«Die osteuropäischen Frauen müssen täglich siebzehn, achtzehn Stunden in den Wohnungen arbeiten, das ist wie eine Dritte-Welt-Ausbeutung. Sie dürfen keine eigene Freizeit haben, sie dürfen die Wohnung nicht alleine verlassen, werden unter Zwang festgehalten. Die Vermittlerbande schickt die Mädchen immer wieder in andere Städte Deutschlands und Europas, damit sie keinen Kontakt zu anderen Mädchen außerhalb der Wohnungen aufbauen können.
Die Zuhälter wenden Gewalt an, wenn die Frauen die Forderungen nicht erfüllen. Sie müssen Extraleistungen erbringen, ohne Schutz. Die Strafen, wenn die Frauen die Leistungen nicht erfüllen, sind so hoch, dass sie unter Zwang alles ausführen, was die Freier und Zuhälter von ihnen verlangen. Sie müssen für die Wohnungen auch viel höhere Tagesmiete zahlen als die deutschen Frauen und fast alle Einnahmen an die Hintermänner abgeben. Ich habe starke Hinweise darauf, dass die Behörden von diesem Zwangssystem profitieren und deshalb nichts gegen diese Verbrechen unternehmen.«
So weit, so schlecht, meine Lieben. Und unsere Leitung summt, und die Daten flimmern durchs Netz, und ich, euer Ecki, euer ewiger Ecki, fließe durch die Stimmen und die Seiten und gleite durchs Gewirr der silbernen Fäden, und das Telefon klingelt, und ich freue mich auf meinen Überraschungsgast, den Mann, der wie einst Orpheus den Weg aus der Unterwelt fand, zurück ins Licht, zurück ins Licht.
Aber bevor wir den großen Mann zu Wort kommen lassen, noch ein vorher aufgezeichneter Kommentar einer Liebeskünstlerin, einer Sexarbeiterin, die ich persönlich schon mehrfach besucht habe und die ich hier in einer der letzten Sendungen in höchsten Tönen lobte, die aber mittlerweile — leider, leider! — in einem anderen Beruf tätig ist. Und die sich unbedingt äußern wollte zu diesen Vorwürfen gegen ihren ehemaligen Chef und Vermieter. Band ab, meine Lieben:
«Ich weiß nicht, was hier für ein Szenario über BIEP gemacht wird. Ich habe bei ihm über Jahre Wohnungen angemietet zu fairen Preisen. Auch habe ich mit Ungarinnen und Kolleginnen aus aller Herren Länder zusammengearbeitet, und meistens gut zusammengearbeitet. Habe diesbezüglich nichts von Schlägereien und Zwangsprostitution erfahren oder miterlebt. BIEP ist ein korrekter Mensch, ist jederzeit für seine Mädels da. Ich schätze ihn sehr in dieser Branche. Und all das negativ Geäußerte, all diese Anschuldigungen kann ich nicht nachvollziehen, kann ich nur negieren. Er ist fair und ein großartiger Mensch.«
Der Mann mit dem BIEP wird uns gleich berichten, was es mit all den Anschuldigungen oder Lügen, oh Pardon — aber im Zweifel für den Angeklagten, und keine Rosen für den Staatsanwalt, und der Verteidigungsinstinkt ist nunmal groß, wenn man uns Freier und Nachtwanderer zu Nutznießern des Elends und des Zwanges machen will — , was es also mit dem ganzen Kaviarsturm auf sich hat. Und ebenfalls vorher aufgezeichnet, bitte, meine Liebe:
«Lieber Ecki, schön, dass ich bei dir zu Wort komme, das ist ja heute gar nicht mehr üblich. Küsschen, mein Lieber. Aber sende das nächste Mal nicht so viel geilen Schweinkram durch den Äther, du machst meine Gäste ganz irre, nun ja, mein Lieber, du weißt schon, wie du den Verkehr anheizt! Also, wie du weißt, bin ich eine gestandene, deutsche Frau, und ich miete seit einigen Jahren bei BIEP eine Wohnung an und würde niemals mehr einen anderen Vermieter haben wollen, kann mir kein besseres Arbeiten als in seinem Objekt vorstellen. Was dieser XXX da schreibt sind alles Unwahrheiten und in keinster Weise Fakten, da ist nichts bis zum Ende ermittelt oder recherchiert! Der Gute sollte sich mal aufklären lassen! Und ich habe das schon oft erlebt, als Berufserfahrung sozusagen, dass eine ausländische junge Frau einem Gast auf die Mitleidstour kommt, denn es gibt genügend Gäste, die darauf reinfallen und Geld oder sonstiges den Mädels spendieren, ist doch schlau von den Mädchen, obwohl ich glaube, dass das auf Dauer sich nicht auszahlt, aber dieser Typ ist da anscheinend voll auf den Leim gegangen. Und bevor er solche Verleumdungen verbreitet, was ja vielleicht sogar strafbar ist, aber da kenne ich mich jetzt nicht so aus, hätte er sich doch besser an den richtigen Stellen informiert. Ich will gar nicht abstreiten, dass es genug Stress und Probleme in der Branche gibt, Neid, Mobbing, wenn ihr wisst, was ich meine, aber ich habe immer versucht, fair und sauber zu arbeiten, und ich kann nur sagen, dass BIEP auch fair und sauber arbeitet.«
Danke für die Blumen und die Kritik, meine Liebe, und jetzt ist es Zeit, Ladies and Gentlemen, meine Lieben, ihr Nachtwachen und Nacktwachen, live bei» Eckis Edelkirsch«, wir werden unsere kleine Sendung wohl demnächst umbenennen, it’s blowtime , sendet mir einfach eure Wünsche und Vorstellungen, und jetzt aber genug gewartet, ich mache die Leitung frei für einen unserer angesehensten Bürger, ich nenne ihn manchmal respektlos» den Alten vom Berge«, aber das nur, um meine Achtung auszudrücken, aus rechtlichen Gründen und aus rechtslosen Gründen möchte er heute aber anonym bleiben, rein formell, wie er mir vorhin versicherte, ich muss zugeben, ich bin ein wenig aufgeregt:
RÄUSPER RÄUSPER
«Also, herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen in meiner kleinen Sendung!«
«Guten Abend allerseits. Also ›Vorwürfe‹ nennen Sie das.«
«Nun …«
«Zuerst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass Sie mit Ihrer ›kleinen Sendung‹, wie Sie es nennen, einen großen Schritt in Richtung Aufklärung gehen, in dem Sinne, dass wir unverkrampft und offen mit dem Thema der Sexarbeit, der sexuellen Dienstleistungen und vor allem der sexuellen Dienstleisterinnen umgehen, umgehen müssen, auch wenn Sie da manchmal arg dem Kalauer verfallen und in eine, auch wenn ich denke ironische , sexuelle Raserei geraten …«
«Nun, da geht es mit dem guten Ecki hin und wieder durch, muss ich zugeben.«
«Es ist ein Geben und Nehmen, wie in anderen Geschäften auch, mein lieber Ecki, ich darf Sie doch Ecki nennen …«
«Selbstverfreilichst dürfen Sie!«
«Sie haben sich ja da schnell auf meine Seite geschlagen, wenn ich die letzten Minuten, die mir zugegebenermaßen wie Stunden vorkamen, richtig verfolgt habe.«
«Ich konnte mir einfach nichts anderes vorstellen, wissen Sie, wo ich doch in den meisten Ihrer Objekte gewesen bin.«
«Ich weiß das zu schätzen, mein lieber Ecki, aber ich bin mir nicht immer sicher, ob Sie die Dinge durchschauen, aus Ihnen spricht der Gast, der ewige glühende Gast …«
«Oh ja, der Ecki glüht, hin und wieder zumindest. Aber deswegen freue ich mich ja, dass ich mit Ihnen über die Fakten sprechen kann.«
«Fakten, Ecki. Genau darum geht es. Viel zu wenige unserer Mitbürger wissen um die Fakten. Sie schauen in die Nacht und glauben, den Sumpf zu sehen …«
«Ich? Nein, ich …«
«Nicht Sie, lieber Ecki. Unsere Mitbürger, Ecki.«
«Sie haben einen ungewöhnlichen Schritt gewählt, dass Sie sich hier unserer zugegebenermaßen kleinen Hörergemeinde stellen.«
«Sagen Sie nicht ›stellen‹, mein lieber Ecki. Das klingt nun doch zu sehr nach Pranger. Sie haben Respekt vor unserer Arbeit, das schätze ich an Ihnen. Und damit meine ich die Arbeit der Frauen, ohne die ich nichts wäre, und ich meine das mit dem ›nichts‹ so, wie ich es sage, und meiner Arbeit, der Arbeit meiner Firma.«
«Danke, danke. Und der Pranger liegt mir nun doch sehr fern, Herr …, wie darf ich Sie in unserer kleinen Plauderrunde nennen …, Mister Orpheus?«
«Typisch Ecki!«(LACHEN)»Eckis Edelkirsch.«(LACHEN)»Nun, Sie dürfen. Wie es Ihnen gefällt. Ich weiß natürlich, worauf Sie da anspielen, und genau das meinte ich auch, als ich sagte, dass Sie die Fakten, die Dinge, sicher nicht immer so klar durchschauen …«
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