehen sollte, wenn ihm die Dinge aus der Hand glitten, dann würde er mit Emil reden, wenn es unbedingt sein musste. Aber fürs erste gedachte er, fest zu bleiben.
«Ich bin nicht befugt, mit irgend jemandem außer Mr. Mattiece zu reden«, erklärte Barr.
Das Lächeln verschwand fast völlig. Emil deutete über die Pools und Springbrunnen hinweg auf ein großes, pavillonähnliches Gebäude mit Fenstern vom Boden bis zur Decke, das umgeben war von Reihen säuberlich beschnittener Sträucher und Blumen.»Mr. Mattiece ist in seinem Pavillon. Folgen Sie mir.«
Sie verließen das Sonnenzimmer und gingen langsam um einen flachen Pool herum. Barr hatte einen dicken Knoten im Bauch, aber er folgte seinem kleinen Freund, als wäre dies nichts als ein weiterer Tag im Büro. Von irgendwoher kam das Plätschern fallenden Wassers. Zu dem Pavillon führte ein schmaler Steg. Sie blieben vor der Tür stehen.
«Ziehen Sie bitte die Schuhe aus«, sagte Emil mit einem Lächeln. Emil war barfuss. Barr zog die Schuhe aus und stellte sie neben die Tür.
«Treten Sie nicht auf die Handtücher«, sagte Emil ernst.
Die Handtücher?
Emil öffnete die Tür für Barr, der allein eintrat. Der Raum war kreisrund und hatte einen Durchmesser von ungefähr fünfzehn Metern. Darin standen drei Sessel und eine Couch, alle mit weißen Laken abgedeckt. Dicke Frotteehandtücher lagen auf dem Fußboden und bildeten kleine Pfade durch den Raum. Die Sonne schien grell durch Oberlichter. Eine Tür ging auf, und Mr. Mattiece kam aus einem kleinen Nebenzimmer.
Barr erstarrte und glotzte den Mann an. Er war dürr und hager, mit langem grauem Haar und einem schmutzigen Bart. Er hatte nichts an außer einer weißen Turnhose und wanderte über die Handtücher, ohne Barr anzusehen.
«Setzen Sie sich dorthin«, sagte er und deutete auf einen Sessel.»Treten Sie nicht auf die Handtücher.«
Barr vermied die Handtücher und setzte sich. Mattiece drehte ihm den Rücken zu und schaute aus dem Fenster. Seine Haut war lederig und dunkel bronzefarben. Seine nackten Füße waren von hässlichen Adern durchzogen. Die Zehennägel waren lang und gelb. Er war völlig verrückt.
«Was wollen Sie?«fragte er, zum Fenster gewandt.
«Der Präsident schickt mich.«
«Tut er nicht. Fletcher Coal hat Sie geschickt. Der Präsident weiß überhaupt nicht, dass Sie hier sind.«
Vielleicht war er doch nicht verrückt. Er sprach, ohne einen Muskel in seinem Körper zu bewegen.
«Fletcher Coal ist der Stabschef des Präsidenten. Er hat mich geschickt.«
«Ich weiß Bescheid über Coal. Und ich weiß Bescheid über Sie. Und über Ihre kleine Organisation. Also, was wollen Sie?«
«Information.«»Halten Sie mich nicht zum Narren. Was wollen Sie?«
«Haben Sie die Pelikan-Akte gelesen?«fragte Barr.
Der dürre Körper bewegte sich nicht.»Haben Sie sie gelesen?«
«Ja«, erwiderte Barr schnell.
«Glauben Sie, dass stimmt, was darin steht?«
«Es könnte sein. Deshalb bin ich hier.«
«Weshalb macht sich Mr. Coal wegen dieser Akte so viele Gedanken?«
«Weil zwei Reporter Wind davon bekommen haben. Und wenn es stimmt, dann müssen wir es sofort wissen.«
«Wer sind diese Reporter?«
«Gray Grantham von der Washington Post. Er hat als erster davon erfahren. Er weiß mehr als alle anderen, und er versucht, noch mehr herauszubekommen. Mr. Coal glaubt, dass er im Begriff ist, etwas zu veröffentlichen.«
«Den können wir aus dem Weg räumen«, sagte Mattiece zu den Fenstern.»Wer ist der andere?«
«Rifkin von der Times.«
Mattiece hatte sich noch immer nicht bewegt. Barr ließ den Blick über die Laken und die Handtücher schweifen. Ja, er musste verrückt sein. Der Raum war sterilisiert und roch nach Franzbranntwein. Vielleicht war er krank.
«Glaubt Mr. Coal, dass stimmt, was darin steht?«
«Ich weiß es nicht. Er macht sich große Sorgen. Deshalb bin ich hier, Mr. Mattiece. Wir müssen es wissen.«
«Was ist, wenn es stimmt?«
«Dann haben wir Probleme.«
Endlich bewegte sich Mattiece. Er verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein und verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. Aber seine Augen bewegten sich nicht. In der Ferne gab
es Sanddünen und Strandhafer, aber nicht das Meer.
«Wissen Sie, was ich glaube?«sagte er leise.
«Was?«
«Ich glaube, Coal ist das Problem. Er hat die Akte zu vielen Leuten gegeben. Er hat sie der CIA gegeben. Er hat zugelassen, dass Sie sie lesen. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Darauf fiel Barr keine Erwiderung ein. Es war lächerlich, davon auszugehen, dass Coal das Dossier verbreiten wollte. Das Problem sind Sie, Mr. Mattiece. Sie haben die Richter ermordet. Sie sind in Panik geraten und haben Callahan umgebracht. Sie sind der gierige Mistkerl, der nicht bereit war, sich mit lumpigen fünfzig Millionen zufriedenzugeben.
Mattiece drehte sich langsam um und sah Barr an. Die Augen waren dunkel und rot. Er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Foto, auf dem er mit dem Vizepräsidenten zu sehen war, aber das lag sieben Jahre zurück. In den letzten sieben Jahren war er um zwanzig Jahre gealtert, und vielleicht hatte er irgendwann in dieser Zeit die Grenze des Irrsinns überschritten.
«Das ist die Schuld von euch Clowns in Washington«, sagte er, jetzt etwas lauter.
Barr konnte ihn nicht ansehen.»Stimmt es, Mr. Mattiece? Das ist alles, was ich wissen möchte.«
Hinter Barr wurde lautlos eine Tür geöffnet. Larry, in Socken und den Handtüchern ausweichend, schob sich zwei Schritte vor und blieb dann stehen.
Mattiece ging auf den Handtüchern zu einer Glastür und öffnete sie. Er schaute hinaus und sagte leise:»Natürlich stimmt es. «Er trat durch die Tür und machte sie langsam hinter sich zu. Barr sah zu, wie der Irre auf einem Pfad, der zu den Dünen führte, davon schlurfte.
Was nun? dachte er. Vielleicht würde Emil kommen und ihn abholen. Vielleicht.
Larry näherte sich mit einem Seil, und Barr hörte und spürte nichts, bevor es zu spät war. Mattiece wollte kein Blut in seinem Pavillon, also brach Larry ihm einfach das Genick und presste seinen Hals zusammen, bis es vorüber war.
Der Schlachtplan sah vor, dass sie an diesem Punkt ihrer Suche in diesem Fahrstuhl zu stehen hatte, aber wie sie es sah, waren so viele unerwartete Ereignisse eingetreten, dass eine Änderung des Schlachtplans angezeigt gewesen wäre. Er war nicht dieser Meinung. Es hatte eine eingehende Debatte über diese Fahrt im Fahrstuhl gegeben, und nun stand sie darin. Er hatte recht: es war der kürzeste Weg zu Curtis Morgan. Und sie hatte auch recht: es war ein gefährlicher Weg zu Curtis Morgan. Aber die anderen Wege waren nicht weniger gefährlich. Der ganze Schlachtplan war mörderisch.
Sie trug ihr einziges Kleid und ihre einzigen Schuhe mit hohen Absätzen. Gray sagte, sie sähe sehr gut aus, aber das war zu erwarten gewesen. Der Fahrstuhl hielt im neunten Stock, und als sie heraustrat, hatte sie Magenkrämpfe und konnte kaum atmen.
Zum Empfang musste sie ein elegantes Foyer durchqueren. An der Wand prangte in großen, dicken Messingbuchstaben der Name WHITE AND BLAZEVICH. Ihre Knie waren weich, aber sie schaffte es bis zu der Frau am Empfang, die freundlich lächelte. Es war zehn vor fünf.
«Kann ich Ihnen helfen?«fragte sie. Dem Namensschild zufolge hieß sie Peggy Young.
«Ja«, brachte Darby nach einem Räuspern heraus.»Ich bin um fünf Uhr mit Curtis Morgan verabredet. Mein Name ist Dorothy Blythe.«
Die Frau war fassungslos. Ihr Unterkiefer sackte herab, und sie starrte Darby, jetzt Dorothy, an. Sie konnte nicht sprechen.
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