«Oje! Das war das schlimmste Abenteuer meines Lebens! Aber jetzt kann ich sagen: Ende gut, alles gut!«
(Nachgeschichte: Im März 1993 wird die Wohnung in der Mecklenburger Straße von der Polizei geräumt. Der Betreiber M. wird später zu knapp dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Über die Kundschaft wird nichts in der Öffentlichkeit bekannt. Angebliche Videos und Fotos bleiben verschwunden.)
Wo bist du?
Schau nach oben. Aber der Himmel über dir ist grau, ein großes graues Loch, und dein Gesicht wird nass. Schneeflocken schmelzen auf deinem Mantel.
Du stolperst und stützt dich auf deinen Stock. Du fühlst das glatte Holz auf deiner Hand, die den Knauf umklammert.
Du stehst auf dem Fußweg an einer großen Straße, Menschen laufen an dir vorüber, während es immer noch schneit. Es sieht aus, als würden sie Masken tragen, weiße Masken aus Schnee, aber Lichter blenden dich, ein buntes Leuchten, flimmernde fremde Neon-Zeichen, die du nicht verstehst, nicht lesen kannst, noch nie gesehen hast. Orange, rot, rosa, hellblau, grün, violett, überall um dich herum, nächtliche Regenbögen über bunten Sonnen, du schließt kurz die Augen und suchst die Dunkelheit und suchst die Stille, wie bist du in diese Stadt, die du nicht kennst, gekommen? Wie lange irrst du schon durch diese endlose Nacht?
Du willst in eine der schmalen Gassen gehen, aber die Lichter und die Farben, die von dort zu dir dringen, sind noch viel heller und strahlender als die, zwischen denen du jetzt stehst und den Kopf bewegst und deinen Körper drehst und dich immer noch auf diesen Stock stützt. Hohe Häuser, Rechtecke, aus denen farbige Ranken wachsen, auf denen die Zeichen und Symbole leuchten. Du lehnst dich an eine Hauswand und nimmst den Stock und betrachtest den Knauf. Ein Drachenkopf, denkst du. Oder der Kopf eines Dämons. Ein Mann hat dir diesen Stock gegeben, ihn dir überreicht, er lag auf beiden Händen des Mannes, als er ihn dir reichte. Den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt. Das war vor … Stunden, Tagen, Wochen?» It will not only help you walking. This is an old symbol and it will protect you in our world.«
Vor dir laufen die Menschen, ein ungeordnetes Fließen in alle Richtungen, die Autos auf der Straße bewegen sich sehr langsam, du siehst unzählige schwarze Limousinen, die zu einem dunklen Band verschmelzen in der Mitte der strahlenden Quader und Türme, und du blickst auf diese große langsame Bewegung der schwarzen Fahrzeuge, blickst auf die bunten Ranken, die aus den Fassaden wachsen und die sich auch zu bewegen scheinen, zu wachsen scheinen, nach oben und quer und diagonal, entlang den Fassaden, große Schriftzeichen, die dir rätselhaft sind. Niemand beachtet dich, wie du da an der Hauswand lehnst, den Stock in beiden Händen hältst, den Kopf des Drachen, den Kopf des Dämons betastest, als wärst du blind. Du bist unter fremden Menschen. Fremde Gesichter. Weiße Masken, wie aus Schnee.
Du durchsuchst deine Taschen, findest einen kleinen Kalender, AOK, neunzehnhundertneunundneunzig, alle Tage und Monate sind durchgestrichen, übermalt. Du findest ein Flugticket, aber du kannst dich nicht daran erinnern, dass du aus einem Flugzeug gestiegen bist, dass du in ein Flugzeug gestiegen bist. 11. 2. 2000 kannst du noch erkennen, bevor es dir aus der Hand fällt, nein, aus dem Strom der Menschen vor dir, der immer dichter wird, griff eine kleine Hand danach, und es verschwand. Du schließt die Augen und siehst, wie sie dir winken. Du sitzt in einem Zugabteil und lehnst den Kopf an die Scheibe, presst die Stirn an das kalte Glas, blickst zu dem Bus, der unterhalb der Bahnstrecke fährt. Kinder heben die Hände, lachen, Uniformen, Schulranzen, der gelbe Bus biegt ab, verschwindet zwischen flachen, schmalen und grauen Wohnblöcken, und du schaust dem Winken hinterher. Dann plötzlich ein Wald, die Bäume, die wie große Farne aussehen, berühren die Scheibe, hinter der dein Kopf ist. Ein Stock lehnt zwischen deinen Beinen. Der berührt deine Knie und klopft an deine Knie, wenn der Zug durch die Kurven fährt, und du streichst mit den Händen über deine verheilten Wunden und hast das Gefühl, dass da immer noch zwei Löcher unterm Stoff deiner Hosenbeine sind, in die du deine Finger hineindrücken kannst. Und der Wald kommt auf dich zu, und der Wald bewegt sich von dir weg, und Schneisen zwischen den Bäumen, in denen kleine flache Häuser stehen, mit geschwungenen Dächern.
Das Schneetreiben beginnt. Wo bist du? Wohin gehst du? Öffne deine Augen. Ein dunkler Fluss unterm Zug und unter dir. Kleine Eisschollen auf dem Wasser. Wie die Geräusche sich ändern, wenn du über die Brücken fährst. Hast du nicht Berge gesehen, vor Stunden, Tagen? Als der Mann dir den Stock überreichte. Als der Mann dich zum Ufer des Meeres führte. Flache, geschwungene Hügel. Oder waren das die braunen Dächer der Häuser?
Der Mann spricht zu dir. Du sitzt in einem Raum aus Papier. Du bist am anderen Ende der Welt.»Sekai, do«, sagt der Mann, und du trinkst aus einer kleinen Schale etwas, das warm in dein schmerzendes Bein dringt, Kälte und das Gefühl, dass es die Beine eines anderen sind,»indeed, it is difficult to understand …«, ja, das verstehst du und willst sprechen und öffnest den Mund und spürst, dass du trinkst, während du sprechen willst, und sinkst zurück auf der kleinen Bank …,»to understand the world as it is …«Der Mann spricht langsam und mit rollendem R, er blickt beim Sprechen auf den kleinen Tisch mit den Gefäßen und Schalen, graue Haare hängen in seine Stirn.
«Die Welt«, willst du sagen, weil du verstehst, zu verstehen glaubst, und deine Brust wird nass, und die Schale rutscht leer auf den Boden, und du legst die Beine zur Seite und bewegst den Arm und bewegst die Hand, damit er geht,»Wer bist du?«
«Although it seems true, it is not, and although it seems false, it is not.«
Du sitzt in einem Zimmer. Der Schlüssel mit dem großen Plastikanhänger vor dir auf dem Tisch. Zwei andere Schlüssel daneben. Silberne Anhänger, die kugelförmig enden, wie Miniatur-Schlagstöcke. Eine Chipkarte in einem kleinen Pappschuber. Eine Nummer darauf. Du blickst aus dem Fenster.
Ein Park gegenüber. Schnee auf den Bäumen, Türme hinter dem Park, hinter den Bäumen, weit weg oder ganz in der Nähe, die Entfernungen verändern sich, Hochhäuser, die durch Brücken verbunden sind, Gänge aus Glas. Ein tempelartiger Flachbau mit geschwungenem Dach zwischen dem Weiß und dem Grün des Parks, denn die Bäume sind nicht kahl, Winter in dieser Stadt, aber Tage, daran erinnerst du dich jetzt, die nach Frühling rochen, die Luft plötzlich mild, und der Himmel klar, kein Grau mehr, aus dem der Schnee nass auf dein Gesicht fiel, aber dann wieder ein eisiger Wind, der dich packte auf deinen Wegen durch die Nacht, durch die Neongassen, am Fluss entlang, durch leere Parkanlagen, die kleinen Wäldern glichen, wohin gehst du? Und was suchst du?
Das Fenster ist geöffnet, du weißt nicht, wie lange du hier schon sitzt. Du starrst auf das gelbe Licht, das aus der Tür des Tempels zu dir dringt. Du nimmst den Fahrstuhl und fährst in die siebenundzwanzigste Etage, eine kleine alte Frau steht neben dir. Du liegst auf dem Bett, hast dich mit deinem Mantel zugedeckt, und das gelbe Licht des Tempels dringt durch die Gardinen. Sitzt dort nicht ein Mann an dem Tisch? an dem du selbst eben oder irgendwann gesessen hast? du blickst an die Decke, um ihn nicht sehen zu müssen. Aber du siehst ihn und kennst ihn. Und weißt, dass er nicht hier sein darf.
«Keine Angst, ich bin allein gekommen.«
Später fliehst du vor dieser Stimme. Du stehst in einer Halle, in einem ungeheuren Raum, Pachinko, Pachinko , das Dröhnen von Lautsprecheransagen, du blickst auf die Gesichter der Männer, der Spieler, die in endlosen Reihen in ihren Raumsesseln sitzen und in die Tiefen der Spiegel schauen, in denen silberne Kugeln durch ein Labyrinth aus Stahlstiften, Gassen, Klappen und Kanäle laufen, auf sich drehenden Scheiben, und neue Labyrinthe aus Tausenden von Stahlstiften entstehen, Urwälder aus Nägeln, du hast so ein Spiel noch nie gesehen, du läufst durch die Reihen der schlafenden Spieler, du läufst durch die Straßen deiner Stadt, stehst vor den Maschinen deiner ersten Spielothek, wirfst Geld ein, um zu testen, hörst das Rasseln im Schacht der Maschine, spürst, wie das Geld der Spieler in deinen Maschinen rotiert, zwei Spielotheken im Westen der Stadt, du sollst diese Stadt, die du doch kennst, erforschen , weiter und immer weiter, es führt kein Weg zurück , du siehst, wie du als junger Mann (……………………………………………………………………… ……………………………………)»Du musst nicht weglaufen, ich wollte doch nur einmal schauen, wie es dir geht«, (…………………. …………………………………), weiter und immer weiter, und du taumelst aus dem ungeheuren Raum, wie lange bist du durch das Labyrinth der Maschinen geirrt? auf der Flucht vor der Stimme,»Nun haben wir beide hübsche Löcher in unserem Körper, nicht wahr?«,»Ich habe mit deinen Löchern nichts zu tun, Steinmann«,»Wie schön, dass sich noch einer an diesen dummen Namen erinnert, den sie mir gegeben haben. Aber die großen Immobilien waren frei, auch für dich, als ich weg war, nicht wahr?«,»Du bist nicht hier, du bist nicht tot«, und dann verstummte alles, verstummte alles, das Gewirr der Melodien, das Klimpern der Münzen, die Lautsprecheransagen, das Rattern der Kugeln, und die Spieler in den Raumsesseln drehten sich Richtung Gang und blickten dich an. Silberne Augen, als lägen Münzen drauf.»Nein, ich bin nicht tot. Fast zu sterben ist manchmal kein Glück. Aber du musst doch zugeben, dass du es damals wusstest …«
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