Babas Motto in Bezug auf Partys lautete: Am besten, man lädt die ganze Welt ein, sonst ist es keine richtige Party. Ich weiß noch, wie ich mir eine Woche vor meiner Geburtstagsfeier die Gästeliste ansah und mindestens drei Viertel der vierhundert geladenen Gäste — abgesehen von all den Kakas und Khalas —, die mir Geschenke bringen und mir dazu gratulieren sollten, dass ich dreizehn Jahre alt geworden war, gar nicht kannte. Dann wurde mir klar, dass sie eigentlich gar nicht meinetwegen kamen. Es mochte wohl mein Geburtstag sein, aber ich wusste, wer der eigentliche Star bei dieser Sache war.
Seit Tagen wimmelte das Haus von Leuten. Da war Salahuddin, der Metzger, der mit einem Kalb und zwei Schafen im Schlepptau auftauchte und sich weigerte, für die drei irgendeine Bezahlung anzunehmen. Er schlachtete die Tiere eigenhändig bei der Pappel im Garten. Ich weiß noch, wie er behauptete, dass das Blut gut sei für den Baum, als das Gras um die Pappel vom Rot durchtränkt wurde. Männer, die ich nicht kannte, kletterten mit aufgerollten Lichterketten und meterlangen Verlängerungsschnüren in die Eichen hinauf. Andere bauten Dutzende von Tischen im Garten auf und legten Decken auf jeden einzelnen. Am Abend vor der großen Feier kam Babas Freund Del-Mohammad, dem ein Kebab-Haus in Shar-e-Nau gehörte, mit seinen Gewürzsäcken zu uns ins Haus. Wie schon der Metzger weigerte sich auch Del-Mohammad — oder Dello, wie Baba ihn nannte —, irgendeine Bezahlung für seine Dienste anzunehmen. Er sagte, Baba habe schon genug für seine Familie getan. Es war Rahim Khan, der mir, während Dello das Fleisch marinierte, zuflüsterte, dass Baba Dello Geld gegeben hatte, damit der sein Restaurant eröffnen konnte. Baba hatte sich geweigert, sich das Geld zurückzahlen zu lassen, bis Dello eines Tages in einem Mercedes die Auffahrt heraufgekommen war und Baba erklärt hatte, dass er erst dann wieder fahren würde, wenn Baba sein Geld angenommen hätte.
Ich nehme an, dass man meine Geburtstagsparty wohl in vielerlei Hinsicht — oder zumindest unter dem Ge sichtspunkt aller für eine Party wichtigen Kriterien — als einen großen Erfolg bezeichnen könnte. Noch nie war unser Haus so voll gewesen. Gäste mit gefüllten Gläsern in der Hand unterhielten sich auf den Fluren, rauchten auf der Treppe ihre Zigaretten, lehnten an Türrahmen. Sie setzten sich, wo sie gerade Platz fanden: auf die Arbeitsflächen in der Küche, in die Eingangshalle, sogar unter die Treppe. Im Garten vermischten sie sich unter dem blauen, roten und grünen Glühen der Lampen, die in den Bäumen blinkten, die Gesichter erleuchtet vom Licht der Petroleumfackeln, die überall in der Erde steckten.
Baba hatte auf dem Balkon, der auf den Garten hinausging, eine Bühne aufbauen und überall im Garten Lautsprecher aufstellen lassen. Ahmad Zahir spielte auf dieser Bühne über den Massen von Tanzenden auf einem Akkordeon und sang dazu.
Ich musste jeden der Gäste persönlich begrüßen — darauf achtete Baba sehr genau. Niemand sollte sich am nächsten Tag den Mund darüber zerreißen, dass er einen Sohn ohne Manieren großgezogen habe. Ich küsste Hunderte von Wangen, umarmte fremde Menschen, bedankte mich für ihre Geschenke. Mein Gesicht tat schon weh von den Strapazen meines gekünstelten Lächelns.
Ich stand mit Baba im Garten in der Nähe der Bar, als jemand sagte: »Herzlichen Glückwunsch, Amir.« Es war Assef in Begleitung seiner Eltern. Assefs Vater, Mahmood, war ein kleiner schlaksiger Mann mit dunkler Haut und einem schmalen Gesicht. Seine Mutter, Tanja, war eine zierliche, nervöse Frau, die andauernd zu lächeln und zu blinzeln schien. Assef stand grinsend zwischen den beiden, die er um einiges überragte, und hatte die Arme um ihre Schultern gelegt. Er führte sie in unsere Richtung, ganz so, als hätte er sie mitgebracht. Als wäre er der Vater und sie wären seine Kinder. Ein Schwindelgefühl überkam mich. Baba dankte ihnen für ihr Kommen.
»Ich habe dir dein Geschenk selbst ausgesucht«, erklärte Assef. In Tanjas Gesicht zuckte es, und ihre Augen huschten unruhig zwischen Assef und mir hin und her. Sie setzte ein wenig überzeugendes Lächeln auf und blinzelte. Ich fragte mich, ob Baba es bemerkt hatte.
»Spielst du immer noch Fußball, Assef jan?«, erkundigte sich Baba. Er hatte sich immer gewünscht, dass ich mich mit Assef anfreundete.
Assef lächelte. Es war unheimlich zu sehen, wie nett er dadurch wirkte. »Aber natürlich, Kaka jan.«
»Rechtsaußen, wenn ich mich richtig erinnere, oder?«
»Dieses Jahr spiele ich Mittelstürmer«, erwiderte Assef. »Da macht man mehr Tore. Nächste Woche spielen wir gegen die Mannschaft von Mekro-Rayan. Wird bestimmt ein gutes Spiel. Die haben einige tolle Spieler.«
Baba nickte. »Ich habe in meiner Jugend auch lange als Mittelstürmer gespielt.«
»Ich wette, das könnten Sie noch immer, wenn Sie wollten«, entgegnete Assef und bedachte Baba mit einem gut gelaunten Zwinkern.
Baba erwiderte das Zwinkern. »Wie ich sehe, hat dir dein Vater, dieser weltberühmte Schmeichler, einige seiner Tricks verraten.« Er stieß Assefs Vater so fest den Ellbogen in die Seite, dass der kleine Kerl beinahe umgefallen wäre. Mahmoods Lachen war ungefähr so über zeugend wie Tanjas Lächeln, und ich fragte mich plötzlich, ob ihnen ihr Sohn möglicherweise auf irgendeine Weise Angst einjagte. Ich versuchte mich an einem aufgesetzten Lächeln, aber alles, was ich zustande brachte, war ein schwächliches Hochziehen der Mundwinkel — es drehte mir den Magen um, mit ansehen zu müssen, wie gut sich mein Vater mit Assef verstand.
Assef richtete den Blick auf mich. »Wali und Kamal sind auch hier. Sie würden sich deinen Geburtstag um nichts auf der Welt entgehen lassen«, sagte er, und schien erneut in lautes Lachen ausbrechen zu wollen. Ich nickte schweigend.
»Wir wollen morgen bei uns zu Hause Volleyball spielen«, sagte Assef »Vielleicht hast du ja Lust mitzumachen. Bring doch Hassan mit, wenn du willst.«
»Das klingt doch gut«, sagte Baba strahlend. »Was hältst du davon, Amir?«
»Ich mag Volleyball nicht besonders«, murmelte ich. Ich sah, wie das Funkeln in Babas Augen erlosch, und betretenes Schweigen trat ein.
»Tut mir Leid, Assef jan«, sagte Baba schulterzuckend. Dass er sich für mich entschuldigte, traf mich tief.
»Ach, das macht doch nichts«, antwortete Assef. »Aber die Einladung steht nach wie vor, Amir jan. Also, ich habe gehört, dass du gern liest, deshalb habe ich dir ein Buch mitgebracht. Eins meiner Lieblingsbücher.« Er reichte mir das eingewickelte Geschenk. »Alles Gute zum Geburtstag.«
Er trug ein Baumwollhemd und eine blaue Hose, eine rote Seidenkrawatte und glänzende schwarze Halbschuhe. Er roch nach Eau de Cologne, und sein blondes Haar war ordentlich zurückgekämmt. Oberflächlich betrachtet, verkörperte er den Sohn, von dem alle Eltern träumten: ein kräftiger, großer, anständig gekleideter Junge mit guten Manieren, Talent und einem attraktiven Aussehen — nicht zu vergessen die nötige Schlagfertigkeit, der es bedurfte, um mit einem Erwachsenen zu scherzen. Aber wenn ich ihn anblickte, verrieten ihn seine Augen. Wenn ich in sie hineinsah, bröckelte die Fassade und gab für einen Moment den Blick auf den Wahnsinn frei, der dahinter verborgen lag.
»Willst du es denn nicht annehmen, Amir?«, sagte Baba.
»Wie?«
»Dein Geschenk, das Assef jan dir mitgebracht hat«, sagte Baba gereizt. »Willst du es nicht annehmen?«
»Oh«, sagte ich. Ich nahm das Päckchen aus Assefs Händen entgegen und senkte den Blick. Wenn ich doch nur allein in meinem Zimmer hätte sein können, umgeben von meinen Büchern und weit weg von diesen Leuten!
»Nun?«, sagte Baba.
»Was denn?«
Baba sprach mit einer leisen Stimme, die er immerdann benutzte, wenn ich ihn in der Öffentlichkeit blamierte. »Willst du dich denn nicht bei Assef jan bedanken? Das war doch sehr aufmerksam von ihm.«
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